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Buchkritik

Für mehr queeren Sex, gegen das heteronormative Hollywood

Trans Schauspieler Elliot Page erzählt in seiner jetzt erhältlichen Biografie "Pageboy" schonungslos und sprachlich schön von den Momenten, die seinen Weg zu sich selbst beeinflusst und geprägt haben – im Guten wie im Schlechten.


Elliot Page im November 2022 bei einer Gala in Los Angeles (Bild: IMAGO / Cover-Images)

Was bedeutet es für einen jungen Menschen, trans zu sein? Und wie geht die Maschinerie Hollywood mit Queerness um? Auf die Kombination dieser Fragen ist Elliot Pages Memoir "Pageboy. Meine Geschichte" (Amazon-Affiliate-Link ) wohl die bislang treffendste und lesenswerteste Antwort.

Die Liste der international bekannten trans Menschen, die schauspielernd vor der Kamera stehen, ist überschaubar. Laverne Cox ist unbestreitbar inzwischen ein Star, jedes Jahr sind mehr neue Gesichter auf den Bildschirmen und Leinwänden zu sehen, wie etwa die aufstrebende Hunter Schafer. Doch jede Clickbait-Liste der "15 most famous trans actors" wird von Elliot Page angeführt. Page ist unbestreitbar der bekannteste schauspielerisch aktive trans Mensch.

Der schmerzhafte Weg zum Ruhm und zu sich

In den 2000er Jahren wurde Page mit Filmen wie "Juno" (2007) oder "Inception" (2010) mit einem Schlag weltberühmt. Dass der schnelle Ruhm eine dunkle Kehrseite hatte, hat Page bereits früher in Interviews erzählt, doch die selbst erzählte Lebensgeschichte in Buchform ist auch den wissendsten Page-Fans ans Herz zu legen. Der Schauspieler offenbart hier nämlich, dass er neben der Schauspielerei auch das Schreiben wirklich passabel beherrscht. "Pageboy" ist eine sehr angenehme, umsichtig erzählte und kurzweilige Lektüre.

Im Vorwort erklärt Page, dass er schon seit geraumer Zeit daran gedacht habe, ein Buch zu schreiben. Aber erst seit seiner Transition, seit er wirklich bei sich ist, könne er überhaupt stillsitzen, um am Schreibtisch zu arbeiten und zu schreiben. Es sind kleine Beobachtungen wie diese, die "Pageboy" ausmachen. Page ist ein guter Beobachter und versteht es, durch wohl gewählte Details präzise und gleichzeitig verständlich zu erzählen.

Mit sehr angenehmer Folge verortet Page seine Lebenserzählung zu Beginn als ausdrücklich politische Schrift. Gegen zunehmende Bekämpfung von queerem Leben richte er sich ausdrücklich mit seinem um Sichtbarkeit bemühten Buch. Dass dem Werk diese geradezu streitschriftartige Erklärung vorangestellt ist, hat zum Glück zur Folge, dass die folgenden Anekdoten aus dem Leben das nicht dauernd wiederholen, sondern einfach erzählen und darauf vertrauen, dass das natürlich mitschwingt. Wenn Page von der Jugend in Kanada erzählt, die früh vom Schauspielruhm durchkreuzt wurde, vom Hadern mit der von außen aufgedrückten Tomboy-Rolle, von der Angst vor der eigenen Queerness und den Hindernissen auf dem Weg zu sich selbst – dann wirken diese Passagen vor allem deshalb stark, weil sie für sich stehen dürfen.

Pages Biografie ist mehr als ein Souvenir


Die deutsche Übersetzung von "Pageboy" ist am 6. Juni 2023 im S. Fischer Verlag erschienen

Es ist ja ein alter Hut: Berühmte Film- und Musikstars, Prominente und Politiker*­innen veröffentlichen eine Biografie, gern auch mal nicht selber geschrieben, sondern einfach in Auftrag gegeben. Die Motivation dahinter ist natürlich das Geld. Die Fans wollen bekanntermaßen alles besitzen, was ihre Idole zum Kauf anbieten. Die Prominentenbiografie ist oft eher ein Souvenir als ein literarisches Werk von besonderem Wert.

Die meisten, auch prominenten Leben sind eigentlich auch nicht interessant. Dies gilt besonders für Schauspielende. Viel zu erzählen hat Elliot Page auch nur bedingt, die Einblicke hinter die Kulissen und die Ausführungen der Erlebnisse als queere Person sind nicht überraschend und auch bekannt. Dass die Regenbogenpresse rücksichtslos Schund und Tratsch schreibt, ist eine Einsicht so alt wie der Journalismus selbst. Es ist daher eine Freude, dass Elliot Page ganz offenbar ein Talent für Sprache und für das Schreiben besitzt.

Mehr queerer Sex!

Gerade erklärte Page im Interview mit dem "Spiegel", dass es eine ganz bewusste Entscheidung gewesen sei, in "Pageboy" auch ausführlich über sein Sexleben zu schreiben. Es fehle an queerem Sex in der öffentlichen Wahrnehmung. Und tatsächlich zählen diese Passagen zu den stärksten des Buches. Hier wird die direkte und in gewissem Sinne schonungslose Erzählweise am deutlichsten und hat auch den größten Effekt.

Doch es muss auch trotz des ganzen Lobes gesagt werden, dass Page natürlich den Hollywoodstar-Vorteil hat. Wenn es die Biografie eines nicht international bekannten trans Menschen wäre, würde dieses Buch vermutlich nicht im renommierten Fischer Verlag erscheinen. An einigen Stellen ist es doch auch sehr offensichtlich, dass Page nicht hauptberuflich als Schriftsteller tätig ist. Manche Einschübe wirken etwas gezwungen und unzusammenhängend, ab und an rutscht die Sprache etwas plump ins Plakative ab.

Die Filmindustrie beginnt sich zu ändern

Elliot Page wird Hollywood wohl noch lange erhalten bleiben. Besonders da sich die Filmindustrie zu ändern beginnt: Nach seinem Coming-out als trans wurde Page nicht etwa aus der Superheldenserie "Umbrella Academy", in der er eine der Hauptrollen spielte und spielt, herausgeschrieben. Stattdessen durfte auch seine Figur eine Transition in der Serie erleben. Welch ein sympathischer Ansatz. Die Passagen dazu in "Pageboy" sind zwar etwas ausführlich, aber bilden eben doch eine sich wandelnde Herangehensweise ab.

Anders als die (wie üblich) überbordende Verlagsbeschreibung ist "Pageboy" wohl kein Buch von "aufwühlender Schönheit". Doch das ist genau richtig so. Elliot Page erzählt im Kleinen von den Momenten, die sein Leben bewegt haben, die seinen Weg zu sich selbst beeinflusst und geprägt haben – im Guten wie im Schlechten. Eine solide und unterhaltsame Lebensgeschichte.

Infos zum Buch

Elliot Page: Pageboy. Meine Geschichte. Übersetzt von Lisa Kögeböhn, Stefanie Frida Lemke und Katrin Harlaß. 336 Seiten. Verlag S. Fischer. Frankfurt 2023. Gebundene Ausgabe: 24 € (ISBN: 978-3-10-397500-0). E-Book: 19,99 €

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