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Neue RTL-Recherchen
Katar: Lage von queeren Menschen hat sich nach WM verschlechtert
Ein halbes Jahr nach der umstrittenen Fußball-Weltmeisterschaft haben queere Menschen nach RTL-Recherchen in Katar einen noch schwereren Stand als früher.

RTL zeigt die neueste Folge von "Rote Karte statt Regenbogen" kurz nach Mitternacht am Donnerstagmorgen und im sendereigenen Streamingportal (Bild: RTL)
- 6. Juni 2023, 13:43h 3 Min.
Die Fußball-Weltmeisterschaft Ende 2022 hat die Situation queerer Menschen in Katar nicht verbessert – ganz im Gegenteil. Das geht aus einer Reportage der RTL/ntv-Reporter Jonas Gerdes und Timo Latsch hervor, die in den letzten Monaten weiter im Emirat recherchierten. Der dritte Teil ihrer Reihe "Rote Karte statt Regenbogen" wird im Rahmen eines "Nachtjournal Spezials" in der Nacht zu Donnerstag um 0.25 Uhr auf RTL gezeigt. Zeitgleich steht die neue Reportage auf RTL+ zum Abruf bereit.
Laut dem Recherchen soll die Abteilung für präventive Sicherheit des Innenministeriums von Katar seit März wieder verstärkt gegen homosexuelle Bürgerinnen und Bürger vorgehen, u.a. durch Überwachung der sozialen Medien. Katar sei "jetzt noch konservativer und strenger" geworden, klagt trans Frau Faisal, und sieht in den Debatten um Regenbogen-Symbole bei der WM sogar einen Auslöser dafür: "Die Regenbogen-Symbolik hat uns eher geschadet als genützt. Einige denken jetzt, dass LGBTIQ+ ein Import aus dem Westen sei." Das habe viele Menschen in Katar noch wütender gemacht, erklärt sie.
Geheime "Homo-Heiler"-Zentren eingerichtet
Den RTL-Recherchen zufolge gibt es in Katar seit Jahren geheime "Konversionstherapie"-Zentren, in denen homosexuelle Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden und "umerzogen" werden sollen, um heterosexuell zu werden. Aus einem solchen Umerziehungszentrum soll auch Abdullah A. geflohen sein, ein homosexueller Katarer, der im Jahr 2017 Asyl in Großbritannien erhielt und 2021 an einer Überdosis verstarb. Seine beste Freundin Vanessa Ager berichtet: "Es war ein religiöses Institut, wo sie versucht haben ihn umzuerziehen, damit Freunde und die Familie ihn als heterosexuellen Mann anerkennen. Wenn sie gehofft haben, er könnte seine Homosexualität 'wegbeten', wäre er dort für den Rest seines Lebens gewesen."
"Medien wird ja häufig vorgeworfen, dass sie immer nur zu einem bestimmten Moment Themen besetzen und danach, wenn sich das Scheinwerferlicht auf etwas anderes richtet, alles vergessen. Genau das wollten wir nicht tun", erklärte Mitautor Latsch, der stellv. Ressortleiter Sport bei "RTL News". Wir wollten schauen, wie es den LGBTIQ+-Menschen in Katar rund ein halbes Jahr nach der Weltmeisterschaft geht."

Die Reporter Jonas Gerdes (li.) und Timo Latsch recherchierten über die Lage von LGBTI in Katar (Bild: RTL)
Sein Kollege Gerdes ergänzte: "Das Regime in Katar hat jetzt nach der WM nicht mehr die Notwendigkeit, den Schein einer sich öffnenden Gesellschaft zu wahren. Die staatliche Überwachung, die Misshandlungen und die Beweise für Konversionstherapien sollten auch von der deutschen Politik breiter diskutiert werden."
FIFA zynisch, Scholz und Faeser wortlos
Vor dem Hintergrund der neuen Recherchen mutet ein exklusives Statement der FIFA auf RTL-Anfrage geradezu zynisch an: "Wenn die Diskussionen rund um die FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft in Katar über das Turnier hinaus dazu geführt haben, dass das Thema LGBTIQ+-Rechte in der Region offener diskutiert und einige Tabus gebrochen werden konnten, halten wir dies für einen Schritt in die richtige Richtung." Das Bundesinnenministerium um Sportministerin Nancy Faeser und auch das Bundeskanzleramt lehnten eine Stellungnahme zu den RTL-Recherchen ab. Dabei hatte Faeser noch im Dezember die FIFA wegen des Verbots der One-Love-Armbinde scharf kritisiert (queer.de berichtete).
Homosexualität kann in Katar nach Scharia-Recht im Extremfall mit der Todesstrafe geahndet werden. Nicht-Muslim*innen drohen bis zu sieben Jahre Haft. (pm/cw)
