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"Sichere" Herkunftsstaaten
LSVD wirft Bundesregierung "Rechtsbruch mit Ansage" vor
Weil die Ampel-Regierung weiteren queerfeindlichen Ländern im Asylrecht einen Freibrief ausstellen will, gibt es scharfe Kritik.

Das Ministerium von Nancy Faeser will weiteren queerfeindlichen Ländern das Prädikat "sicher" verleihen – und bedroht damit insbesondere die Sicherheit von queeren Geflüchteten, so der LSVD (Bild: Angelika Aschenbach)
- 30. Mai 2023, 16:36h 3 Min.
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland hat am Dienstag scharfe Kritik an der Asylpolitik der Bundesregierung geübt. Hintergrund ist, dass das Innenministerium in einem neuen Gesetzentwurf plant, dass Georgien und die Republik Moldau das Prädikat "sichere Herkunftsstaaten" erhalten. Diese Schritt werde laut dem Ministerium von Nancy Faeser (SPD) vollzogen, weil bislang nur wenige Asylanträge aus diesen beiden Staaten anerkannt worden seien.
"Dass die Bundesregierung nun – anstatt die LSBTIQ*-Verfolgerstaaten Ghana und Senegal zu streichen – auch noch eine Ausweitung der Liste betreibt, ist ein Rechtsbruch der Bundesregierung mit Ansage. Dies passiert ganz klar auch auf Kosten LSBTIQ*-Geflüchteter aus diesen Ländern", kritisierte LSVD-Bundesvorstandsmitglied Patrick Dörr.
Der Hintergrund: Wer aus einem "sicheren Herkunftsland" Asyl beantragt, erhält nur ein beschleunigtes Asylverfahren, was die Chancen auf eine rasche Abschiebung massiv erhöht – zudem wird die Klagefrist verkürzt und die Person kann auch bei einer laufenden Klage in ihr Heimatland zurückgebracht werden. "Da viele LSBTIQ* sich gerade zu Anfang des Asylverfahrens oft nicht trauen, ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität anzusprechen und ihre Verfolgungserfahrungen vorzutragen, würde die Einstufung gerade LSBTIQ* aus diesen Ländern in akute Gefahr bringen", befürchtete Dörr.
Zwar bestehen in Georgien wie auch in Moldau keine Strafgesetze gegen Homosexualität, jedoch seien laut LGBTI-Aktivist*innen queere Menschen dort nicht vor der teils massiven gesellschaftlichen Gewalt und Diskriminierung geschützt. In den letzten Jahren gab es in Georgien etwa immer wieder Angriffe auf LGBTI-freundliche Einrichtungen. Bei massiven Ausschreitungen gegen einen dann abgesagten Pride wurden 2021 etwa unter anderem das Büro der CSD-Organisation und Journalist*innen angegriffen (queer.de berichtete). Ein angegriffener Kameramann starb wenige Tage später.
Bereits jetzt stuft Berlin zwei Verfolgerstaaten als "sicher" ein
Bis heute sind auf der Liste der angeblich "sicheren" Herkunftsländer mit dem Senegal und Ghana zwei Länder aufgeführt, die Homosexualität ausdrücklich unter Strafe stellen – dort drohen fünf bzw. drei Jahre für einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen. Zudem will die Union mit Algerien, Marokko und Tunesien drei weitere Verfolgerstaaten als pauschal "sicher" erklären (queer.de berichtete). Für alle diese Staaten und auch auch für Georgien lägen Verwaltungsgerichtsurteile vor, die von einer Verfolgung von LSBTIQ* sprechen, so der LSVD.
Der Verband hält die Einstufung von Verfolgerstaaten als "sicher" für verfassungswidrig. Bereits 1996 habe das Bundesverfassungsgericht als Bedingung für eine Einstufung als "sicheres Herkunftsland" festgelegt, dass in ihm "Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen" müsse. Dies sei in einem Land, das Homosexualität ausdrücklich unter Strafe stellt, nicht gewährleistet. (dk)
Update: Der LSVD hat inzwischen mit All Out eine Petition zum Thema gestartet.
