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Folge 23 von 53

Schwule Symbole im Film: Stichwaffen und Pfählung

In dieser Folge geht vor allem um Messer, aber auch um Schwerter und Degen, die gar nicht so antiquiert sind, wie sie zunächst scheinen. Auch bei Filmszenen über Pfählungen lohnt sich ein näherer Blick.


Schwerter als Phalli und Fetische in "Sebastian Castro: Theban" (2013)

Messer – geeignet zum Arbeiten, Heilen und Töten

Die Vielseitigkeit eines Messers ist eindrucksvoll: Die Person, die es in ihren Händen hält, kann damit trennen und teilen (aufgrund der Schärfe) bzw. andere angreifen und sich verteidigen (aufgrund der Spitze). Ein Messer dient der Nahrungsaufnahme und dem Schutz ebenso wie dem Heilen und dem Töten. Die Redensart "Kampf bis aufs Messer" bezieht sich auf Messer als effektive Waffen im Nahkampf. Menschen mit einem "messerscharfen Verstand" können klar und analytisch (zerlegend) denken. Als Phallussymbol steht ein Messer für sexuelle Gewalt und verbindet Emotion und Aggression.

Messer auf zwei DVD-Covern – Phallus

An zwei Beispielen möchte ich darauf hinweisen, wie das Messer als Phallus auf DVD-Covern bzw. Postern inszeniert werden kann: Auf dem Cover von "A Siren in the Dark" (2009) steht ein lebensgroßes und aufrecht inszeniertes Messer, das als Phallus wahrnehmbar ist, zwischen zwei nackten Männern.


Ein großes Messer auf dem Cover zu "A Siren in the Dark" (2009)

Auf dem Cover von "Verde, Verde" (2012) ist die Darstellung sogar noch deutlicher, weil der Messergriff wie ein Penis geformt ist.. In beiden Filmen hat das Messer im eigentlichen Handlungsverlauf kaum eine Relevanz.


Zwei Seiten eines Messers in "Verde, Verde" (2012)

Messer in Filmszenen haben manchmal keine symbolische Bedeutung, wie z.B. im Zusammenhang mit "Blutsbrüderschaften" (Folge 4). Das Ritual selbst ist zwar eine symbolische Handlung, aber das Messer, mit dem es durchgeführt wird, ist selber kein Symbol.

Messer im Körper – Penetration

Manchmal werden in Filmen Schwule mit einem Messer ermordet, wie in "Perdido" (2010), oder Männer werden mit vorgehaltenem Messer vergewaltigt oder bedroht wie in "Metropolis 2000" (1983) und "Black's Game. Kaltes Land" (2012). Wenn Messer nur als Mittel für solche Zwecke eingesetzt werden, haben sie meistens keine eigene symbolische Bedeutung. Von dieser Regel gibt es allerdings Ausnahmen.

Im breit rezipierten Psychothriller "Cruising" (1980), der von Morden in der schwulen Lederszene handelt, wird das Messer, das der Täter von hinten in die Körper seiner Opfer stößt, durch den Kommentar des Gerichtsmediziners zur sexuellen Ersatzhandlung des Täters erklärt. Der Gerichtsmediziner weist auf die fehlenden Samenzellen im Ejakulat des Täters hin, was eine Motivation für die Morde darstellen soll. Als Mordmotiv ist dies fragwürdig, nach dem Motto: Wer nicht zeugungsfähig ist, sucht angeblich nach "Ersatzhandlungen".


Sexuelle Ersatzhandlung mit einem Messer in "Cruising" (1980)

In "The infernal rapist" (1988) wird ein Mann von einem anderen Mann erstochen und vergewaltigt, anschließend ritzt der Täter mit einem Messer ein Zeichen in seinen Hintern. In "Das Gesetz der Gewalt" (1992) wird ein Messer während einer analen Vergewaltigung wie ein Phallus in den Darm des Opfers gestoßen.

