
https://queer.de/?45817
Neu im Rowohlt Verlag
Ein queeres Buch zur richtigen Zeit
Lydia Meiers Sachbuch "Die Zukunft ist nicht binär" ist so empowernd und aufschlussreich, dass man es nach dem Lesen gleich an Freund*innen, Verwandte und Kolleg*innen weitergeben möchte. Damit sie sprechfähig sind, wenn das nächste Mal gegen trans und nicht-binäre Menschen gehetzt wird.

Symbolbild: Mundschutzmaske mit Aufschrift "The future is non-binary" bei einer queeren Protestkundgebung in London (Bild: IMAGO / NurPhoto)
- Von Bo Wehrheim
4. Juni 2023, 02:37h 4 Min.
"Die Zukunft ist nicht binär", das klingt für einige wie eine Verheißung, für andere wie eine Bedrohung, ist aber vor allem: eine Feststellung. Denn die Vergangenheit war nie nur zweigeschlechtlich. Und dass die Geschlechterordnung, wie wir sie kennen, das nicht spiegelt, hat mit Machtverhältnissen zu tun.
Die Beweisführung dafür liefert Autor*in Lydia Meyer in einem mutigen wie notwendigen Sachbuch, das genau zur richtigen Zeit erscheint. Denn nie war die Sichtbarkeit von trans und nichtbinären Menschen höher – und nie erlebten sie mehr Gewalt als gerade jetzt. Meyer macht in dem im Rowohlt Verlag erschienenen Band "Die Zukunft ist nicht binär" (Amazon-Affiliate-Link ) deutlich, dass Desinformation tödlich sein kann: "Jedes Gerücht, jede Verschwörungsideologie, die transfeindliche Menschen ins Internet oder in eine Zeitung schreiben, entlädt sich in ganz realer und physischer Gewalt."
In diesem Sinn ist das Buch ein Akt der Selbstverteidigung, denn es befähigt die Lesenden, transfeindliche Narrative auszumachen und gibt ihnen das Werkzeug sie zu widerlegen.
Queerfeindlichkeit ist keine Meinung

"Die Zukunft ist nicht binär" ist als Taschenbuch und E-Book erhältlich
Am Beispiel der transfeindlichen Biologin Marie-Luise Vollbrecht zeigt Meyer, wie sich Wissenschaftler*innen als "objektiv" inszenieren, so als stünden sie "für die ehrwürdige, neutrale Wissenschaft ein" und hätten keinerlei politische Agenda. Im Gegensatz dazu wären alle anderen "Aktivisten", die sich "für irgendeine ausgedachte Fantasiesache" einsetzen würden.
Besonders in die Verantwortung nimmt Meyer Publizist*innen, Redaktionen und Verlage, die immer wieder trans- und queerfeindliche Beiträge als "Teil einer vermeintlichen Meinungsdebatte" veröffentlichen. Am Beispiel der Kolumnen von Harald Martenstein ("Die Zeit") und Jan Fleischhauer ("Focus") wird deutlich, wie immer wieder "Öl in das Feuer aufgebrachter Konservativer, Männerrechtler und Antifeminist*innen" gekippt wird.
Dass das kein exklusives Problem konservativer Medien ist, zeigt ein Blick in die "taz". Auch hier erscheinen Texte, die Desinformation über trans und nicht-binäre Menschen verbreiten: In einem von Jan Feddersen und Kaija Kutter geführten Interview spricht der umstrittene Jugendpsychiater Alexander Korte über sein Gefühl, dass Transidentität gerade "hip" wäre. Als "Beleg" dafür bemüht er das Konzept "Rapid Onset Gender Dysphoria" (ROGD), das nahelegt, Geschlechtsdysphorie würde plötzlich auftreten und wieder verschwinden. ROGD gilt als pseudowissenschaftlich, da sich die zugrunde liegende Studie ausschließlich auf die Befragung von Eltern stützt, die das Coming-out ihres Kindes nicht akzeptieren.
Auch für Menschen mit wenig Vorwissen verständlich
In "Die Zukunft ist nicht binär" sind alle Fakten mit Quellen-Angaben belegt. Daraus ergibt sich ein eher wissenschaftlicher Stil, dank verständlicher Sprache und Begriffserklärung gelingt es aber, auch Menschen mit wenig Vorwissen abzuholen.
Autor*in Lydia Meyer arbeitet in Berlin als Filmemacher*in und entwickelte unter anderem das "funk"-Format "Auf Klo". 2020 veröffentlichte Meyer mit "Sex und so" ein Aufklärungsbuch, das Jugendlichen einen positiven Umgang mit Beziehungen und Sexualität vermitteln soll.

