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Interview

Wie queer­feindlich entwickeln sich die USA, Elegance Bratton?

Am Donnerstag startet das Drama "The Inspection" im Kino, in dem Elegance Bratton seine persönlichen Erfahrungen mit Homophobie in der eigenen Familie und bei der Marine verarbeitet hat. Wir trafen den US-Regisseur zum Interview.


Regisseur Elegance Bratton (Bild: Montclair Film / flickr)

Elegance Bratton, Jahrgang 1979, beginnt bei der US-Marine Filme zu drehen, nachdem er ein Jahrzehnt lang obdachlos war. Nach seinem Master of Fine Arts an der New Yorker Universität gibt er sein Fernsehdebüt als Creator und ausführender Produzent der Serie "My House", die bei den GLAAD Media Awards als "Outstanding Documentary" nominiert wird. 2021 wird er für seine Doku "Pier Kids" über das Leben von obdachlosen queeren Jugendlichen in New York mit einem Spirit Award ausgezeichnet.

Brattons Spielfilmdebüt "The Inspection", das am 24. August 2023 bundesweit im Kino startet, basiert auf seiner eigenen Geschichte als Soldat, der unter der Homophobie seiner Kameraden zu leiden hat. Hauptdarsteller Jeremy Pope bekam für seine Leistung eine Golden-Globe-Nominierung.

Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Elegance Bratton über "The Inspection" zu unterhalten. Eine ausführliche Filmkritik folgt.

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Mister Bratton, was halten Sie von dem Etikett "Queer Full Metal Jacket"?


Poster zum Film: "The Inspection" startet am 24. August 2023 bundesweit in den Kinos

Das gefällt mir ausgesprochen gut. Ich bin ein totaler Kubrick-Fan und der gehört zu meinen absoluten Lieblings-Regisseuren. Wenn ich mir selbst ein Etikett aussuchen würde, wäre es "Black Gay Rocky".

Ihre Mutter verstarb während der Dreharbeiten, was hielt Sie von Ihrem autobiografischen Projekt, in dem Sie ja eine wichtige Rolle spielt?

Wir hatten keinen Kontakt mehr in den letzten 18 Jahren. Im Februar vorigen Jahres bekam ich die Nachricht, meine Mutter sei einem Mord zum Opfer gefallen. Bei der Auflösung ihrer Wohnung entdeckte ich, dass sie jeden Zeitungsartikel über mich gesammelt hatte. Meinen Namen hatte sie fest in der Suchfunktion ihres Computers installiert. Auf einem Schlüsselbund fand ich ein Foto von mir. Weshalb sie diese Dinge mit mir nicht geteilt hat, ist mir unverständlich. Aber ich weiß, dass sie stolz auf mich gewesen ist. Deswegen habe ich ihre Rolle mit Gabrielle Union besetzt, die ihre Lieblingsschauspielerin gewesen ist.

Wie waren die Reaktionen Ihrer einstigen Kameraden bei den Marines?

Einer von ihnen erzählte, er sei dankbar für diese Geschichte im Kino. Außerdem sei er selbst schwul, was er lange versteckt hatte. Ein anderer berichtete, jene Szene, wo ich die Geburtsurkunde bei meiner Mutter abhole, hätte er ganz genauso mit seinem Vater erlebt. Ich finde es eindrucksvoll, wie viele Gemeinsamkeiten es gibt, von denen man nichts ahnt.


Szene aus "The Inspection": Ellis French (Jeremy Pope, li.) muss im Bootcamp der US-Marines Schikanen und Ausgrenzung ertragen (Bild: A24 / X Verleih)

Wie hat das Militär auf das Projekt reagiert? Gemeinsam bekommen "Top Gun" und Co. reichlich Unterstützung durch das Pentagon…

Wir bekamen weder eine Genehmigung durch das Militär noch irgendwelche Unterstützung. Diese Ablehnung ist ungewöhnlich, eigentlich bekommt jeder Film, der vom Militär handelt, eine offizielle Unterstützung. Wir mussten die ganze Ausrüstung also selbst irgendwie organisieren. Prompt gab es Beschwerden aus dem Publikum, dass die Uniformen nicht authentisch seien.

Gab es eine Begründung für die Verweigerung der Unterstützung?

Nein, man nannte mir keine Begründung. Vermutlich wollte man keinen Film unterstützen, der vom Missbrauch in einem Boot-Camp handelt. Und der von jener "Don't ask, don't tell"-Zeit erzählt. Es gibt eine hundertjährige Geschichte der Unterdrückung im US-Militär, die Leben von Menschen wurden ruiniert, Soldaten wurden entlassen, weil sie schwul waren. Das Militär war die erste Organisation, die eine Rassentrennung in den USA praktizierte.