Was andere Filme nur andeuten, wird in einer Folge der Profiler-Serie "Criminal Minds" (Folge 5/1) im Zusammenhang mit einer Bedrohung mit einem Messer deutlich ausgesprochen. George Foyet – auch "The Reaper" genannt – hat Agent Hotchner in seiner Gewalt und sagt zu ihm, während er auf ihm liegt: "Versuchen Sie sich zu entspannen. Ihr Körper ist noch nicht locker genug. So geht die Klinge viel einfacher rein, wenn Sie sich entspannen. […] Soviel ich weiß, gehen Profiler davon aus, dass Messerstiche eine sexuelle Ersatzhandlung sind, dass jemand, der impotent ist, stattdessen ein Messer benutzt." Auch die Körperpositionen beider Männer und weitere Kommentare parallelisieren den Gewalt- und den Sexualakt. So liegt der halbnackte Täter auf Agent Hotchner, als er ihn mit einem Messer bedroht. Hotchners Stöhnen wegen seiner physischen Schmerzen kann mit dem Stöhnen bei sexueller Lust assoziiert werden.

Messer und Geschlecht – Kastration


"A Year Without Love" (2005, Cover-Ausschnitt)

Messer werden manchmal im Kontext von Kastrationsängsten inszeniert. In "Obszönitäten" (1971) wird ein Messer im Zusammenhang mit einer geplanten "Penis-Transplantation" eines schwul erscheinenden Arztes gezeigt. In "Lola und Bilidikid" (1999) droht Bilidikid seinem Freund Lola mit dem Messer eine Geschlechtsoperation an, wobei dieses Messer auch gleichzeitig die Waffe ist, mit der er später Lolas Mörder kastriert.

Auch die Inszenierungen von Messern in "Ein Jahr ohne Liebe" (aka "A Year Without Love", 2005), bei einer Operation in "Magathanam" (2014) und bei der Kastration in "WC masculino" (2017; 14:40 Min., ) sollen offenbar Kastrationsängste auslösen, haben damit aber nicht automatisch eine symbolische Bedeutung.

Weitere Bedeutungen – Klappmesser und das Messer im Herz


Emotionale Verletzung in "Messer im Herz" (2018)

Ein Klappmesser, das aufgeklappt wird, kann visuell auf eine Erektion verweisen: Das Ausklappen eines Messers in Verbindung mit einer Sexszene zwischen dem Protagonisten und einem Polizisten wirkt in "Querelle" (1982) ähnlich wie eine Erektion. Auch in "The Boys of Cellblock Q" (1992) ist das Klappmesser als Phallussymbol erkennbar, weil es ein Gefängnisinsasse vorne in seiner Unterhose versteckt hatte. In "Dirty Boots" (2014) sieht man ein Klappmesser mal zu- und mal aufgeklappt. In der Beziehung zwischen Arthur Rimbaud und Paul Verlaine in "Total Eclipse" (1995) wird aus der Verletzung durch ein Messer ein "Schmerz als Liebesbeweis" ("Out im Kino", 2003. S. 340).

Es gibt diverse Sprichwörter, in denen ein Messer im Herzen genannt wird, wie: "Worte verletzen einen mehr als ein Messer ins Herz." Hermann J. Huber verweist zu dem Film "Das Bildnis des Dorian Gray" (1970) auf das "Messer im Herzen" der Hauptfigur, mit dem sich Dorian selber tötet (Hermann J. Huber: "Gewalt und Leidenschaft", 1989, S. 31). Auf diese Weise wird die Emotionalität der Handlung verstärkt. Der Film "Messer im Herz" (2018), in dem Darsteller von Schwulenpornos einem Mörder zum Opfer fallen, verweist ebenfalls auf solche Redensarten und auf eine emotionale Verletzung.

Pornos – Messerscharfer Sex

Der Porno "Sharp" (2012) spielt im Titel mit dem auch im Englischen bekannten doppeldeutigen Begriff "scharf", der sowohl "geschliffen" als auch "attraktiv" bedeuten kann. Er handelt – passend zum Messer – von sexualisierter Gewalt.

In den inhaltlichen Kurzbeschreibungen von Schwulenpornos wird das Messer in zwei Bedeutungen eingesetzt: Zum einen wird mit der Metapher "Messer in warmer Butter" das einfache Eindringen in einen Körper veranschaulicht: Dildos gleiten in "his ass as easily as a warm knife slips into butter" (Text zum Porno "Swiss Gang Bang"; siehe auch eine ähnliche Beschreibung zum Porno "Fistpack 16: Hand It Over"). Zum anderen wird eine sexuelle Spannung beschrieben, die sich so verdichtet, dass man sie angeblich mit einem Messer schneiden kann: "You can cut the sexual energy with a knife in 'Hot House Backroom 5'!" (Siehe auch eine ähnliche Beschreibung von "Boys Going Fucking Wild".)


