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CSU-Spitzenpolitikerin
Warnung vor "queeren Rändern": Dorothee Bär hält an alten Feindbildern fest
Mit geradezu missionarischem Eifer macht die Vizefraktionschefin der Union Stimmung gegen queere Menschen. Früher hetzte sie gegen die Ehe für alle, jetzt gegen das Selbstbestimmungsgesetz.

Dorothee Bär teilt mal wieder gegen LGBTI aus (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
5. Juni 2023, 14:30h 3 Min. Von
Die CSU-Politikerin Dorothee Bär hat offenbar einiges vom queerfeindlichen Gouverneur Ron DeSantis gelernt, als sie im Mai mit ein paar Parteifreunden eine Audienz beim rechten Scharfmacher in Florida hatte (queer.de berichtete). In einem am Montag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf Seite 8 erschienen Kommentar mit dem Titel "Ein verantwortungsloser Gesetzentwurf" warnt die CSU-Politikerin vor "Partikularinteressen der queeren Ränder".
Der Text beginnt mit den Worten:
Der gesellschaftliche Umbau, den der Koalitionsvertrag der Ampelparteien ahnen ließ, ist in vollem Gange. Statt Familienpolitik an vermeintlich neue Realitäten anzupassen, schaffen die Koalitionsparteien neue Realitäten für Familien, ideologisch geprägt durch Partikularinteressen der queeren Ränder neuer Lebensentwürfe und fernab jeglicher Mitte. Unter dem "Leitmotiv der Entbiologisierung der engagierten Zivilgesellschaft" beobachten wir eine Dekonstruktion von Identität und Familie.
Ein Beispiel dafür sei das Selbstbestimmungsgesetz. Bär ist bereits seit mehr als 20 Jahren im Bundestag – und kämpfte dabei stets verbissen gegen LGBTI-Rechte. So sagte Angela Merkels frühere Staatsministerin und heutige Vizefraktionschefin der Union etwa 2010, dass eine Familie nur aus "Vater, Mutter, Kind" bestehen könne. 2017 stimmte sie wie ein Großteil ihrer Partei für die Beibehaltung des Ehe-Verbots für gleichgeschlechtliche Paare.
Besonders niederträchtig ist, dass Bär in ihrem FAZ-Beitrag Reformbereitschaft vorgaukelt:
Die geltenden Regelungen des Transsexuellengesetzes, insbesondere die verpflichtende Einholung von Gutachten, werden von einigen Betroffenen als diskriminierend wahrgenommen. Als Union erkennen wir den Reformbedarf an. Der Staat muss die besonderen Lebenssituationen von transgeschlechtlichen Menschen berücksichtigen.
Diese Sätze sind höhnisch, wenn man bedankt, dass die Union bis 2021 insgesamt 16 Jahre an der Macht gewesen war – in dieser Zeit änderte sie trotz vieler Ankündigungen am Transsexuellengesetz nichts. Dabei bettelten LGBTI-Aktivist*innen Jahr für und Jahr um eine Reform. Außerdem erklärte das Bundesverfassungsgericht mehrfach Abschnitte des Gesetzes für verfassungswidrig.
In ihrem Text verbreitete Bär zudem die typischen Legenden der transfeindlichen Kräfte, etwa den vom angeblichen "Trend, wonach trans zu sein 'in' ist" – als ob man aus Jux und Dollerei zu einer der am meisten diskriminierten Minderheiten gehören will.
Hier gibt es Parallelen zu vergangenen Diskussionen: Auch bei der Öffnung der Ehe war gewarnt worden, dass jetzt plötzlich alle Heteros schwul werden. Aber auch sechs Jahre nach der Einführung der Ehe für alle gibt es immer noch genug Männer, die mit Frauen schnackseln.
Kritik von Alfonso Pantisano
Nicht nur der frühere LSVD-Chef und SPD-Politiker Alfonso Pantisano fühlt sich nach der Bär-Lektüre an frühere Zeiten erinnert. Auf Facebook schrieb er: "Dieser Sprech ist so schlimm, dass wenn nicht 'Ampelparteien' darauf hindeuten würde, dass es um 2023 geht, man schon denken könnte, dass der Text aus einer alten, dunklen Zeit stammt."
Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär in der (heutigen) FAZ vom 5. Juni! Dieser Sprech ist so schlimm, dass wenn...
Posted by Alfonso Pantisano on Monday, June 5, 2023
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