Autor*in Lydia Meyer (Bild: PNiedermayer )
In "Die Zukunft ist nicht binär" beschreibt Meyer die eigenen Schwierigkeiten mit dem Zurechtkommen im binären Geschlechtermodell. In den "schrecklich sexistischen und binären Nullerjahren", in denen Meyer aufgewachsen ist, gab es keinerlei Identifikationsfiguren für trans Jugendliche. Die wenigen queeren Menschen im Fernsehen wurden als "schräge Paradiesvögel" geothert.
So auch Lana Kaiser, die in der ersten Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" Dritte wurde und vielen Menschen – allerdings unter ihrem Geburtsnamen – im Gedächtnis geblieben ist. Mit "You Drive Me Crazy" landete Kaiser 2003 als erste queer geoutete Person in Deutschland einen Nummer-eins-Hit. Warum wurde sie, die erstmals visionäre queere Ideen ins deutsche Fernsehen brachte, "nie als die queere Ikone gefeiert, die sie eigentlich war?", fragt Meyer.
Es macht Spaß, in Lana Kaiser die erste nicht-binäre Influencerin zu sehen und mit Meyer zusammen die wachsende Sichtbarkeit popkultureller Queerness zu feiern: Miley Cyrus – genderfluid, Emma Corrin – nicht-binär, Indya Moore – trans, nonbinary und agender, Demi Lovato, Janelle Monáe – sie alle reihen sich ein in einen Kanon geouteter Celebritys, die sich jenseits der binären Geschlechterordnung verorten.
Deutlich wird aber auch, dass noch viel zu tun ist, bis nicht-binäre und trans Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen gleichgestellt sind. "Die Zukunft ist nicht binär" ist so empowernd und aufschlussreich, dass man es nach dem Lesen gleich an Freund*innen, Verwandte und Kolleg*innen weitergeben möchte. Damit sie sprechfähig sind, wenn das nächste Mal gegen trans und nicht-binäre Menschen gehetzt wird. Damit sich transfeindliche Ressentiments nicht weiterverbreiten – und die Zukunft nicht binär sein kann.
Lydia Meyer: Die Zukunft ist nicht binär. Sachbuch. 224 Seiten. Rowohlt Verlag. Hamburg 2023. Taschenbuch: 14 € (ISBN: 978-3-499-01060-6). E-Book: 9,99 €

Links zum Thema:
» Blick ins Buch bei amazon.de
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
Informationen zu Amazon-Affiliate-Links:
Dieser Artikel enthält Links zu amazon. Mit diesen sogenannten Affiliate-Links kannst du queer.de unterstützen: Kommt über einen Klick auf den Link ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision. Der Kaufpreis erhöht sich dadurch nicht.
wie das aussieht mit der Pseudowissenschaftlichen Meinungsverschiedenheit zum Beweis die Einleitung dieses Spiegelartikels von heute. Es wird impliziert das es Wahlmöglichkeiten gibt in der Überschrift und in der Einleitung faktisch dargelegt, dass das Selbstbestimmungsgesetz den Schutz von Frauen zerstört. Zu guter Letzt stellt der Autor den Kulturkampf in dem USA fest, den er mit dieser Einleitung in Deutschland gerade selbst befeuert. Da brauchst den Rest der Kolumne hinter der Bezahlschranke nicht mehr.
Dat Isabell
Spiegel Artikel Zitat:
Geplantes Selbstbestimmungsgesetz
Kann man sich dafür entscheiden, eine Frau zu sein?
Ein Kolumne von René Pfister
Die Grünen waren viele Jahre die Partei des Feminismus; nun reißen sie Grenzen ein, die Frauen schützten. In den USA hat das einen Kulturkampf ausgelöst.
04.06.2023, 07.04 Uhr
www.spiegel.de/politik/selbstbestimmungsgesetz-kann-man-sich
-dafuer-entscheiden-eine-frau-zu-sein-kolumne-a-e3c2407e-67d
5-4178-87e2-58239b97e55e