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Debattenbuch

Wann ist ein Mann (k)ein Mann?

Mit dem neuen Band "Oh Boy: Männlichkeit*en heute" wollen Donat Blum und Valentin Moritz eine "Inventur der Männlichkeit" vorlegen – und haben dafür einige der interessantesten Autor*innen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur versammelt.


Bild klassischer Männlichkeit: Hanteln schwingen im Fitnessstudio (Bild: olly / pexels)

Die Befreiung der Frau werde niemals stattfinden, wenn sich die Männer ihrer Art zu leben nicht bewusstwürden, formulierte Annie Ernaux einmal. Valentin Moritz und Donat Blum haben dieses Credo zum Anlass genommen, unterschiedliche Autor*innen einzuladen, über die eigene männliche Sozialisation zu schreiben und so Mannsein und Mannwerdung facettenreich darzustellen und zu dekonstruieren. "Männlichkeit*en heute" heißt es da im Untertitel des entstandenen Bandes ein wenig didaktisch-spröde, aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Oh Boy" (Amazon-Affiliate-Link ) ein sehr lebendiges, anregendes Buch ist, das einige der spannendsten Erzähler*innen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur versammelt.

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Literarisches Mosaik auf hohem Niveau


Das Debattenbuch "Oh Boy" ist am 12. Juli 2023 im Berliner Kanon Verlag erschienen

Gleich der erste Text stammt von Kim de l'Horizon und findet für das Ringen um eine Körper-Sprache, um das Sprechen nicht nur über, sondern aus dem eigenen Körper heraus, eine passende ästhetische Form. Es ist ein wahrer Wortrausch, der sich nicht damit begnügt, Ideen zu vermitteln, sondern diese auch spürbar macht. Als ähnlich eindrucksvoll erweisen sich Philipp Winklers Kindheitsbetrachtung "No Sir, I dont like it", die alle Larmoyanz durch dunklen Humor unterläuft, und Dinçer Güçyeters poetische Anrufung eines Bros, der sich hinter schädlichen Männlichkeitskonventionen versteckt.

In der Folge können nicht alle Texte an diesen gelungenen Auftakt heranreichen, und doch ist das Niveau durchgehend hoch. Ozan Zakariya Keskinkılıç gleicht die eigene Jugend mit Thomas Manns "Toni Kröger" ab, Hermes Phettberg bespiegelt uneitel die eigene Einsamkeit, und Sascha Rijkeboer erkundet die Semiotik eines schwulen Darkrooms aus transmaskuliner Perspektive. Bemerkenswert ist auch Michael Fehrs Text, eine Art düsteres Märchen, das den Räuber Hotzenplotz mit GNTM-Torturen kurzschließt. Die Bandbreite an Erfahrungen, die "Oh Boy" zusammenführt, ist jedenfalls beachtlich und ergibt ein schillerndes literarisches Mosaik.

Viele Männlichkeiten und ungenutzte Möglichkeiten

Im Nachwort formuliert Mithu Sanyal, Autorin des empfehlenswerten Romans "Identitti", dennoch die Frage, ob das Dargebotene denn nicht so ca. dasselbe wie 99 Prozent aller Texte ist, die durch die Literaturgeschichte schwirren. Irgendwie kennt man das ja schon, diese ausgiebige männliche Selbstbespiegelung. Sanyal ist zwar bemüht, diesen Verdacht zu entkräften, aber trotzdem bleibt bei einigen Texten der Eindruck, dass sie hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.

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Da finden sich handwerklich gut gemachte Coming-of-Age-Geschichten, die einem aber schon bekannt vorkommen, die man so ähnlich bereits gelesen hat. Da geistern manchmal auch Ideen aus der Mottenkiste durch die Texte, von wegen Frauen könnten nur aus dem Angebot zwischen Heiliger und Hure wählen. Überhaupt bleiben die Frauen meist nur sprachlose Randfiguren, was angesichts des Titels natürlich nicht verwundern sollte, aber dann doch ein bisschen nervt, wenn in gefühlt jeder zweiten Geschichte eine weise, gutmütige, patente Oma bemüht wird.

Vom Ausbruch aus dem Männlichkeitstheater schreibt Valentin Moritz einmal und vom Anheuern in einem Möglichkeitstheater, in dem mehr als eine Rolle offensteht. Die Vorzüge, Verlockungen, aber auch Fallstricke eines solchen offenen Rollenspiels bildet der Großteil der Texte aus "Oh Boy" wunderbar ab, jedes Meckern am Band soll bitte ausdrücklich als eines auf hohem Niveau verstanden werden. Neben einer angeregten Debatte und vielen Leser*innen wäre zudem ein Nachfolgeband wünschenswert, der weitere Stimmen versammelt. Vielleicht könnten dann ja Weiblichkeit*en im Mittelpunkt stehen und die ein oder andere Großmutter dürfte aus den ihr zugewiesenen Mustern ausbrechen.

Infos zum Buch

Donat Blum, Valentin Moritz (Hrsg.): Oh Boy: Männlichkeit*en heute. Eine Inventur der Männlichkeit. Debattenbuch. Mit Beiträgen von Donat Blum, Hernán D. Caro Kim de l'Horizon, Michael Fehr, Dinçer Güçyeter, Friedemann Karig, Ozan Zakariya Keskinkılıç, Thomas Köck, Kristof Magnusson, Valentin Moritz, Hermes Phettberg, Sascha Rijkeboer, Jayrôme C. Robinet, Daniel Schreiber, Deniz Utlu, Peter Wawerzinek und Philipp Winkler. Mit einem Comicstrip von Joris Bas Backer und einem Nachwort von Mithu M. Sanyal. 238 Seiten. Kanon Verlag. Berlin 2023. Gebundene Ausgabe: 22 € (ISBN 978-3-98568-066-5). E-Book: 16,99 €

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#1 FinalmSposatoEhemaliges Profil
  • 16.07.2023, 17:30h
  • Wann ist ein Mann ein Mann?
    Eine überflüssige Frage. Meine simple Antwort: Sobald er 18 wird.

    Hätte ich einen kleinen Sohn würde ich ihm sagen, er müsse überhaupt rein gar nichts tun um Mann zu werden. Das sei das Beste daran. Das mache die Natur schon ganz von alleine. Nichts worüber er sich Gedanken machen soll. Es passiere von selbst. Wichtig sei nur sich selbst zu sein und auf seine Gefühle zu achten und diese lernen klar auszudrücken.
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#2 Lovelove2023Anonym
  • 17.07.2023, 21:33h
  • Antwort auf #1 von FinalmSposato
  • Das ist so wahr. Aber erzähl das mal Idioten wie Andrew Tate und seinen unglaublich vielen Anhängern. Was die für eine absurde Vorstellung von Männern haben. Arme verlorene Seelen.
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