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München
Volksverhetzung: Anzeige gegen AfD gestellt
Mit widerwärtigen Plakaten mobilisiert die AfD in München gegen eine Drag-Lesung in der Stadtbibliothek: Unter dem Titel "Hände weg von unseren Kindern!" wird ein queerer Mensch als Gefahr für Kinder dargestellt. Der Priester Wolfgang F. Rothe erstattete Anzeige.
10. Juni 2023, 04:53h 3 Min. Von

Hetze nach NSDAP-Vorbild: Plakat der AfD in München (Bild: CSD München)
Der politische Streit um eine Drag-Lesung für Familien mit Kindern am 13. Juni in einer Filiale der Münchner Stadtbibliothek hat einen neuen Tiefpunkt erreicht: Auf Plakaten mit den Parolen "Hände weg von unseren Kindern!" und "Genderpropaganda verbieten!" stellt die AfD einen queeren Menschen als Gefahr für Kinder dar. Das Motiv, das für eine Protestkundgebung gegen die Lesestunde wirbt, zeigt einen verängstigten Jungen, dem sich von hinten eine geschminkte Person mit Bart und gefärbten langen Haaren in offenkundig übergriffiger Absicht nähert.
Für den katholischen Münchner Priester Wolfgang F. Rothe erfüllt das Plakat den Straftatbestand der Volksverhetzung. Mit dem Motiv "werden queere Menschen, näherhin Drag Queens, pauschal als (potentielle) Missbrauchstäter und damit als (potentielle) Straftäter verunglimpft", heißt es in seiner bereits gestellten Strafanzeige, die queer.de vorliegt.
Ein Angriff auf die Menschenwürde liege nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn das Recht der betroffenen Personen bestritten wird, als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft zu leben, argumentiert Rothe. "Durch die generelle Gleichsetzung von queeren Menschen, näherhin von Drag Queens, mit Straftätern, näherhin von Missbrauchstätern, wird dieses Recht der zuerst genannten Personengruppe meines Erachtens in unzulässiger Weise bestritten."
CSD fühlt sich an die "Propaganda der 30er Jahre" erinnert
Der CSD München zeigte sich in einer Stellungnahme "schockiert, entsetzt und fassungslos" über das AfD-Poster. "Bildsprache und Polemik des Plakats erinnern stark an die Propaganda der 30er Jahre. So etwas dürfen wir nie wieder zulassen!", erklärte CSD-Sprecher Tobias Oliveira Weismantel.
Die Pride-Organisator*innen forderten alle demokratischen Parteien dazu auf, sich klar von dem Motiv zu distanzieren. Darüber hinaus warben sie um Unterstützung für die Demo "München ist bunt" am Dienstag, den 13. Juni um 15.30 Uhr vor der Stadtbibliothek Bogenhausen (Rosenkavalierplatz 16).
Die Veranstaltung "Wir lesen euch die Welt, wie sie euch gefällt" mit Dragqueen Vicky Voyage, Dragking Eric BigClit und trans Jungautorin Julana Gleisenberg beginnt eine halbe Stunde später um 16 Uhr.
Hetze auch aus demokratischen Parteien
In München macht allerdings nicht nur die AfD Stimmung gegen das Event für Familien mit Kindern ab vier Jahren: Auch aus der CSU gab es Verbotsforderungen und Kritik an "Frühsexualisierung" (queer.de berichtete). Bayerns Vize-Ministerpräsident Huber Aiwanger (Freie Wähler) brachte die Lesestunde sogar mit Pädophilie in Verbindung, sprach von "Kindswohlgefährdung" und einem "Fall fürs Jugendamt" (queer.de berichtete).
Selbst SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter hatte die Veranstaltung kritisiert. "Ich habe für diese Art Programm kein Verständnis und glaube nicht, dass das für Vierjährige geeignet ist. Ich würde mit meinen Enkeln nicht hingehen", sagte das Stadtoberhaupt der "Bild"-Zeitung. Nach Kritik aus der Community ruderte Reiter jedoch zurück, sprach von "Missverständnissen rund um mein Statement" und entschuldigte sich (queer.de berichtete).