Scharfe Männer in "Sharp" (2012)


Schwerter und andere Stichwaffen – nicht jedes Schwert passt in eine Scheide

Stichwaffen wie Dolch und Schwert sind dafür bestimmt, gewaltsam in einen Körper einzudringen, und können Phallus-Symbole für aggressive Penetration sein. Das Schwert symbolisiert dabei auch Mut und Gerechtigkeit (Richtschwert der Justitia). Mit der Bezeichnung der Schwerttasche als "Scheide" wird im Deutschen sprachlich auf Penetration verwiesen. Symbole unterliegen einem Wandel und so kann Luke Skywalkers Lichtschwert in "Star Wars" gut aufzeigen, wie modern eine solch antiquiert scheinende Waffe sein kann. Bekannt ist auch der stilisierte Speer als Teil des Marszeichens.

Frühe Filmbeispiele für Stichwaffen – Phallus

Ein frühes Beispiel für eine zumindest homo­sexuell rezipierbare einschlägige Filmszene ist "The Strange One" (1957), worin das Putzen eines Schwertes so inszeniert wird, als würde es sich (= als Phallus) rhythmisch im Mund eines anderen Mannes bewegen. In "Fellinis Satyricon" (1969), einem Film, der in der römischen Antike spielt, vergewaltigt Ascyltus mit vorgehaltenem Schwert einen Lustknaben, womit das Schwert Waffe und Symbol zugleich ist und verdeutlicht, dass sich die traditionell-heterosexuelle Symbolik von Schwert/Scheide (ähnlich wie Schlüssel/Schloss) auf gleich­geschlechtliche Handlungen übertragen lässt. Auch Ascyltus' Äußerung "Wenn du Lucretia bist, hast du in mir deinen Tarquinius gefunden" verdeutlicht die Gewaltsamkeit: Nach einer römischen Überlieferung wurde Lucretia (vor 500 v.u.Z.) vom König Tarquinius mit dem Tod bedroht und vergewaltigt. Diese Geschichte – vor allem der anschließende Freitod Lucretias – ist ein oft dargestelltes Motiv in der bildenden Kunst.

Ein weiteres Filmbeispiel stammt aus dem Bereich der frühen deutschen Sexkomödien: Angela träumt in "Das ehrliche Interview" (1971) von zwei Lanzen und damit – im Kontext dieser Filmszene – vom Sex zu dritt mit zwei Männern. Dabei handelt es sich um eine der wenigen Ausnahmen, dass nicht nur die heterosexuelle Männerphantasie von Sex mit zwei Frauen befriedigt wird, sondern auch der Sex zwischen den Männern zumindest angesprochen wird.

Derek Jarman hat in seinem Film "Sebastiane" (1976) Schwerter mehrfach und unterschiedlich inszeniert: Bei der Bedrohung von Sebastian wird ein Schwert wie ein Phallus gehalten und später auch bei einer Vergewaltigung eingesetzt. Gekreuzte Schwerter wirken wie ein Hinweis auf Krieg bzw. Widerstand und in einer Szene werden Schwerter in einer Form geschärft, die an Wichsen erinnert.


Schwert als Phallus in "Sebastiane" (1976)

Neuere Filmbeispiele für Stichwaffen – Phallus

In der Sitcom "The Big Bang Theory" (Folge 4/19) lässt Raj bei einem Videospiel in einer für seine Freunde erkennbaren sexuellen Absicht sein Schwert fallen, um sich "langsam danach zu bücken". Dies ist auch ein Beispiel dafür, wie selbst in der heutigen Zeit das Schwert-Motiv modern wirken kann.

In einer anderen Komödie – "Kreuz und Queer" (1998) – wird im Rahmen einer homo­erotischen Männergruppe nicht ganz ohne Ironie auf die männliche "Energie" einer Harpune hingewiesen.


Eine Harpune in "Kreuz und Queer" (1998)

Das Damokles-Schwert und das Schwert der Gerechtigkeit

Zu den weiteren symbolischen Verwendungen von Stichwaffen gehört das "Damokles-Schwert". Es wird – basierend auf einer Geschichte aus dem 4. Jh. v.u.Z. – bis heute als Symbol für eine permanente Gefährdungslage gebraucht. In "Anders als die Andern" (1919) wird der § 175 RStGB als Damokles-Schwert bildlich inszeniert und auch in der Werbung für diesen Film wurde es aufgegriffen, um auf diese Weise die permanente strafrechtliche Bedrohung, die über allen schwulen Männern schwebte, zu verdeutlichen.


