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"Glamorous": Nicht Kim Cattrall ist der Star, sondern Miss Benny
In der neuen Netflix-Serie "Glamorous" darf "Sex and the City"-Samantha nicht einmal eine echte Diva sein. Dafür brilliert ein nichtbinäres Youtube-Sternchen und setzt neue Maßstäbe für queere Repräsentanz in Film und TV.

Marco Mejia als Miss Benny in "Glamorous" (Bild: Netflix)
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25. Juni 2023, 08:28h 4 Min.
Viel Zeit verschwendet die neue Serie "Glamorous", deren zehn Folgen umfassende erste Staffel gerade bei Netflix gestartet ist, nicht unbedingt. Keine zehn Minuten vergehen, da gelingt dem jungen queeren Social-Media-Twink Marco (gespielt von Miss Benny alias Ben J. Pierce) der Sprung in ein neues Leben.
Wenn er nicht gerade Videos für seine Follower*innen aufnimmt, lebt er immer noch zuhause bei seiner Mutter (Diana-Maria Riva) in New Jersey und jobbt nebenbei im Einkaufszentrum als Kosmetikverkäufer. Ausgerechnet dort steht eines Tages eine Kundin vor ihm, die sein Leben verändern wird: Madolyn Addison (Kim Cattrall), ehemaliges Supermodel und nun Makeup-Mogul mit eigener Firma. Sie findet Gefallen an Marco, der allerlei Unsicherheiten hinter naseweiß-selbstbewusstem Auftreten und natürlich einem makellos geschminkten Gesicht verbirgt, und bietet ihm prompt den Job als ihr zweiter Assistent an. Was auch deswegen gerade recht kommt, weil er zuhause endlich mal zur Miete beitragen soll und ohnehin langsam der Ernst des Lebens ansteht.
Der neue Job im aufregenden Manhattan

Poster zur Serie: "Glamorous" kann seit 22. Juni 2023 auf Netflix gestreamt werden
Von einem Tag auf den nächsten also pendelt Marco täglich ins aufregende Manhattan und ein neues Umfeld, in dem auch sämtliche Konfliktfelder, in die er im Laufe der Serie geraten wird, innerhalb kürzester Zeit aufgemacht werden. Madolyns schwuler Sohn und Verkaufsleiter Chad (Zane Phillips, "Fire Island"), der sein Büro vor allem als Fitnessstudio zu nutzen scheint, ist sofort eifersüchtig auf den Narren, den seine Mutter an Marco gefressen hat. Und Assistentin Nr. 1, die bisexuelle Venetia (Jade Payton), fürchtet um ihren Job. Der schüchterne Kollege Ben (Michael Hsu Rosen aus "Tiny Pretty Things" und "Pretty Smart") ist auf Anhieb verknallt, doch Marcos Interesse gilt erst einmal der neuen Zufallsbekanntschaft Parker (Graham Parkhurst). Und um den Fortbestand der Firma irgendwie zu gewährleisten, wird außerdem über den Verkauf an einen Konkurrenten nachgedacht.
Dass "Glamorous" nicht auf Realismus setzt, sondern in einer überhöhten Märchen-Version New Yorks spielt, ist von Beginn an klar. Hier leuchten alle Farben knallig und zum Feiern gehen alle ständig in den gleichen queeren Club in Brooklyn – und Cattrall darf bei der Erwähnung des Stadtteils auf der anderen Seite der Brücken mit den Augen rollen, als sei sie in einer 1990er-Jahre-Episode von "Sex and the City".
Das ist prinzipiell noch kein Problem: Von "Der Teufel trägt Prada" über "Glee" bis "Gossip Girl" setzt Hollywood schließlich gerade für Geschichten über junge Menschen gerne mal auf überhöhte Glitzerphantasien, die nicht unbedingt an wahrhaftigen Alltagsproblemen, sondern eher an erwartbar verlaufenden Empowerment-Narrativen und Entertainment interessiert sind.
Unglaubwürdigkeiten und ein Übermaß an Künstlichkeit
In der Grundprämisse des Helden, der reichlich unvermittelt in einer bis dahin unerreichbaren, vermeintlich glamourösen Berufswelt landet, wo er sich nicht nur behaupten, sondern am besten auch erfolgreich sein will, erinnert die von "Desperate Housewives"-Autor Jordon Nardino erdachte Serie am ehesten an "Ugly Betty". Doch wo damals all die Unglaubwürdigkeiten der amourösen Verwicklungen und Büro-Intrigen ausgeglichen wurden durch eine riesige Portion Charme, dominiert hier nun ein Übermaß an Künstlichkeit, dank der jeder Dialog zwischen den sich selten nachvollziehbar verhaltenden Figuren klingt wie eine Aneinanderreihung pointiert-kuratierter Tweets (die sich mitunter auch noch wiederholen: Wer hier hart floppt, tut das entweder wie eine Single von Katy Perry oder ein "Terminator"-Sequel!). Und die reichlich unterforderte Cattrall darf noch nicht einmal eine echte Diva sein.
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In der Wahl des Protagonisten allerdings besticht "Glamorous" durchaus. Nicht dass Miss Benny – queeres, nicht-binäres YouTube- und Pop-Sternchen – schauspielerisch unbedingt brilliert (was hier ohnehin die wenigsten tun). Aber Marco sticht als Hauptfigur dann eben doch angenehm aus dem Personal heraus, das auch in Geschichten mit LGBTI-Thematik sonst geboten wird. Ein queerer junger Mann, auf Gender-Normen pfeifend, geschminkt und in High Heels, aber keine Dragqueen, das ist schon eine sehr erfreuliche Abwechslung vom Durchschnitt. Und dass die Serie dann auch ganz konkret Themen wie Femmephobie innerhalb der Community kommuniziert, ist doppelt erfreulich.
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Also ich finde es eine ganz furchtbare Zumutung. Alles, was ihr toll findet oder anscheinend nicht wichtig, z. B., dass wirklich keiner - nicht mal Frau Cattrall - auch nur im Ansatz etwas zeigt, das die Bezeichnung Schauspiel verdient, das Fehlen jeglichen Realitätsbezug und etliche andere Mängel, machten es für mich regelrecht schmerzhaft diesem MIST zu folgen. Die in der Tat angedeuteten sozialkritischen Aspekte gehen dadurch völlig unter.
Lest ruhig auch mal die Bewertung und auch die Kommentare in der IMDb... Ich wette zudem, dass das Format bei Netflix keine zweite Staffel erhalten wird.
Nach anderthalb Episoden war ich darum raus und steche mir lieber die Augen aus, als auch nur noch eine Sekunde Lebenszeit damit zu verschwenden.