Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?46585

Nach Abschiebung lesbischer Tunesierin aus Psychiatrie

Sozialministerium von Schleswig-Holstein kündigt rechtliche Überprüfung an

Der Protest gegen die nächtliche Abschiebung einer queeren Tunesierin aus einem psychiatrischen Krankenhaus zeigt Wirkung. Das Sozialministerium unter Aminata Touré stellt in Aussicht, die Abschieberegelungen zu ändern.


Ein Protestplakat, das die manchmal tödlichen Konsequenzen von Abschiebungen anprangert. Auch das Leben von Mariem F. ist akut bedroht (Bild: Andreas Lehner / flickr)
  • 9. August 2023, 12:49h 5 Min.

Nach der Abschiebung einer 37-jährigen Lesbe aus einer Psychiatrie in Schleswig-Holstein hat das Sozialministerium des Landes eine Prüfung der rechtlichen Regelungen in eigener Kompetenz zur künftigen Vermeidung ähnlicher Fälle angekündigt.

Gegen die brutale Abschiebemaßnahme und die Verletzung der Sicherheit von Patient*innen in Krankenhäusern hatten unter anderem die Nordkirche, der schleswig-holsteinische Flüchtlingsbeauftragte und der LSVD-Landesverband protestiert.

Änderung des Rückführungserlasses in Aussicht gestellt

Wie berichtet, war die lesbische Tunesierin Mariem F. in der Nacht zum 3. August aus einem psychiatrischen Krankenhaus in Rickling im schleswig-holsteinischen Kreis Segeberg zur Abschiebung abgeholt worden. Polizeibeamt*innen holten die Frau mitten in der Nacht aus der Klinik, nachdem diese wegen der drohenden Abschiebung einen Suizidversuch unternommen hatte und in der Folge in die Einrichtung eingewiesen worden war. Für die Abschiebung war das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge von Schleswig-Holstein verantwortlich, das als Landesoberbehörde im Sozialministerium angesiedelt ist. Und an dessen Spitze steht die asylpolitisch profilierte Grüne Aminata Touré.

"Zu dem Fall Mariem F. gibt es viele Nachfragen, deshalb hier einmal zur rechtlichen Einordung: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in diesem Fall eine Entscheidung zur Rückführung getroffen", verteidigte das Sozialministerium die Maßnahme in sozialen Medien, unter anderem als Kommentar unter dem entsprechenden queer.de-Artikel.

Das für F. zuständige Land sei nach geltendem europäischem Recht Schweden und nicht Deutschland. Daran seien die Behörden in Land und Kommunen gebunden. "Allerdings unterliegt Verwaltungshandeln, insbesondere Zwangsmaßnahmen, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz" fügte die Öffentlichkeitsabteilung des Ministeriums einschränkend an.

Die "berechtigte Frage", ob derlei Maßnahmen in der Ausführung "künftig auch anders erfolgen" könnten, werde "derzeitig im Ministerium geprüft, um so etwas zukünftig zu vermeiden." Dafür werde der Rückführungserlass des Landes mit demjenigen in Rheinland-Pfalz und dem in Thüringen verglichen und "auch die Rechtsprechung des Bundes in den Blick genommen".

- w -

Abschiebung "Skandal" und "empörend"

Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims, hatte die Abschiebung aus der kirchlichen Einrichtung einen Skandal genannt. "Zusätzlich alarmiert uns, wenn in einer kirchlichen Einrichtung die Patientensicherheit nicht gewährleistet scheint", sagte sie. Es brauche eine Klärung der Sicherheit von Patient*innen, etwa durch einen Erlass. Rechtlichen Änderungsbedarf sah denn auch Sarah Weiser, die Sprecherin des Trägers der Psychiatrie.

Auch der LSVD legte seinen Protest gegen die Abschiebung ein. "Als LSVD sehen wir diese Praxis absolut kritisch und der Vorgang ist sowohl in diesem Einzelfall, als auch generell, empörend. Das betrifft dabei nicht nur Tunesien, wie in diesem Falle", sagte Danny Clausen-Holm, Mitglied im Landesvorstand von Schleswig-Holstein. "Dass die Bundesregierung ihren eigenen queerpolitischen Aufbruch ignoriert und nicht einmal den Versuch unternommen hat, für besonders schutzbedürftige Asylsuchende, wie beispielsweise queere Geflüchtete, einen Schutzmechanismus zu etablieren, ist skandalös und enttäuschend."

Hintergrund: Eigentlich hatte die Bundesregierung angekündigt, LGBTI-Flüchtlinge besser zu schützen und zum Beispiel nicht mehr wie bisher zu mutmaßen, ob sich Geflüchtete in ihrem Heimatland "diskret" verhalten würden und deshalb abgeschoben werden könnten (queer.de berichtete).

Protest kam denn auch vom Flüchtlingsbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, Stefan Schmidt. "Ich habe es erst gar nicht geglaubt", hatte der dem NDR gesagt. Bei einer Auslieferung an das nordafrikanische Herkunftsland drohe F. Gefahr für Leib und Leben, betonte Schmidt wie zuvor schon die Nordkirche.

Doch der zuständige Amtsarzt ordnete die Maßnahme trotz des Protests der verantwortlichen Ärzt*innen der Einrichtung an, befand F. für reisetauglich. Es gebe keine medizinischen Gründe, die gegen die sofortige Mitnahme zur Abschiebung sprächen, verteidigten das zuständige Sozialministerium dies im Nachhinein.

Laufende medizinische Behandlungen oder der Aufenthalt in einer Klinik seien nämlich "für sich genommen noch kein Grund, von einer Abschiebung abzusehen", vielmehr "Grund, die Frage der Reisefähigkeit einer besonders sorgfältigen Prüfung zu unterziehen und ggf. durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten".

Die Abschiebung erfolgte zudem "nur" an das Dublin-III-Partnerland Schweden und nicht nach Tunesien selbst. Allerdings gilt dort dann nicht mehr der besondere Schutz für queere Geflüchtete, den sich die Ampelregierung auf die Fahne geschrieben hatte, sondern nationales schwedisches Recht.

F: befindet sich in Abschiebehaft im südschwedischen Lund

Die Tunesierin, die Teil der QUREMI-Gruppe (queer refugees and migrants) des HAKI-Zentrums in Kiel ist, war aufgrund ihrer Homosexualität in ihrem Herkunftsland verfolgt worden und hatte zuerst in Schweden Schutz gesucht. Dort wurde ihr Asylantrag jedoch abgelehnt und die Abschiebung in das Herkunftsland angekündigt. Daraufhin war die 37-Jährige nach Deutschland geflohen.

Hier wurde im Rahmen der Dublin-III-Verordnung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Zuständigkeit Schwedens festgestellt und die Rückführung angekündigt. Inzwischen befindet sich F. in einem Abschiebegefängnis in Lund im Süden des Landes. (jk)

Kreisen deine Gedanken darum, dir das Leben zu nehmen?

Sprich mit anderen darüber. Freund*innen oder Verwandte könnten gute Ansprechpartner*innen sein.

Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern lauten: 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222.

Für trans Personen gibt es in Deutschland ein großes Netzwerk aus Treff-, Unterstützungs- und Beratungsangeboten. So bietet etwa die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität mehrere Beratungsstellen. Weitere lokale Angebote lassen sich oft über Suchmaschinen finden.
-w-