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Türkei
CSD in Istanbul und Izmir: Hunderte LGBTI trotzen der Polizei
Bei Pride-Demonstrationen in den türkischen Metropolen Istanbul und Izmir wurden am Sonntag fast 100 Menschen festgenommen – in Izmir sehr brutal.

Die traditionell resilienten türkischen LGBTI lassen sich wie hier am Sonntag in Istanbul nicht von Polizei oder Verboten einschüchtern (Bild: Halkevleri LGBT+ Komisyonu / twitter)
- 25. Juni 2023, 15:37h 3 Min.
Hunderte queere Menschen und Unterstützer*innen haben am frühen Sonntagnachmittag (14 Uhr deutscher Zeit) bei einer kurzen und ihrerseits friedlichen Pride-Demo in Istanbul ein Zeichen gesetzt. Vor der Demonstration durch mehrere Straßen zum Abschluss der Pride-Woche verlasen sie wie in Vorjahren die Presseerklärung des 21. CSD, dabei ließen sie eine meterlange Regenbogenflagge von einem Gebäude wehen.
/ HalkevleriLgbtiDöndük #DÖNÜYORUZ pic.twitter.com/GzJSx58AHn
Halkevleri LGBT+ Komisyonu (@HalkevleriLgbti) June 25, 2023
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Die Polizei hatte erneut den zentralen Taksim-Platz samt Zugängen abgeriegelt und versperrte auch an anderen Ecken der Innenstadt Aktivist*innen wie Passant*innen den Weg. Nach späteren Angaben von Kaos GL wurden rund 40 Personen nach der Demo vor Ort festgenommen, darunter etwas später offenbar auch Personen, die in einem Café saßen. Am Rande des CSD wurde zudem eine kleinere Gruppe von Journalist*innen und Anwält*innen zwischenzeitlich an einer Straßenkreuzung umzingelt, dann aber freigelassen.
/ zeynokuraystanbul LGBT+ Onur Haftas Komitesi, yasaa ramen 21. Onur Yürüyüü'nü gerçekletiriyor! #Pride2023#Dönüyoruz pic.twitter.com/r8qecR6cQd
Zeynep Kuray (@zeynokuray) June 25, 2023
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Im Vorjahr war es beim Istanbuler CSD noch zu über 300 Festnahmen gekommen (queer.de berichtete). Bereits am letzten Sonntag hatte die Polizei den neunten Trans-Pride der Stadt, den ersten seit 2017, mit Festnahmen unterbunden (queer.de berichtete).
/ istanbulpride#DÖNÜYORUZ: 21. stanbul LGBT+ Onur Yürüyüü
stanbul LGBT+ Onur Haftas (@istanbulpride) June 25, 2023
Devletin en üst kademesinden en alt kademesine kadar bizi hedef gösterdiniz. Ama bugün de BURADAYIZ. Bizimle ba edemediniz, edemeyeceksiniz. LUBUNYALARLA BA EDEMEZSNZ!#Pride2023
: Mert Can Bükülmez pic.twitter.com/vcaLatOS5r
Der neue Gouverneur Istanbuls, Davut Gül, hatte zuvor in einem Tweet angekündigt, keine Veranstaltungen zuzulassen, "die unsere Institution der Familie (…) gefährden" – ein offizielles Verbot des CSD hatte es zugleich nicht gegeben. Die unter anderem für die Polizei und Versammlungen zuständigen Gouverneure werden von der zentralen AKP-Regierung bestimmt. Anfang des Monats waren in Istanbul bereits Personen bei einer queeren Filmvorführung festgenommen worden (queer.de berichtete).
Brutale Festnahmen in Izmir
Am späteren Sonntagnachmittag (17 Uhr deutscher Zeit) ging dann die Polizei in Izmir mit deutlicher Gewalt gegen den CSD vor. Sie umzingelte Berichten zufolge in der Innenstadt Menschen auf dem Weg zum Pride, nahm sie teils gewaltvoll fest und zerrte sie in einen Mannschaftsbus. Später eintreffende Personen versuchte sie zu zerstreuen und teilweise ebenfalls festzunehmen.