Werbung für "Anders als die Andern" (1919): Auf dem Schwert ist "§ 175" eingraviert

Für Gerechtigkeit steht das Schwert in "Lot in Sodom" (1933), das, zusammen mit Lichtstrahlen und Engeln inszeniert, die sogenannten Sodomiter richten soll. In "Die Teuflischen der Insel" (1976) werden (in der unzensierten Fassung) zwei Schwule ermordet, einer von ihnen durch ein Schwert. Der Mörder begründet den Mord ausdrücklich mit religiösen Motiven: "Gott bestraft Perversion und ich bin sein Engel mit dem Flammenschwert." Es ist eine Form von homophober Selbstjustiz, durch die die Vorstellung von Gerechtigkeit pervertiert wird.


Gerechtigkeit in "Lot in Sodom" (1933)

Weitere Bedeutungen – gekreuzte Schwerter verweisen auf Krieg

In "Anders als du und ich" (1957) sind Lanzen und Totenmasken, ähnlich wie der homo­erotische Ringkampf im selben Raum, offenbar eine Referenz auf die von Schwulen oft verklärte griechische Antike. Von der Antike handelt auch das Musikvideo "Sebastian Castro: Theban" (2013, hier online), in dem die Schwerter einer homo­sexuellen Armee nicht nur Phalli, sondern auch Fetische sind.

In "(T)Raumschiff Surprise – Periode 1" (2004) dient das Schwert dazu, durch Schwertschlag von hinten einen Mann zum "Ritter von hinten" zu schlagen – eine anzügliche Parodie auf das Ritual des Ritterschlags, das seit dem 14. Jahrhundert bekannt ist. (Bis heute werden in abgewandelter Form Menschen von der englischen Königin zwar nicht mehr zum Ritter, aber noch zum Sir geschlagen, wie "Sir Elton John" im Jahre 1998.) Gekreuzte Schwerter sind ein bekanntes Zeichen für Kriege und Schlachten, z.B. in historischen Schulbuch-Karten – und so auch im Film "Tino" (1985). Auch im bereits erwähnten Film "Die Teuflischen der Insel" (1976) sind vor der Ermordung zweier Schwuler gekreuzte Schwerter zu sehen.

Es ist nachvollziehbar, dass diese vormodern wirkenden Stichwaffen vor allem im Zusammenhang mit historischen Filmstoffen aufgegriffen werden. Dass es sich dabei meistens um Schwerter handelt, könnte an der größeren symbolischen Bandbreite dieser Waffenart liegen.

Phallische Waffen-Metaphorik

Der Anglist Jody Skinner verweist in seinem Buch "Bezeichnungen für das Homo­sexuelle im Deutschen" (1999, 2. Bd., S. 357) auch auf die Begriffe "warme Lanze" (Penis von Schwulen) und "Schwertschlucker" (Schwuler beim Oralverkehr).

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Filmtitel "Zorro mit der heißen Klinge" (aka "The Gay Blade", 1981), in dem ein schwuler Zorro auftritt, auch als dezente phallische Anspielung gemeint ist. Hermann J. Huber schreibt in seinem Filmlexikon ("Gewalt und Leidenschaft", 1989, S. 169) über den Film "Taxi zum Klo" (1980), dass der Regisseur und Hauptdarsteller Frank Ripploh nicht nur im Film, sondern auch privat immer "mit erhobener Lanze" zu sexuellen Abenteuern unterwegs sei.


"Zorro mit der heißen Klinge"

Pornos – Schwerter und Degen als Verweise auf Phallus und Ehre

In Schwulenpornos ist sind Schwerter und Degen allgemein ein Zeichen von Stärke und sexueller Potenz ("Sword Master", "Brothers of the Sword") und werden auch im Kontext eines militärischen Ehrenkodex eingesetzt ("Honorable Discharge" = Ehrenhafte Entlassung). Filmtitel mit dem Begriff "Schwertschlucker" ("Sword-Swallower 2") verweisen deutlich auf Oralverkehr und Phallus-Symbolik. Auch in Pornos findet man das Schwertmotiv häufig in Filmen, die in früheren historischen Epochen angesiedelt sind, wie dem antiken Rom ("AMG Resurrection. A new Beginning", "Spartacus", "Empire of Caesar") oder auch dem alten Ägypten ("Temptations at the Bath. Pharaoh's Bath House Fantasies"), wobei die Erektion auf dem Cover manchmal parallel zum Schwert arrangiert ist.

