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Homophobie
Istanbul: Groß-Demo gegen "LGBT-Propaganda" geplant
Der queerfeindliche Wahlkampf des Erdoğan-Regimes hat Auswirkungen auf die Gesellschaft: Immer mehr werden sexuelle und geschlechtliche Minderheiten zum Sündenbock gemacht.

Staatschef Recep Tayyip Erdoğan heizte zuletzt die queerfeindliche Atmosphäre in der Türkei an (Bild: World Humanitarian Summit / flickr)
- 15. September 2023, 11:24h 3 Min.
Ein Bündnis von 200 nationalistischen und islamistischen Vereinen der Türkei hat für Sonntag zu einer Großdemonstration mit dem Namen "Großes Familientreffen gegen die Perversion" in Istanbul aufgerufen. Damit wollen die Vereine gegen "LGBT-Propaganda" protestieren, die angeblich eine Gefahr für "Kinder, Familien und die Menschheit" darstellt.
Mehrere Fernsehsender zeigten kurze Spots der Organisator*innen, in denen zur Teilnahme an der Demo aufgerufen wird. Darin wird erklärt, dass wegen "LGBT-Propaganda" die Zahl der queeren Jugendlichen in den USA und anderen westlichen Ländern angeblich um 20 Prozent pro Jahr steigen. "Wenn wir uns dieser Entwicklung nicht entgegenstellen, wird es in unserem Land bald keine Kinder mehr geben", so die Warnung. Daher müsse diese "Propaganda" verboten werden.
/ BAPlatformuAnadolu'nun her köesinden yüzlerce sivil toplum kuruluunun destei, onbinlerce vatandamzn katlmyla Büyük Aile Bulumas'nda bir araya geliyoruz.
Büyük Aile Platformu (@BAPlatformu) September 7, 2023
17 Eylül 2023
15.00
Saraçhane Fatih Ant Park#BüyükAilePlatformu#BüyükAileBulumas pic.twitter.com/NwTjqxkCze
Der Spot wurde von den Sendern als "öffentliche Bekanntmachung" deklariert, nachdem die Rundfunk-Regulierungsbehörde RTÜK den Film zugelassen hatte. Dies führte zu viel Kritik von LGBTI-Aktivist*innen, weil eigentlich keine Spots erlaubt sind, in denen Geschlechterdiskriminierung propagiert wird. In Izmir protestierten am Dienstag trotz eines Verbots queere Aktivist*innen vor einem RTÜK-Büro. Die Polizei nahm zehn Protestierende vorläufig fest. Das Gouverneursamt hatte zuvor argumentiert, dass die Forderungen der LGBTI-Aktivist*innen "gegen die Moral" verstießen, daher gefährde eine queere Demo die öffentliche Sicherheit und müsse verboten werden.
Mehr queerfeindliche Attacken aus der Regierung
Langzeitpräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte vor der Wahl im Mai die queerfeindliche Rhetorik verstärkt (queer.de berichtete). Das kam in der Bevölkerung insgesamt gut an – Erdoğan konnte die Wahl gegen Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu, den der autoritäre Präsident mehrfach als Mitglied der LGBT-Community beschimpft hatte, gewinnen. Pride-Demonstrationen werden bereits seit Jahren in der Regel verboten, so auch wieder im Juni. Aktivist*innen, die trotzdem für ihre Rechte auf die Straße gingen, wurden festgenommen (queer.de berichtete).
Zudem plant die Regierung, auch in der Schule der angeblich um sich greifenden "LGBT-Propaganda" entgegenzuwirken. Bildungsminister Yusuf Tekin sagte erst am Montag in einem TV-Interview, dass er den Schulkurs "Die Familie in der türkischen Gesellschaft" einrichten wolle. Damit solle Homosexualität "bekämpft" und den Schüler*innen die "Werte dieses Landes" beigebracht werden.
In der Türkei ist Homosexualität seit 1858 legal, allerdings ist in der Bevölkerung Queerfeindlichkeit weit verbreitet. Laut einer Umfrage des Pew Research Center im Jahr 2020 erklärten etwa nur 25 Prozent der türkischen Bevölkerung, dass Homosexualität akzeptiert werden sollte (queer.de berichtete). Die Akzeptanz ist höher unter gebildeten Personen (41 Prozent) und jungen Menschen (34 Prozent). Niedriger als in der Türkei ist die Akzeptanz auf dem europäischen Kontinent nur in der Ukraine und Russland. (dk)