/ genclgbtikence ile gözaltna alnan ve isimlerine ulaabildiimiz kii says 21. Saynn daha fazla olduu tahmin ediliyor. pic.twitter.com/5Xi155UOmY
Genç LGBT+ Dernei (@genclgbti) June 25, 2023
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Videoaufnahmen zeigten teils brutale Festnahmen samt Handschellen auf dem Rücken. Nach späteren Angaben belief sich die Zahl der Festgenommenen auf knapp unter 50. Die Organisator*innen des CSD berichteten bei Twitter, auch in dem Polizeibus seien die Festgenommenen Gewalt und Schikanen ausgesetzt.
/ leblebi_demir | Weitere Umzingelung und mutmaßlich Festnahme von mehreren Teilnehmerinnen, die die CSD-Erklärung von ihren Handys ablasenzmirdeki 11. Onur Yürüyüünde polisler basn açklamas metninin okunmasna engel olmaya çalt.
Demir Leblebi (@leblebi_demir) June 25, 2023
Tüm yasaklarnza, saldrlarnza ramen Alsancak sokaklarndan sesleniyoruz: Aln buradayz, vazgeçmiyoruz!#Pride2023 #DÖNÜYORUZ pic.twitter.com/CovV2tvtfb
/ BurcugulC | Aufnahmen aus Izmir zeigen teils sehr brutale Festnahmenzmir'de #Pride2023 için toplanan insanlara ikence yaplyor.
Burcugül Çubuk (@BurcugulC) June 25, 2023
Bu ikenceyi çekmemem için uraan zmir Emniyeti yaptnn suç olduunu biliyor. pic.twitter.com/eqGRi597i2
Der Gouverneur hatte für das Wochenende unter Verweis auf die elfte Pride-Woche in der Stadt praktisch alle Aktivitäten im Freien untersagt, von Versammlungen über Infostände und dem Aufhängen von Bannern bishin zu Picknicks. Bereits Mitte Juni war die Polizei gegen ein Pride-Picknick vorgegangen.
/ izmirpride35 | Die CSD-Organisator*innen dokumentierten im Polizeibus PolizeigewaltBirçok arkadamz ve avukat hukuksuzca darp edilerek gözaltna alnd. Havasz araçlarda bekletiyorlar ve darp edilmeye devam ediyorlar pic.twitter.com/lanDrs94n1
zmir LGBT+ Onur Haftas (@izmirpride35) June 25, 2023
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Bei Prides in Izmir oder Istanbul festgenommene Personen wurden in den letzten Jahren in der Regel nach einigen Stunden auf Polizeiwachen wieder freigelassen.
Repressionen ohne Ende
In den Jahren vor dem ersten Verbot des Istanbuler CSDs und dessen Niederschlagung durch die Polizei 2015 hatten noch zehntausende Menschen an den Pride-Demonstrationen der Metropole teilgenommen. Danach waren er und der Trans-Pride – wie CSDs in weiteren Städten und an Unis sowie auch manche Kulturveranstaltung – immer wieder untersagt worden. Mehrfach wurden in den letzten Jahren auch Gummigeschosse oder Wasserwerfer gegen sich trotzdem versammelnde friedliche Demonstrant*innen eingesetzt. In diesem Jahr wurden unter anderem bereits Teilnehmende des Uni-Pride in Ankara vor Beginn der Kundgebung festgenommen.
Queerfeindliche Demonstrationen wurden in der Regel hingegen erlaubt. Die Regierung um Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte queere Menschen zunehmend zum Feindbild erklärt und im Wahlkampf offensiv auf Queerfeindlichkeit gesetzt. Erst in dieser Woche erklärte der Präsident, es sei wichtig, Familien "vor Perversionen wie LGBT zu schützen" (queer.de berichtete). (cw)
Absätze zu Izmir am späteren Nachmittag aktualisiert