Zum Logo des schwulen Pornolabels "Treasure Island Media" gehört ein Totenkopf mit zwei überkreuzten Schwertern ("Wild Breed", "Mexican Buttsluts") als typische Piratensymbolik, die auf Phantasien von Freiheit und Abenteuer verweist. Bei einem anderen Unternehmen werden unter dem Label "NakedSword.com" schwule Pornos vermarktet, unter "TheSword.com" schwule Nachrichten im Boulevard-Stil.


Eine Frage der Ehre: Phallische Schwerter in "Sword Master" und "Honorable Discharge"


Pfählung – Angst vor und Strafe für Analverkehr

Das Pfählen war eine im Mittelalter verbreitete Hinrichtungsmethode, bei der ein Pfahl oder ein ähnlicher Gegenstand durch den Körper gebohrt wurde und so zum Tod des Verurteilten führte. Diese Tötungsart kann auch eine symbolische Bedeutung haben, wenn sie als spiegelnde Strafe für Analverkehr bestimmt ist. Dies wird mit Bezug auf König Edward II. behauptet, ist aber vermutlich eine Erfindung. Der Traum, aufgespießt zu werden, wird heute auch als ein sexueller Traum interpretiert, bei dem sich bei Männern Angst vor Analverkehr zeigen kann.

Pfählen im Mittelalter

Zunächst einmal: Für einige queer.de-Leser*­innen, die an dieser Stelle eher eine leichte historische Sonntagslektüre erwarten, erscheint es vielleicht als eine Zumutung, hier von grausamer Gewalt wie Pfählungen zu lesen, die von mir in erster Linie symbolisch, aber nicht ethisch bewertet werden. Im Kontext dieser gesamten 53-teiligen Serie müsste jedoch ausreichend deutlich werden, dass dies nicht aus Sensationsgründen erfolgt, sondern um inhaltliche Aussagen zu treffen. Es wäre falsch gewesen, solche Themen aus den Betrachtungen auszuklammern.

Es gibt einige Filme, die sich mit angeblichen Pfählungen von Homo­sexuellen im Mittelalter befassen. So wird am Ende von Derek Jarmans Film "Edward II." (1991) dem gleichnamigen englischen König eine glühende Eisenstange in seinen Anus getrieben, was zur Legendenbildung um den König gehört und als angebliche spiegelnde Strafe einen Bezug zu seinem homo­sexuell-passiven Verhalten darstellen sollte. Die Ermordung Edwards II. durch eine glühende Eisenstange wird in "Die Tore der Welt" (2012) nach Ken Folletts gleichnamigem Roman nur angedeutet: "Manche behaupten, ihn ereilte eine glühende Eisenstange im Hintern." Diese angebliche Form der Strafe für homo­sexuelle Handlungen gab es aber real nicht.

In sensationsorientierten Pseudo-Dokumentationen wie "Maschinen des Todes" (2008-2009) werden Behauptungen kolportiert wie die, dass eine sogenannte "Folterbirne" als mittelalterliches Folterinstrument auch im Anus homo­sexueller Männer angewendet worden sei. Dafür gibt es keine zeitgenössischen Belege und es ist auch deshalb unglaubwürdig, weil sich Foltermethoden als Form der "Wahrheitsfindung" im Gegensatz zu Hinrichtungsmethoden nicht nach der Art des Deliktes richteten. Die übliche Strafe für homo­sexuelle Männer war vom späten Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit das (ebenfalls symbolische) Verbrennen auf einem Scheiterhaufen. Im historischen Abriss "Schwuler Mut. 100 Jahre Schwulenbewegung" (1998) von Rosa von Praunheim wird über das Mittelalter ironisch verkündet, dass "Schwule mit einer besonderen analen Freude, dem Pfählen", bedacht worden seien. "Man fesselt das Opfer, ölt den Arsch gut ein. Der Henker nimmt einen Pfahl und stößt ihn mit Hilfe eines Hammers in den Anus hinein." Diese Behauptung im Film ist eine ärgerliche Mischung aus aufgeschnappten Legenden und populären Klischees und entspricht keiner historischen Realität.


