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Schwule Datingshow
"Charming Boys": Jeder kann und darf mit jedem
Jetzt auf RTL+: Der Spin-off von "Prince Charming" ist endgültig dort angekommen, wo ein Großteil des Publikums die Datingshow bereits zu Beginn verortete – in den Untiefen des Reality-Trash-TV.

Feucht-fröhliche Stimmung auf Koh Samui: Kevin, Tim und Philippe in "Charming Boys". Mehr Eindrücke in der unten verlinkten Galerie (Bild: RTL)
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15. Juni 2023, 08:04h 4 Min.
Bald vier Jahre ist es her, dass "Prince Charming" an den Start ging, und die zahlreichen Wandlungen, die die Show seither in der öffentlichen Wahrnehmung durchgemacht hat, sind durchaus erstaunlich. Was als skeptisch beäugte "Bachelor"-Variation begann, wurde im Verlauf der ersten Staffel (und vermehrt auch 2021 mit dem Beginn von "Princess Charming") plötzlich vielerorts als queeres Feelgood-Fernsehen und für eine nie da gewesene Vielfalt in der Darstellung der LGBTI-Community gefeiert, wofür es sogar Grimme-Preise gab. Dann allerdings zeigten sich Abnutzungserscheinungen, das Casting der Protagonist*innen glückte nicht mehr in jeder Folgestaffel, und zuletzt sorgten vor allem Meldung über vermeintliche sexuelle Übergriffe bei "Princess Charming" für Negativ-Schlagzeilen (queer.de berichtete).
Dass die Zeichen auf Veränderungen standen, entging auch der Produktionsfirma nicht, und so steht nun statt einer sturen Weiterführung des bewährten, aber abgenutzten Konzepts mit dem Spin-Off "Charming Boys" eine Art Neustart an. Und tatsächlich ist dabei gleich in der ersten Folge, die ab 15. Juni 2023 beim Streamingdienst RTL+ verfügbar ist und als einzige vorab der Presse zur Verfügung gestellt wurde, die größte Wandlung auf Anhieb unübersehbar: Man ist jetzt endgültig dort angekommen, wo ein Großteil des Publikums schon "Prince Charming" zu Beginn verortete. Nämlich in den Untiefen des Reality-Trash-TVs.
Riesiger Pool, strahlende Sonne und eine gut bestückte Bar
Statt nach Griechenland geht es dieses Mal nach Koh Samui in Thailand, wo die Villa ein wenig luxuriöser wirkt, das eng bebettete Schlafzimmer zu dramaturgischen Zwecken allerdings noch weniger Privatsphäre bietet. Entscheidend sind aber natürlich ohnehin vor allem der riesige Pool und die strahlende Sonne, schließlich gilt es, die anwesenden Herren möglichst oft möglichst wenig bekleidet zeigen zu können. Fast noch wichtiger: die stets gut bestückte Bar, damit von Minute eins an die Stimmung feucht-fröhlich ist. Die fragwürdige Art und Weise, wie im "Charming"-Universum der Umgang mit Alkohol gezeigt und seitens der Produktion ausgenutzt wird, wäre mal eine intensive Diskussion wert, aber das hier nur am Rande.
Es ziehen dann jedenfalls allerlei Kandidaten ein, die man aus früheren "Prince Charming"-Staffeln kennt, bevorzugt solche, die längst als C-Promis durch Reality-Formate aller Art tingeln (Aaron und Martin aus Staffel 1), als besonders meinungsstark bzw. läster-freudig auffielen (Jan und Kevin aus Staffel 3) oder kürzlich Publikums-Lieblinge waren (Philippe und Tim aus Staffel 4). Dazu stößt dann noch ein wenig – Achtung, O-Ton – "Frischfleisch": der durch Frisur wie Körpergröße gleichermaßen auffallende Pitzi, der Berliner Wolle, der eigentlich Sebastian heißt, und Fitnessstudio-Betreiber Rudi, der nicht an die eine große Liebe glaubt, aber auch nichts von offenen Beziehungen hält.

Das sind die "Charming Boys": (oben v.l.) Sebastian, Pitzi und Rudi sowie (unten v.l.) Aaron, Jan, Tim, Martin, Philippe und Kevin) (Bild: RTL / Markus Hertrich)
Die Spielregeln bleiben in der ersten Folge unklar
Weil es im neuen Konzept keinen Prinzen mehr gibt, dessen Gunst erobert werden muss, gilt dieses Mal offensiv, was früher bloß implizit Teil der Show war: Jeder kann und darf mit jedem. Was prompt zur Folge hat, dass mancher Kerl bereits in den ersten 24 Stunden sehr sprunghaft seine Aufmerksamkeit von einem Mann auf den nächsten (und wieder zurück) verlagert. Und das nicht bloß aus Interesse oder Geilheit. Ziel der Sendung ist dieses Mal schließlich, dass sich am Ende zwei Männer finden, die gemeinsam als Paar abreisen.
Ob das dann tatsächlich eine amouröse Beziehung oder eine Zweckgemeinschaft ist, scheint jedem selbst überlassen, und überhaupt bleibt zumindest in der ersten Folge ziemlich unklar, welche Spielregeln in "Charming Boys" gelten. So viel ist zumindest sicher: Auch dieses Mal gibt es regelmäßige "Gentlemen's Nights", in denen Kandidaten die Sendung verlassen müssen, und Neuankömmlinge (sowohl All-Stars wie Newcomer) ziehen nachrückend ein.
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Krawall und Konflikte statt queere Repräsentation
Als Preis winkt dabei weniger die große Liebe als vor allem ein satter Geldbetrag, womit wir dann auch wieder bei besagten Untiefen des Reality-Fernsehens angekommen sind. Die Motivation der Männer, in dieser Sendung mitzumachen, ist ebenso unübersehbar eine andere als in den ersten "Prince Charming"-Staffeln, so wie auch die Produzent*innen anderes im Sinn haben. Es geht nicht mehr um charmantes Feel-Good-TV oder queere Repräsentation mit aufklärerischem Auftrag, sondern schlicht um Krawall und Konflikte.
Glaubt man dem kurzen Ausblick auf die komplette Staffel, mit dem "Charming Boys" beginnt, stehen dieses Mal mehr Streit, mehr Sex und mehr Zickereien auf dem Programm. Man mag es bedauern, dass der Reiz des preisverdächtigen Besonderen nun sehr durchschnittlicher, kalkuliert überdrehter Lärmigkeit gewichen ist. Aber das heißt natürlich nicht, dass es nicht ein Publikum gibt, das sehr viel Freude an diesen überspannten, paarungswilligen Party-Boys haben dürfte. Mindestens die für Off-Kommentare und Bildunterschriften Verantwortlichen scheinen dieses Mal jedenfalls so viel Spaß an der Sache gehabt zu haben wie selten.
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Links zum Thema:
» "Charming Boys" auf RTL+
Mehr zum Thema:
» Das sind die "Charming Boys" 2023 (25.05.2023)
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» auf sissymag.de
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