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Scharfe Kritik
Blutspenden: Aidshilfe beklagt neue Hetero-Diskriminierung
Die Deutsche Aidshilfe ist nicht glücklich mit den neuen Blutspende-Richtlinien: Es sei nicht gelungen, die Diskriminierung von Schwulen zu beenden – zusätzlich werde jetzt noch eine weitere Gruppe diskriminiert.

freepik.com) Die neue Blutspenderegelung sollte Diskriminierung von schwulen und bisexuellen Männern beenden – das sei nicht gelungen, ist sich die Deutsche Aidshilfe sicher (Bild:
- 1. September 2023, 11:03h 3 Min.
Die Deutsche Aidshilfe (DAH) hat die neuen deutschen Blutspende-Richtlinien scharf kritisiert. Hintergrund ist eine Mitteilung von Bundesärztekammer und Paul-Ehrlich-Institut vom Donnerstag, wonach schwule und bisexuelle Männer künftig leichter Blut spenden könnten (queer.de berichtete). Zuvor hatte der Gesetzgeber im März entschieden, dass sexuelle Orientierung künftig kein Ausschlusskriterium für das Blutspenden mehr sein darf (queer.de berichtete).
"Die neuen Regeln sind weder wissenschaftlich evident noch beenden sie die Diskriminierung", erklärte das DAH-Vorstandsmitglied Sven Warminsky. "Die Bundesärztekammer hat es geschafft, die meisten schwulen Männer weiterhin auszuschließen, ohne dies klar zu benennen. Die neue Regelung hält sogar noch weitere potenzielle Spender*innen unnötig von der Spende ab." So sollen Zukunft auch Menschen ausgeschlossen werden, die in den letzten vier Monaten Analverkehr mit neuen Partner*innen hatten. Zu einer Rückstellung führt fortan außerdem Geschlechtsverkehr mit HIV-positiven Menschen sowie "Sexarbeit oder deren Inanspruchnahme".
Warum Vier-Monats-Frist?
Die DAH beklagte weiter, dass die Frist von vier Monaten nicht nachvollziehbar sei. Ein HIV-Labortest zum Beispiel könne eine HIV-Infektion nach sechs Wochen ausschließen. Zudem gebe es sensiblere Testverfahren, um diese Frist weiter zu verkürzen. "Analverkehr an sich ist kein Risiko. Diese Annahme ist stigmatisierend", so die DAH weiter. "Schutzmaßnahmen wie Kondome und die HIV-Prophylaxe PrEP, zu denen die Prävention ermutigt, werden in der neuen Analverkehr-Klausel nicht berücksichtigt."
Dadurch komme es zu weiteren Einschränkungen: "Es wird ein neuer Personenkreis stigmatisiert, der vorher nicht betroffen war: Heterosexuelle Menschen, die Sex mit mehr als zwei Partner*innen in vier Monaten oder Analverkehr mit nur einer Person hatten – unabhängig vom realen HIV-Risiko."
Warnung vor "Scheinsicherheit"
In den Richtlinien sei auch ein weiterer Irrtum enthalten: Angebliche Monogamie sei keine verlässliche Schutzmethode. Menschen könnten nur über ihr eigenes Verhalten verlässliche Angaben machen. "Sexualverkehr ausschließlich innerhalb einer auf Dauer angelegten Paarbeziehung von nicht-infizierten Partnern oder Partnerinnen" bezeichnete die DAH als "Scheinsicherheit".
Zudem forderte die , dass Geschlechtsverkehr mit HIV-positiven Menschen kein Ausschlussgrund mehr sein dürfe. "Unter wirksamer HIV-Therapie – heute der Regelfall – gibt es beim Sex kein Übertragungsrisiko. Das hat gerade die WHO ausdrücklich bekräftigt", erklärte die DAH. Auch Sexarbeit und deren Inanspruchnahme dürften kein Ausschlussgrund mehr sein, "denn ob Sex entgeltlich oder privat stattfindet, beeinflusst das HIV-Risiko nicht".
DAH fordert Entmachtung der Bundesärztekammer
Als Konsequenz forderte der Dachverband, der Bundesärztekammer die Verantwortung über die Blutspende-Richtlinie zu entziehen. Sie habe "zum wiederholten Male" eine inakzeptable Regelung vorgelegt und Perspektiven kompetenter Verbände ignoriert. "Die Ampelregierung hat die Verantwortung trotz der schlechten Erfahrungen der letzten Jahre erneut allein in die Hände der Bundesärztekammer gelegt", so Warminsky. "Die gesetzliche Vorgabe an die bisher Verantwortlichen hat nicht gereicht. Damit steht die Regierung nun in der Pflicht, ihr Versprechen einer diskriminierungsfreien Lösung auf anderem Wege einzulösen."
Warminsky fuhr fort: "Die Konsequenz aus dieser unausgegorenen Neuregelung kann nur eine sein: Zurück auf Los", erklärte das DAH-Vorstandsmitglied. Er forderte einen Neustart mit neuen Regeln, einem öffentlicher Diskurs und Transparenz von Anfang an. "Niemandem ist damit gedient, das ewige Ritual von Neuregelung durch medizinische Gremien und öffentlicher Kritik daran weiter zu wiederholen. Warum nicht gleich gemeinsam eine Lösung erarbeiten?", so Warminsky.
Twitter / Aidshilfe_deDie neuen Regelungen zur #Blutspende der @BAEKaktuell sind weder wissenschaftlich evident noch lösen sie das Problem der Diskriminierung schwuler Männer. Zeit für neue Wege, @BMG_Bund! https://t.co/j0xSpDA9Hi
Deutsche Aidshilfe (@Aidshilfe_de) August 31, 2023
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Auch der Lesben- und Schwulenverband hatte die Regelung als eine "implizite Fortführung der Diskriminierung" kritisiert. Der Bundestag müsse daher eingreifen. (dk)
Twitter / lsvdDie #Bundesärztekammer und das Paul-Ehrlich-Institut haben das Ziel einer diskriminierungsfreien #Blutspende deutlich verfehlt. Denn: Künftig soll Analverkehr mit Sexualpartner*innen mit neuen Partner*innen pauschal als risikohaft klassifiziert werden. https://t.co/8IwoO9E1FP
LSVD-Bundesverband (@lsvd) August 31, 2023
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