Ihr Produzent Chester Algernal Gordon ist zugleich Ihr Ehemann. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit bei solch einem "Familienfilm"?

Wir diskutieren leidenschaftlich. (lacht) Ich bin froh, dass er mich in allen kreativen Bereichen immer unterstützt. Wir wachsen gemeinsam und haben unsere eigene Produktionsfirma "Freedom Principal" gegründet. Ganz außerhalb des ganzen Filmgeschäftes bin ich glücklich, jemanden gefunden zu haben, der mich genauso sehr liebt wie ich ihn. Wir haben eine wunderbare Beziehung. Chester ist mein bester Freund und mein liebster Mensch. Zudem ist er der schönste Mann der Welt!

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Jeremy Pope bekam für seine Rolle eine Nominierung für den Golden Globe. Wie kam es zu seiner Besetzung?

Ich nenne es den "Cate-Blanchett-Test" – können Sie sich vor die Kamera setzen und nichts tun, außer darüber nachzudenken, woran Ihre Figur denkt, und können wir, die Beobachtenden, das sehen? Müssen wir das wegschneiden oder können wir bleiben? Jeremy hat diesen Test mit Bravour bestanden. Darüber hinaus ist Jeremy geoutet, schwul, Schwarz, überdurchschnittlich begabt, und er hat genauso wenig Angst vor Auseinandersetzungen wie ich. Jeremy ist mein Verbündeter.

Weshalb ist es so entscheidend, dass Ihr Verbündeter offen schwul ist?

Früher bekamen heterosexuelle Darsteller viel Applaus, wenn sie eine schwule Figur spielten. Inklusive dieser ewigen Frage: "Wie ist es, einen Mann zu küssen?" Mir war es deswegen ganz wichtig, dass meine Figur von einem offen schwulen, Schwarzen Schauspieler gespielt wird – denn solche Helden habe ich im Kino bislang kaum erlebt! Schwarze Queers sind selten im Zentrum einer Geschichten, sondern meist Stichwortgeber oder das Zubehör für hübsche Mädchen. Für die Identität eines Schwarzen schwulen Mannes macht es das nicht einfach. Mit Jeremy sieht das nun ganz anders aus! Mit ihm erlebt man, wie großartig Queerness unter Schwarzen ausfällt. Dass man derjenige sein kann, der man sein möchte – und dabei ganz exzellent ist!

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Finden Sie es notwendig, dass queere Figuren von queeren Menschen verkörpert werden?

Ich gehöre nicht zu jenen Leuten gehören, die fordern, nur Schwarze Menschen sollen Schwarze Geschichten erzählen. Aber in der 120 Jahre alten Geschichte des Kinos hatten weiße, heterosexuelle Schauspieler jede Möglichkeit, alle denkbaren Rollen zu spielen. Das finde ich problematisch, denn es braucht mehr Authentizität. Queere Figuren müssen nicht zwangsläufig von queeren Menschen verkörpert werden. Aber wie viele queere Schauspieler*innen bekamen jemals eine Oscar für eine queere Rolle? Leider liegt diese Zahl noch immer bei null! Auch wenn es überall heißt, die Probleme wären doch alle gelöst: Es ist nach wie vor schwierig, schwul aufzuwachsen in unserer Welt. Das wird nicht besser, wenn Heterosexuelle die queeren Rollen übernehmen.

Wie sehen Sie die aktuelle Lage in den USA mit der zunehmenden Queerfeindlichkeit im Land?

Wer glaubt, die Öffnung der Ehe durch das Oberste Gericht hätte die Homophobie verschwinden lassen, liegt völlig falsch. Ein einziges Jahrzehnt mit Fortschritten kann 400 Jahre Unterdrückung nicht so einfach überwinden. Die Liberalen geben sich schnell zufrieden mit kleinen Verbesserungen, während die Konservativen nie aufhören, ihre Ziele zu verfolgen. Deswegen wird es immer Rückschläge beim Fortschritt geben. Schließlich gibt es Menschen, die von einer Welt der Ungleichheit profitieren. Wir haben keine Zeit, Erfolge zu feiern. Wir müssen uns ständig weiter im Kampf gegen Ungleichheit engagieren.

Infos zum Film

The Inspection. Drama. USA 2022. Regie: Elegance Bratton. Cast: Jeremy Pope, Gabrielle Union, Raúl Castillo. Laufzeit: 100 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. FSK 12. Verleih: X Verleih. Kinostart: 24. August 2023
Galerie:
The Inspection
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