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Schadenersatzklage

Im Iran geoutet: Schwuler Arzt verklagt Österreich

Im Iran droht Lesben und Schwulen die Todesstrafe. Dennoch ließ es die Botschaft der Republik Österreich in Teheran zu, dass die Homosexualität eines iranischen Staatsbürgers bekannt wurde. Der Betroffene fordert nun Schadenersatz.


Symbolbild: Protest mit "Mullarsch" beim diesjährigen CSD Köln gegen Queerfeindlichkeit im Iran (Bild: IMAGO / Guido Schiefer)
  • 26. August 2023, 12:29h 4 Min.

Ein schwuler Arzt aus dem Iran, der in Österreich mit einem Unternehmer verheiratet ist, klagt vor dem Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen auf Schadenersatz nach dem Amtshaftungsgesetz. Der Streitwert beträgt 275.000 Euro. Hintergrund des gegen die Republik geführten Rechtsstreits ist sein unfreiweilliges Outing durch die österreichische Botschaft in Teheran.

Das skandalöse Verhalten des Außenministeriums und seines privaten Servicepartners VFS Global hatte der Neos-Abgeordnete Yannick Shetty bereits kurz vor Ostern in sozialen Medien öffentlich gemacht (queer.de berichtete). Demnach lud der Arzt 2021 seine im Iran lebenden Eltern zu seiner Hochzeit nach Österreich ein. Da ihn die zur Visabeantragung notwendigen Papiere als schwul geoutet hätten, bat er darum, dass die Eltern direkt in der Botschaft vorsprechen und nicht bei VFS Global, wo iranische Angestellte tätig sind. Die Botschaft lehnte jedoch ab: "Wir sehen nichts, worüber Sie besorgt sein brauchen. Wir werden das Visaverfahren wie jedes andere abhandeln."

Die Eltern wurden mit der Homosexualität des Sohnes konfrontiert

Doch dann trat laut Yannick Shetty genau das ein, was der schwule Iraner befürchtet hatte. Seine Eltern "mussten sich zur Homosexualität ihres Sohnes befragen lassen", kritisierte der Abgeordnete in einer Serie von Posts. Zudem hätten auch die iranischen Behörden von der sexuellen Orientierung des Mannes erfahren. "Für ihn selbst ist es nicht mehr möglich, in den Iran einzureisen. Es droht ihm dort die Todesstrafe."

Gegenüber der Wiener Tageszeitung "Standard" wies das österreichische Außenministerium den Vorwurf zurück, den Arzt mit seinem Vorgehen mutwillig geoutet zu haben. Das habe eine interne Überprüfung nach Bekanntwerden der Vorwürfe ergeben. "Es wurden keine Unrechtmäßigkeiten bzw. keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht seitens unserer Mitarbeiter:innen oder des externen Dienstleisters Visa Facilitation Service (VFS) Global festgestellt", so das Ministerium.

Die Finanzprokuratur, die den österreichischen Staat in Rechtsstreitigkeiten vertritt, hat die Abweisung der Klage aus formalen Gründen beantragt. Schutzpflichten nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) träfen nur den nationalen Gesetzgeber und nicht die Verwaltung, Verpflichtungen nach der EMRK hätten damit keine unmittelbare Wirkung für das behördliche Handeln der österreichischen Vertretungsbehörden, argumentiert die Regierungsinstitution.

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Kritik von Volksanwaltschaft und Amnesty International

Die österreichische Volksanwaltschaft, ein parlamentarischer Ombudsrat zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, äußerte bereits im vergangenen September deutliche Kritik an der österreichischen Botschaft in Teheran. Die Verweigerung der direkten Antragstellung bezeichnete Volksanwältin Gaby Schwarz (OVP) in einem Schreiben als "Missstand". Das Verhalten der Botschaft lasse "nicht auf die im vorliegenden Fall gewünschte und angebrachte Sensibilität bzw. Landeskunde schließen, zumal die Ausübung von Homosexualität im Iran immer noch mit der Todesstrafe geahndet wird." Eine Entschuldigung sei "angebracht".

Kritik kam auch von Amnesty International. "Es ist unerlässlich, dass die österreichischen Behörden im Umgang mit dem Iran mit der gebotenen Verantwortung handeln und die Rechte und die Sicherheit von Einzelpersonen schützen", kommentierte Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, die Zivilklage. Die mögliche Offenlegung der sexuellen Orientierung gegenüber den iranischen Behörden durch Österreich stelle für die betroffene Person "eine äußerst problematische" Situation dar.

Im Iran steht auf Homosexualität die Todesstrafe

"Wir haben uns deshalb zur Klage entschlossen, weil das Außenministerium auf keine einzige unserer Forderungen eingegangen ist", erklärte der Ehemann des Iraners gegenüber der Nachrichtenagentur APA. "Man hat so getan, als wäre überhaupt nichts passiert. Es gab nicht einmal eine Entschuldigung". Es gehe dem schwulen Paar auch "nicht ums Geld, als der Schaden, der dadurch angerichtet wurde, sich nicht mehr gutmachen lässt", so der 34-Jährige. Sein Partner könne nun nie mehr in seine ursprüngliche Heimat reisen und dort auch sein Erbe nicht antreten, weil er im Iran seines Lebens nicht mehr sicher sei.

Im Iran ist Homosexualität aus religiösen Gründen streng verboten. Seit der Islamischen Revolution 1979 sollen sogar tausende Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung hingerichtet worden sein. Eine genaue Einschätzung über entsprechende Hinrichtungen ist aber schwierig, weil die iranischen Gerichte in ihren Urteilen Formen von unehelichem oder gleichgeschlechtlichem Sex mit sexueller Gewalt vermischen. Zudem ist eine unabhängige Berichterstattung oft nicht möglich und viele Urteile insbesondere in ländlicheren Regionen werden nie publik.

Zuletzt ging das Regime vermehrt gegen sexuelle Minderheiten vor. So gab es Berichte über die Verhängung der Todesstrafe gegen queere Aktivistinnen (queer.de berichtete). Auch verbal wurde die Rhetorik angezogen: Präsident Ebrahim Raisi erklärte erst letzten Monat beim Besuch des ebenfalls queerfeindlichen Präsidenten von Uganda, Homosexualität sei "eine der schmutzigsten Sachen der Menschheit" (queer.de berichtete). (mize)

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