Darstellung einer Pfählung in "Schwuler Mut. 100 Jahre Schwulenbewegung" (1998)

Pfählen in heutigen Darstellungen

Wie weit ist das 20. Jahrhundert vom Mittelalter entfernt? Auch Unterhaltungsfilme wie "South Park – Der Film" (1997) – worin der schwule Teufel selbst gepfählt wird – greifen das Thema auf.

In "2001 Maniacs" (2005) ist die Pfählung mit einem Speer durch den Anus auch als Strafe für homo­sexuelle Handlungen zu sehen.


Eine Pfählung in "2001 Maniacs" (2005)

Die Darstellung, wie der Speer bei dem schwulen Mann durch den Mund wieder herauskommt, erinnert – wohl nicht ganz zufällig – an einen Schweinespieß. Das lag vielleicht daran, dass dieser sogenannte Backwoods-Film (ein Filmgenre über Hinterwäldler) mehrere Anspielungen auf den frühen Film dieses Genres "Beim Sterben ist jeder der Erste" (1972) enthält, in dem ein Mann während seiner Vergewaltigung gezwungen wird, wie ein Schwein zu quieken.

Chang Cheh – einer der einflussreichsten Regisseure des Martial-Arts-Kinos – lässt in seinem Film "The Slaughter in Xian" (1990) einen Gefangenen durch seine Peiniger mit einer Eisenstange anal pfählen.


Eine Pfählung in "The Slaughter in Xian" (1990)

Die Doku "Yang and Yin. Das Spiel der Geschlechter im chinesischen Kino" (1997) verweist auf die Phallus-Symbolik solcher Szenen und auf die muskulösen halbnackten Männerkörper, die darin zu sehen sind. In dem in der Doku gezeigten Interview zeigt sich Chang Cheh von dieser homo­sexuellen Rezeption seines Films überrascht und betont: "Kein chinesischer Zuschauer denkt an Homosexualität, wenn er meine Filme sieht."

Der Filmtitel "Pfahl in meinem Fleisch" (1969) verweist für sich alleine genommen nur darauf, dass der Pfahl wie der "Stachel im Fleisch" sprichwörtlich als Metapher für Leiden oder für etwas steht, das einen nicht zur Ruhe kommen lässt. In dieser Bedeutung lässt sich auch der Inhalt des Films verstehen, der von den Problemen Eddies und anderer sogenannter "Transvestiten" in Japan berichtet. Auf dem Cover zum Film wird der Titel jedoch so mit dem Motiv eines Hinterns verbunden, dass daraus ein doppeldeutiges Wortspiel mit anal-penetrativer Bedeutung wird.


"Pfahl in meinem Fleisch" (1969) mit möglicher anal-penetrativer Bedeutung

Zwei Literaturverfilmungen

Bei zwei Literaturverfilmungen wurde die anale Pfählung der literarischen Vorlage außer Acht gelassen: In dem Roman "Querelle" von Jean Genet ist es Querelles bizarrer sexueller Wunsch, gepfählt zu werden. Er sagt, er würde erst dann Frieden finden, wenn "er mich gepfählt auf seinen Schenkeln hielte" (Jean Genet: "Querelle", deutsche Ausgabe 1965, S. 370). In "Die 120 Tage von Sodom" des Marquis de Sade (zitiert nach der deutschen Ausgabe des Anaconda Verlags, 2006) ist das "Pfählen" nicht nur Ausdruck für gewalttätigen Analverkehr (S. 89, 159), sondern am Ende des Buches auch eine von vielen sadistischen Folter- bzw. Tötungsmethoden (S. 454, 459, 466). In den Filmen kommen diese Pfählungen nicht vor.

Pornos – "Aufspießen" und Analverkehr

Es kommt selten vor, dass im Kontext von einem schwulen Porno von "Aufspießen" die Rede ist. Hermann J. Huber schreibt zu dem Porno "The Bigger the Better" (1984), dass der ältere Matt den Studenten Brian "aufspießen" möchte ("Gewalt und Leidenschaft", 1989, S. 228). Wer bei Google die drei Begriffe "gay porn aufgespießt" googelt, bekommt mehrere Tausend Treffer zu Pornoseiten. Dabei merkt man schnell, dass der Begriff nicht einfach nur als Synonym für Analverkehr verwendet wird, sondern vor allem dann, wenn es um ein besonders großes Geschlechtsteil des aktiven Mannes und/oder um einen scheinbar unerfahrenen passiven Mann geht.

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