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Reaktion auf Boykottaufruf

"Oh Boy": Verlag zieht Sammelband über Männlichkeit zurück

"Oh Boy: Männlichkeit*en heute" sollte die Debatte über Männlichkeit anregen – doch ein Text über einen sexualisierten Übergriff überschattete alles. Jetzt zieht der Verlag die Reißleine.


"Oh Boy" wird künftig den Text "Ein glücklicher Mensch" nicht mehr enthalten (Bild: Kanon Verlag)
  • 22. August 2023, 14:21h 3 Min.

Der Berliner Kanon Verlag hat die Auslieferung des viel diskutierten Sammelbandes "Oh Boy: Männlichkeit*en heute" gestoppt. Grund ist ein Text über männliche Täterschaft von Mitherausgeber Valentin Moritz. In "Ein glücklicher Mensch" heißt es: "Ich will kein Täter sein, aber ich bin mindestens einmal einer geworden: Ich habe einen sexualisierten Übergriff begangen." Das weibliche Opfer hatte aber zuvor den Autor gebeten, den Übergriff nicht literarisch zu verarbeiten, auch nicht anonymisiert.

Der Sammelband umfasst insgesamt 18 "mutige Selbstbefragungen" – unter anderem von der nichtbinären Person Kim de l'Horizon, die 2022 für "Blutbuch" den Deutschen Buchpreis erhalten hatte (queer.de berichtete). Im Feuilleton war das Buch hoch gelobt worden. Auf queer.de attestierte Carsten Moll, dass "Oh Boy" "ein sehr lebendiges, anregendes Buch ist, das einige der spannendsten Erzähler*innen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur versammelt".

"Veröffentlichung war ein Fehler"

Der Kanon Verlag hatte seine Entscheidung am Freitag auf Instagram veröffentlicht: "Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass dessen Veröffentlichung ein Fehler war", heißt es darin. Autor Valentin Moritz habe den Verlag in Kenntnis gesetzt, dass die Betroffene eine Veröffentlichung nicht wünsche. Er habe auch angeboten, sich vom Projekt zurückzuziehen. Dies sei abgelehnt worden.

In der Verlagsmitteilung heißt es: "Die Herausgebenden und der Verlag haben darauf intensiv darüber diskutiert, ob es nicht doch einen Weg geben könnte, dem Nein der Betroffenen zu entsprechen und einen Text über ein Tabuthema zu ermöglichen, in dem es um Scham, Reue und Prägungen geht. Solch einen Weg sahen wir im dann publizierten Text 'Ein glücklicher Mensch'. Doch dieser Weg erweist sich als nicht richtig. Das ist uns, leider viel zu spät, klar geworden." Der Verlag bat daher die Betroffene um Entschuldigung. "Die Intention, männliche Täterschaft zu thematisieren, darf nicht dazu führen, dass die Betroffenenperspektive außen vor bleibt, überhört oder gar übergangen wird."

Vor dem Rückzieher hatte es online einen Boykottaufruf auf Instagram gegen das Buch gegeben. Darin schrieb die Betroffene: "Ich habe ihm ausdrücklich nach dem Übergriff gesagt, dass ich NICHT möchte, dass er seine gewaltvolle Aneignung meines Körpers als Gegenstand seines Textes im Buch verwendet." Mehrere Mitautor*innen, etwa trans Mann Jayrôme C. Robinet, distanzierten sich danach von dem kritisierten Text.

Wenige Tage vor der Entscheidung des Verlags hatte Moritz seinen Beitrag noch verteidigt: Er habe "einen offeneren, ehrlicheren Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen und männlicher Täterschaft" fördern wollen, schrieb er. Es handle sich um einen literarischen Text, "bei dem genau darauf geachtet wurde, dass er in keiner Weise Privat- und/oder Intimsphäre verletzt."

Das Buch wird indes nicht völlig eingestampft. Alle digitalen Formate würden künftig ohne den kritisierten Text ausgeliefert. Auch aus eventuellen Nachauflagen von "Oh Boy" werde "Ein glücklicher Mensch" entfernt. (dk)