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Filmkritik

Warum "The Inspection" einer der besten queeren Filme des Jahres ist

Jetzt im Kino: Elegance Brattons Drama "The Inspection" über einen schwulen Schwarzen im Marine-Bootcamp begeistert mit einer bewegenden, authentischen Story, einem absolut überzeugenden Cast und herausragenden Bildern.


Szene aus "The Inspection": Ellis French (Jeremy Pope, li.) muss im Bootcamp der US-Marines Schikanen und Ausgrenzung ertragen (Bild: A24 / X Verleih)

Seine Mutter legt vorsichtshalber Zeitungen aufs Sofa, bevor er sich setzen darf. Aber nicht etwa, weil Inez French besonders ordentlich oder übertrieben penibel wäre. Sonst würde sie kaum in der eher chaotischen, vollgestellten Wohnung rauchen. Nein, dass sie ihren schwulen Sohn Ellis überhaupt in die Wohnung lässt, kostet sie Überwindung. Ihre Abneigung ist spürbar. Wenn er schon reinkommt, soll er bitte keine Spuren hinterlassen, fast als hafte seine Homosexualität an ihm und übertrage sich auf ihre Couch.

Ellis' Besuch in der kleinen, dunklen Wohnung hat zuallererst pragmatische Gründe: Er braucht seine Geburtsurkunde, weil er zu den Marines will. Aber Ellis, der in einer Obdachlosenunterkunft lebt, möchte seine Mutter sehen, ihr nahe sein. Seine Sehnsucht ist mindestens so groß wie ihre Verachtung. Es ist eine verzweifelte Liebe.

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Eine autobiografische Geschichte


Poster zum Film: "The Inspection" startet am 24. August 2023 bundesweit in den Kinos

Und dann ist es auch schon soweit: Ellis ist auf dem Weg ins Bootcamp der Marines. Die Busfahrt dorthin ähnelt einem Pausenhofgeschehen – alberne Witze, einem wird das Brot weggenommen, Ellis solidarisiert sich mit dem Beklauten. Im Ausbildungscamp angekommen, beginnt der Drill. Die Rekruten werden angeschrien, fertiggemacht, erniedrigt, ihre Haare geschoren.

"The Inspection" basiert auf den Erfahrungen von Regisseur und Drehbuchautor Elegance Bratton. Genau wie seine Schwarze Hauptfigur Ellis French wurde auch er mit 16 zu Hause rausgeschmissen, weil er schwul war, und ging dann zur US-Marine. 2005 war das, zu einer Zeit, als "Don't ask, don't tell" noch galt. Diese Praxis bedeutete, dass homo­sexuelle Soldat*­innen nicht über ihre sexuelle Orientierung sprechen durften, Vorgesetzte aber auch nicht danach fragen durften. Erst 2010 hob der Kongress diese Regelung auf.

Das Ziel: aus Rekruten Krieger machen

Dementsprechend spricht auch Ellis nicht darüber, dass er schwul ist. Doch nach einem Vorfall in der Gruppendusche erlebt der Rekrut offene Anfeindung. Die anderen angehenden Soldaten meiden ihn im besten Falle, oft wird er schikaniert. Das Drama fügt sich damit auf den ersten Blick ein in eine Reihe schwuler Militär-Filme wie "Eismayer" oder "Moffie", die beide ebenfalls auf autobiografischen Erlebnissen basieren. Doch "The Inspection" ist anders.

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So verzichtet das Drama auf eine Liebesgeschichte, was nicht nur wohltuend wirkt, sondern den Fokus voll und ganz auf Ellis' Soldat-Werdung legt. Die ist geprägt vom Drill der Ausbilder und deren Ziel, ihre Rekruten zu brechen, sie ihrer Individualität zu rauben und zu Kriegern zu machen. Sergeant Rosales bildet zwar einen menschlichen und verständnisvollen Gegenpol, bleibt dabei aber meist den soldatischen Prinzipien treu.'

Ein visuell außergewöhnliches Vergnügen

Und auch ästhetisch sticht "The Inspection" hervor. Das Drama macht so ziemlich alles richtig, was einen guten Film ausmacht: Mit seinen Gegenlicht- und Slomo-Aufnahmen, den teilweise friedlichen Stills, subjektiven Einstellungen und träumerischen Szenen bereichert der australische Kameramann Lachlan Milne den Film ungemein und macht ihn, auch dank der sehr gezielten und meisterlichen Lichtsetzung zu einem visuell außergewöhnlichen Vergnügen. Die wabernd-elektronische Musik der für ihren experimentellen Pop bekannten Band Animal Collective fügt sich da ganz harmonisch ein.

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Jeremy Pope ist darüber hinaus eine ideale Besetzung für die Hauptfigur Ellis French. Der Schauspieler, "mein Verbündeter", wie ihn Regisseur Elegance Bratton im queer.de-Interview nennt, hat schon in Ryan Murphys Netflix-Serie "Hollywood" brilliert. Doch in "The Inspection" kann er sein volles Potenzial ausschöpfen, wechselt problemlos von Verzweiflung und Demut zu Scham und unglücklicher Liebe zu seiner Mutter. Die Rolle brachte ihm zurecht eine Nominierung bei den diesjährigen Golden Globes ein.

Diese Verbindung aus einer bewegenden, authentischen Story, getragen durch einen absolut überzeugenden Cast und eingefangen in herausragende Bilder machen Elegance Brattons Drama zu einem der besten queeren Filme des Jahres.

Infos zum Film

The Inspection. Drama. USA 2022. Regie: Elegance Bratton. Cast: Jeremy Pope, Gabrielle Union, Raúl Castillo. Laufzeit: 100 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. FSK 12. Verleih: X Verleih. Kinostart: 24. August 2023
Galerie:
The Inspection
10 Bilder
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