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"Hände weg von unseren Kindern!"
Trotz Hetze nach NSDAP-Vorbild: Keine Ermittlungen gegen die AfD
Auf Plakaten gegen die Münchner Drag-Lesung am 13. Juni stellte die AfD einen queeren Menschen als Gefahr für Kinder dar. Für die Staatsanwaltschaft der bayerischen Landeshauptstadt ist der Tatbestand der Volksverhetzung jedoch nicht erfüllt.

"Hände weg von unseren Kindern!": Die Hetze der bayerischen AfD gegen queere Menschen bleibt ohne rechtliche Konsequenzen (Bild: CSD München)
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4. August 2023, 01:39h 4 Min.
Das widerwärtige Plakat der AfD gegen die Münchner Drag-Lesung am 13. Juni hat keine rechtlichen Konsequenzen. "In dieser Sache haben wir vor kurzem nach einer intensiven Vorprüfung von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen, weil die angezeigte Volksverhetzung tatbestandlich nicht erfüllt ist", erklärte die Münchner Staatsanwaltschaft am Donnerstag auf Anfrage von queer.de.
"Es ist sicherlich eine geschmacklose Darstellung, die hohe Schwelle eines strafbaren Verhaltens ist jedoch nicht erreicht", sagte Pressesprecherin Anne Leiding. "Insbesondere muss nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Rahmen des politischen Meinungskampfes viel hingenommen werden."
Queere Menschen als Gefahr für Kinder
Auf den Plakaten mit den Parolen "Hände weg von unseren Kindern!" und "Genderpropaganda verbieten!" stellte die AfD einen queeren Menschen als Gefahr für Kinder dar. Das Motiv, das für die Protestkundgebung der Rechtsaußenpartei gegen die Drag-Lesung der Stadtbibliothek warb, zeigte einen verängstigten Jungen, dem sich von hinten eine geschminkte Person mit Bart und gefärbten langen Haaren in offenkundig übergriffiger Absicht nähert (queer.de berichtete).
Der CSD München war "schockiert, entsetzt und fassungslos" über das AfD-Poster. "Bildsprache und Polemik des Plakats erinnern stark an die Propaganda der 30er Jahre. So etwas dürfen wir nie wieder zulassen!", erklärte CSD-Sprecher Tobias Oliveira Weismantel im Juni. Laut der Zeitung "Hallo" schickte Michael Sporrer, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching, sofort nach Entdecken des Plakats ein Foto per Messengerdienst an Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU). Seine Nachricht: "Sind wir schon wieder so weit wie vor dem Zweiten Weltkrieg? Würde mich freuen, wenn Sie dieser Partei mal öffentlich entgegentreten."
"Erinnerungen an NS-Propagandamotive"
"Das AfD-Plakat weckt Erinnerungen an NS-Propagandamotive, die mit einer ähnlichen Bildsprache etwa Juden als böse und verschlagene Feindbilder zeichneten, die unschuldige Kinder oder die friedliche Bevölkerung aus dem Hinterhalt angreifen", erklärte die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (FIRM) in einer Stellungnahme. Auch die "Süddeutsche Zeitung" (Bezahlartikel) schrieb erst am Donnerstag: "Das Motiv erinnert an die nationalsozialistische Bildersprache – Plakate, auf denen 'der Jude' aus dem Hintergrund nach einer blonden deutschen Frau greift."
Anzeige gegen die AfD wegen Volksverhetzung erstattet hatte u.a. der katholische Priester Wolfgang F. Rothe. Mit dem Plakat "werden queere Menschen, näherhin Drag Queens, pauschal als (potentielle) Missbrauchstäter und damit als (potentielle) Straftäter verunglimpft", hieß es in seinem Schreiben an die Staatsanwaltschaft. Ein Angriff auf die Menschenwürde liege nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn das Recht der betroffenen Personen bestritten wird, als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft zu leben, argumentierte Rothe. "Durch die generelle Gleichsetzung von queeren Menschen, näherhin von Drag Queens, mit Straftätern, näherhin von Missbrauchstätern, wird dieses Recht der zuerst genannten Personengruppe meines Erachtens in unzulässiger Weise bestritten."
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Die Linke hatte zur Zerstörung der Plakate aufgerufen
Die Vorprüfung der Münchner Staatsanwaltschaft, die sich gegen den bayerischen AfD-Bundestagabgeordneten Petr Bystron richtete, führte jedoch nicht zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Zuvor sah auch das Kreisverwaltungsreferat (KVR), die Sicherheits- und Ordnungsbehörde der Stadt, keine Möglichkeit, gegen die Hetzplakate vorzugehen. "Ich kann nachvollziehen, dass ein solches Plakat als diskriminierend und abstoßend empfunden wird", sagte KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl (Grüne) im Juni gegenüber der "Abendzeitung". Die "geltende Rechtslage" ermögliche jedoch "keine weiteren Schritte" (queer.de berichtete).
Die Linke Bayern hatte dagegen in einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Entfernung der Plakate gefordert. "Der Text im Zusammenhang mit dem Bild, das ganz offen Anleihen an antisemitischen Karikaturen der NS-Zeit nimmt, ist als Verwirklichung des Tatbestandes der Volksverhetzung gem. § 130 StGB anzusehen", schrieb Landessprecherin Adelheid Rupp – und rief indirekt zur Zerstörung der AfD-Poster auf. "Sollte sich die Landeshauptstadt München scheuen diesen Konflikt einzugehen, so sehe ich bei einer Sachbeschädigung dieser Plakate den gerechtfertigten Notstand als gegeben an."
Tatsächlich wurden mehrere Poster von Unbekannten mit Farbe übersprüht oder ihre Botschaften verändert.
/ ollihoog | Eine "Optimierung" des AfD-PlakatsOptimierung des Plakates der #noAfD. Bildbeschreibung: die Andeutung der queeren Person, ist durch zwei unangenehme Figuren ausgetauscht. Slogans: Hände weg von unseren Kindern. Hetze, Hass +AfD verbieten. Weg mit Faschismus +AfD Protestkundgebung Di 13.06.23. pic.twitter.com/fbK8CUx0ol
Olli H. (@ollihoog) June 9, 2023
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