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"Hasskriminalität hat leider weiter Konjunktur"

Bayern: Zahl der queer­feindlichen Hassdelikte mehr als verdreifacht

Laut der bayerischen Staatsregierung schießt die Zahl der gemeldeten Hassdelikte gegen queere Menschen in die Höhe. Laut SPDqueer tut die CSU/Freie-Wähler-Regierung einfach zu wenig gegen die Gewalt.


Symbolbild: Die Zahl der queer­feindlichen Delikte, die in Bayern gemeldet werden, steigt jedes Jahr kontinuierlich an (Bild: ToNic-Pics / pixabay)

  • 7. August 2023, 12:14h 4 Min.

Trotz des hohen Fahndungsdrucks von Justiz und Polizei bleiben Hass und Hetze im Internet in Bayern ein großes Problem. Auch wenn 2022 die Zahl der angezeigten Straftaten auf 1.186 leicht zurück ging, verbleibt sie weiterhin auf einem hohen Niveau. Das geht aus dem am Montag in München vorgestellten Lagebild Hasskriminalität (PDF) hervor. Von 2019 (1016) bis 2021 (1225) war die Zahl der Hass-Straftaten im Freistaat um rund 20 Prozent gestiegen, ein Grund waren Anfeindungen im Zuge der Corona-Pandemie.

Insbesondere die Zahl der antisemitischen Straftaten bleibt demnach erschreckend hoch. Den größten Anstieg gab es laut Lagebild bei den queerfeindlichen Straftaten. Die Behörden registrierten 2019 noch 29 Fälle, im vergangenen Jahr dann 96 – ein Plus von mehr als 230 Prozent. Ein Grund hierfür dürfte ein geändertes Anzeigeverhalten sein: "Das Thema steht stärker im Fokus der Öffentlichkeit, weshalb sich auch mehr Geschädigte bei der Polizei melden und ihre Fälle anzeigen", erklärte Landesinnenminister Joachim Herrmann, der die Ergebnisse gemeinsam mit Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) vorstellte Dass sich die Anzeigeerstattung im Fall von Hasskriminalität rentiert, zeige die hohe Aufklärungsquote in diesem Bereich. "Allein im vergangenen Jahr konnten rund zwei Drittel der angezeigten Fälle aufgeklärt werden", betonte Hermann.



"Hasskriminalität hat leider weiter Konjunktur", so die beiden Minister. Die Zahlen seien immer noch zu hoch. "Neue Entwicklungen wie beispielsweise der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Folgen bieten Hass und Hetze im Netz einen zusätzlichen Nährboden", erläuterte Eisenreich.

Hasskriminalität eine "besonders verwerfliche Form von Straftaten"

Laut Herrmann dominierten in fast 50 Prozent aller Fälle Volksverhetzungsdelikte die Statistik, gefolgt von Beleidigungen. "Wenn Menschen beispielsweise wegen ihrer Nationalität, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung Opfer werden, sprechen wir von Hasskriminalität, eine besonders verwerfliche Form von Straftaten", sagte Herrmann.

Auch wenn antisemitische Straftaten um rund 30 Prozent zurückgegangen seien (358 Fälle), gibt es aus Sicht von Herrmann keinen Grund zur Entwarnung. 2021 hatte die Zahl der Taten mit 510 Fällen einen neuen Höchststand erreicht (2019: 310 Fälle; 2020: 353 Fälle).

Auch fremdenfeindliche Straftaten bewegten sich auf einem hohen Niveau. "Nach einem deutlichen Anstieg von 988 in 2019 auf 1.288 Straftaten in 2020, konnten wir in den letzten Jahren wieder einen leichten Rückgang feststellen."

Es ist wichtig, dass jeder Einzelne Hass offen widerspricht

Beim Kampf gegen Hasskrimialität sei jede und jeder gefragt: "Es ist wichtig, dass jeder Einzelne in der Gesellschaft Hass offen widerspricht – sei es am Stammtisch, am Gartenzaun oder im Internet", erklärte Eisenreich. "Wir sind angewiesen auf Hinweise, wir sind angewiesen auf Anzeigen."

Selbst bei Ersttäter*innen sei eine Freiheitsstrafe möglich. Außerdem drohten empfindliche Geldstrafen – bei Volksverhetzung etwa mindestens drei Monatsgehälter plus Eintrag ins Führungszeugnis. Im Kampf gegen die Hasskriminalität wurden in den vergangenen Jahren in Bayern und anderen Bundesländern auch mehrere Online-Meldeverfahren eingerichtet, damit Betroffene schneller Vorfälle zur Anzeige bringen können, etwa über die www.meldestelle-respect.de.

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Streit um den Aktionsplan Queer

In den letzten Jahren gab es immer wieder Kritik an der bayerischen Staatsregierung, weil der Freistaat bislang als einziges deutsches Bundesland Queerfeindlichkeit nicht mit einem Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie bekämpft. Immerhin: Im Juni kündigte die Staatsregierung einen "Aktionsplan Queer" an. Allerdings kritisierten LGBTI-Organisationen, dass die Regierung intrasparent vorgehe und die Community nicht genug in die Planungen eingebunden habe (queer.de berichtete).

Die Arbeitsgemeinschaft SPDqueer forderte angesichts der Zahlen die Staatsregierung auf, mehr gegen Queerfeindlichkeit zu tun: Es ist dringend geboten, dass Bayern einen queeren Aktionsplan bekommt, der alle Ressorts abdeckt, und nicht nur das Sozialressort", erklärte SPDqueer-Landeschef Markus Aicher. "Der für queere Projekte eingestellte Etat muss hier mindestens mit dem Etat der Stadt München gleichziehen und bei vier Millionen Euro pro Jahr liegen, was jedoch für das Bundesland Bayern nur das absolute Minimum darstellt. Eher empfiehlt sich hier ein Etat in Höhe von zehn Millionen Euro."

Auch wenn Innenminister Herrmann die Aufklärungsquote als gut bezeichne, "nehmen wir an, dass die Dunkelziffer queerfeindlicher Hassstraftaten noch deutlich höher liegt, weil die Polizei nicht jede queerfeindliche Straftat als solche bewertet und nicht jede queerfeindliche Straftat zur Anzeige gebracht wird", so Aicher weiter. "Die Staatsregierung sieht, wie die queerfeindlichen Straftaten in Bayern explodieren – jetzt ist es an ihr, dagegen was zu tun. Dringend!"

Als Grund für den Schwenk der Staatsregierung beim Aktionsplan wird die Landtagswahl in Bayern am 8. Oktober vermutet. Damit wolle sich laut Beobachter*innen insbesondere die CSU ein besseres Image in der Community verpassen. Zuletzt hatte es scharfe Kritik von LGBTI-organisation an der Regierung von CSU und Freien Wählern gegeben. Die CSU wurde etwa nach queerfeindlichen Attacken von der CSD-Demonstration in München ausgeladen worden (queer.de berichtete). Mit queerfeindlichen Parolen tat sich besonders Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hervor, der etwa Draglesungen pauschal als "Kindswohlgefährdung" diffamierte (queer.de berichtete). (dpa/AFP/dk)

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