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Kinostart

Vermisst: Regisseur von queerem Sex-Zombie-Film

Irgendwo im Wald dreht ein Regisseur einen recht sonderbaren Sex-Film. Dann ist er verschwunden – und die Polizei ermittelt. "Nachtkatzen" von Valentin Merz ist ein poetisch-queerer Meta-Film, der sich vieler Genres bedient. Jetzt im Kino!


Szene aus "Nachtkatzen" (Bild: Vinca Film)

"Könnt ihr das mit ein bisschen mehr Spucke machen? Wie wenn man sich küsst", ist wohl eine im Erotikfilm gar nicht so seltene Regieanweisung. Ansonsten ist jedoch so einiges an diesem Set ungewöhnlich. Gedreht wird mal in einer schroffen, blassen, weiten Landschaft, dann in einem düsteren Wald. Der Regisseur steht hinter der Kamera, spielt gleichzeitig mit – und hat ansonsten kaum Anweisungen für seine Darsteller*innen. Vieles wirkt spontan und improvisiert.

Das gilt für den beschriebenen (Erotik-)Film im Film genau wie für die filmische Fiktion, also den Film, den wir sehen.

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Wer leckt vor, wer hinter der Kamera?


Poster zum Film: "Nachtkatzen" startet am 3. August 2023 im Kino

Film-im-Film-Konstrukte sind keine Seltenheit. Der Film und seine schillernden Produktionsumstände eignen sich hervorragend zur kritischen, überzeichneten oder satirischen Selbstreflexion. In der Regel ist aber klar, wo der Film im Film beginnt und aufhört – weil Darsteller*­innen aus Sets herausgehen, weil sie sich ganz anders als ihre Rollen verhalten, weil eine Regisseurin "Und Action!" ruft.

In "Nachtkatzen" gibt es keine solche Grenze. Die Figuren unterscheiden sich nicht von den Darsteller*­innen – und, zumindest dem (Vor-)Namen nach, noch nicht einmal von den Schauspieler*­innen. Manche Bilder zeigen eindeutig, wie der Film entsteht. Doch bei vielen Bildern ist unklar, ob sie aus dem Erotik-Film oder dem Film über den Erotikfilm stammen.

Es wird wild an Achseln gesnifft, fast wahllos Körper abgeleckt, im Wald gefickt – was findet vor, was hinter der Kamera statt? Oder beides? Die Figuren bewegen sich zombieartig, dann ahmen sie Tiere nach, erschnüffeln Menschen, rennen durch den Wald. Manchmal ist die Kamera dokumentarisch, verwackelt, im Reportagemodus, dann fängt sie wieder ganz statisch die Bilder ein. Manche von ihnen wirken in ihrer Komposition, Lichtsetzung und Farbgestaltung wie Gemälde.

Polizei stellt übergriffe Fragen


Regisseur Valentin Merz (Bild: GMfilms)

Valentin Merz, der Regie führte, das Drehbuch schrieb und den Film produzierte, hat mit seinem Langfilmdebüt einen Meta-Film erschaffen. Einen Film, der mit dem, was als Fakt und was als Fiktion innerhalb der erzählten Welt präsentiert wird, spielt. Das verleiht dem Film etwas Poetisches, macht ihn langsam und vieldeutig – und driftet teilweise ins Kalkuliert-Unlogische bis -Unverständliche ab. Darüber hinaus mischt "Nachtkatzen" Genres wie wild miteinander und bedient sich eklektisch an allem, was gerade gefällt: Ein bisschen magischer Realismus, hier und da vermeintlich unfreiwillige Komik, dann Horror-Anleihen und Krimi-Szenen wie aus einem "Tatort".

Denn in "Nachtkatzen" wird plötzlich der Regisseur Valentin vermisst. Seine Schauspieler*­innen suchen ihn, rufen seinen Namen in den Wald. Ein Crewmitglied träumt von dessen Leiche, die Polizei wird eingeschaltet. Sie befragt das Team, was für alle Beteiligten eindeutig unangenehm ist: Provinzpolizist*­innen wollen verstehen, was für ein eigenartiger Film da gedreht werden sollte, während die Crew überfordert ist mit den teils übergriffigen Fragen.

Selbstreflexion mit hübschen queeren Bildern

Die Schweizer Produktion "Nachtkatzen" trägt den Originaltitel "De noche los gatos son pardos", was wiederum dem deutschen Sprichwort "Nachts sind alle Katzen grau" entspricht: Auch helle Katzen verlieren in der Dämmerung ihre Strahlkraft, auch menschliche Unterschiede sind bei schlechter Sicht weniger offensichtlich. Bezieht sich der Film damit auf seine eigene größte Schwäche? Die Figuren ähneln einander wie eine rote Kurzhaar- und eine schneeweiße Perserkatze im Dunkeln. Sie sind kaum als Individuen zu erkennen, wirken allesamt wie Staffage.

Das überträgt sich zwangsläufig auf die Stimmungen: "Nachtkatzen" wabert zwar zwischen Melodram, Komödie und Krimi, bleibt aber weitestgehend emotionslos. Trauer, Mitgefühl, Wut oder Spannung kommen kaum auf. Als experimentelle Selbstreflexion mit hübschen queeren Bildern funktioniert Valentin Merz' Film. Und seine ganz eigene, junge Herangehensweise macht Hoffnung auf mehr.

Infos zum Film

Nachtkatzen. Fantasy-Krimi. Schweiz 2023. Regie: Valentin Merz. Cast: Alain Labrune, Valentin Merz, Robin Mognetti, Andoni de la Cruz, Bishop Black, Candida Sanchez, Dogartzi Magunagoicoechea, Céline Carridroit, Daniel Binggeli, Donaji Mendoza, Jean-Charles de Quillacq, Jean Legros, Kahlil Dahi, Leon David Salazar, Mara Thurnheer, Maxi Schmitz, Natalia Portnoy, Printille Davigo, Sharon Celeste, Tatiana Pozzo di Borgo, Yanna Rüger. Laufzeit: 110 Minuten. Sprache: deutsch-englisch-französisch-kastilisch-schweizerdeutsche Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 16. Verleih: GMfilms. Kinostart: 3. August 2023
Galerie:
Nachtkatzen
6 Bilder
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