
https://queer.de/?46680
FIDE
Schach-Weltverband verbietet trans Frauen Teilnahme an Frauenwettbewerben
Der internationale Dachverband des Schachspiels, FIDE, hat die frühere Männerkategorie zur offenen Kategorie ausgerufen. Nun zwingt er trans Frauen, an dieser teilzunehmen. Und auch für trans Männer gibt es Beschränkungen.
- 17. August 2023, 17:52h 4 Min.
Ein Jahr vor seinem hundertsten Geburtstag rückt der internationale Schach-Dachverband FIDE von seinem Motto ab, das übersetzt lautet: "Wir sind eine Familie": Laut einer Entscheidung von Montag haben transgeschlechtliche Frauen auch in dem bekanntermaßen wenig körperbetonten Sport zukünftig "kein Recht" mehr, an Wettbewerben ihres Geschlechts teilzunehmen.
Innerhalb von zwei Jahren möchte der Verband zu einer neuen Richtlinie zum Umgang mit transgeschlechtlichen Spieler*innen gelangen. Bis dahin sollen sie in der sogenannten offenen Kategorie gegeneinander antreten, die neben der Frauenkategorie existiert. Weltranglistenerste*r in dieser offenen Kategorie ist laut Webseite der FIDE derzeit entsprechend der Norweger Magnus Carlsen. Gründe für seine Entscheidung gab der Verband nicht an.
Verband behält sich umfassende Rechte zur Stigmatisierung vor
Transgeschlechtlichen Männern würden zudem alle bisher in der Frauenkategorie erworbenen Titel aberkannt. Eine Möglichkeit sieht der Verband allerdings zynischerweise durchaus vor, wie sie ihre früheren Errungenschaften wieder für sich reklamieren können: "Die Person wechselt ihr Geschlecht zurück zur Frau und kann den Besitz der betreffenden FIDE-ID nachweisen, die den Titel hält."
Wollen Spieler*innen ihre offiziell geänderte geschlechtliche Identität beim Verband anerkennen lassen, müssen sie die Anerkennung zunächst vom jeweiligen Nationalverband erhalten – etwas, das in vielen Staaten der Welt freilich unmöglich ist. Erst bei einer Ablehnung dürfen die Spieler*innen dann an den internationalen Dachverband herantreten, der die vorherige Entscheidung umkippen kann. Aber: Das kann er auch im umgekehrten Fall, etwa, wenn der Dachverband eine national akzeptierte Änderung der geschlechtlichen Kategorie schlicht nicht anerkennen will.
Im neuen Handbuch zum Umgang mit transgeschlechtlichen Spieler*innen heißt es zum weiteren Umgang, dass die Identifikationsnummer von Spieler*innen durch eine Transition nicht wechsele. Und: Der Verband behält es sich vor, Informationen über die Transgeschlechtlichkeit von Spieler*innen an Ausrichter*innen von Wettbewerben weiterzureichen. Die FIDE räumt sich hierzu auch selbst das Recht ein, einen Marker in den registrierten Daten zu hinterlegen und auch andere Maßnahmen anzuwenden, um Organisator*innen darüber zu informieren, dass ein*e Spieler*in "ein Transgender ist". Der Grund: Die Spieler*innen davon abhalten zu können, vermeintlich illegitim an einem Wettbewerb teilzunehmen.
Kritik in sozialen Medien
Auf der Nachrichtenplattform X kritisierte die transgeschlechtliche Feministin und LGBTI-Aktivistin Katy Montgomerie die frauenfeindliche Grundannahme der Maßnahme. "Durch die Verbannung transgeschlechtlicher Frauen vom Schach hat die verrückte Anti-Trans-Lobby vollständig die Maske abgenommen. Sie glauben nicht nur, dass Geschlecht eine nichtmaterielle, unabänderliche Binarität ist, sie denken auch, dass Frauen intellektuell unterlegen sind. Was ist, was wir von Anfang an gesagt haben, dass sie es glauben." Über 60.000 Nutzer*innen setzten ihr Like an den Beitrag.
Twitter / KatyMontgomerie | Katy Montgomerie auf XIn banning trans women from chess the insane anti-trans lobby has fully revealed their hand. They don't just believe that sex is a non-material immutable binary, they also think that women are intellectually inferior. Which is what we've been saying they believe from the start
Katy Montgomerie (@KatyMontgomerie) August 16, 2023
|
Nutzer*innen und Schachspieler*innen kritisierten auch den Direktor für Schach-Entwicklung und Vizepräsidenten von FIDE, Nigel Short. Im Jahr 2015 hatte der gesagt, dass Männer aus biologischen Gründen besser zum Schach geeignet seien und nannte als Beispiel für die angeblich besseren Fähigkeiten von Frauen die emotionale Intelligenz seiner eigenen Frau. Dabei war er selbst als Weltranglistendritter der Männer der damaligen Weltranglistenersten der Frauen, Judit Polgar, sechs Mal im Schach unterlegen gewesen, während er sie nur drei Mal schlagen konnte.
Der Verband ist rund um Geschlechterfragen sowieso in Aufruhr. Anfang August hatten mehr als 70 Schachspielerinnen in einem offenen Brief sexistisches Verhalten und sexuelle Übergriffe ihrer männlichen Kollegen kritisiert. Der Brief mit dem Titel "Wir Schachspielerinnen" beginnt mit den Worten: "Wir, Schachspielerinnen, Trainerinnen, Schiedsrichterinnen und Managerinnen, haben sexistische oder sexuelle Gewalt durch Schachspieler, Trainer, Schiedsrichter oder Manager erlebt." Die Unterzeichnerinnen seien davon überzeugt, dass diese Belästigungen und Übergriffe "immer noch einer der Hauptgründe sind, warum Frauen und junge Mädchen, insbesondere im Teenageralter, mit dem Schachspiel aufhören".
Doch wenn es nach den Spitzen des Dachverbands geht, liegt die wahre Bedrohung für Spielerinnen wohl woanders: in transgeschlechtlichen Frauen. (jk)
