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Interview

Georgiana und Mihaela vs. der rumänische Staat

Im Mai wurde Rumänien vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare verurteilt. Wir sprachen mit zwei der Kläger*innen über die wegweisende Entscheidung und was sie konkret bedeutet.


Georgiana Tucan (li.) und Mihaela Pop sind zwei der 42 Kläger*innen, die eine Verurteilung Rumäniens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erkämpft haben – wegen mangelnden Schutzes für queere Partnerschaften (Bild: privat)
  • Von Maurice Prior
    16. September 2023, 03:17h 5 Min.

Georgiana Tucan und Mihaela Pop sind seit fünf Jahren ein Paar. Heiraten dürfen sie in ihrer rumänischen Heimat nicht, weil sie zwei Frauen sind. Weil es für gleichgeschlechtliche Paare keinerlei rechtliche Anerkennung gibt, haben sie den rumänischen Staat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verklagt und Ende Mai Recht bekommen (queer.de berichtete).

Im Interview erzählen sie, wie es zum Urteil kam und was die Entscheidung für ihr Leben bedeutet.

Wie wichtig war der 23. Mai 2023 für euch?

Mihaela: Dieser Tag bedeutet die Welt für uns. An diesem Tag kam das Urteil. Darauf haben wir lange gewartet.

Georgiana: Das ist ab jetzt der zweite Jahrestag in unserer Beziehung. Wir werden diesen Tag noch sehr lange feiern.

Warum ist dieses Urteil so ein Meilenstein? Was ändert sich konkret für euer Leben?

Mihaela: Wir wollen so schnell wie möglich heiraten. Davon träumen wir schon seit Langem, aber bis jetzt gibt es in Rumänien keine Ehe oder eingetragene Partnerschaft für queere Paare.

Georgiana: Wir haben unsere Hochzeit schon genau geplant. Wir wollen nicht im Rathaus heiraten, sondern unter freiem Himmel. Vielleicht in einem Park, auf jeden Fall hier in Brașov, wo wir zusammen leben.

Mihaela: Ja, wir wollen ganz viele Gäste einladen. Unsere Familie, Freunde, alle aus der Community, die uns unterstützt haben. Das wird eine Riesenparty!

Noch ist das Urteil ja nicht rechtskräftig. Wie sicher seid ihr euch, dass der rumänische Staat das Urteil auch wirklich umsetzt?

Georgiana: Wir warten darauf, dass das Urteil rechtskräftig wird und hoffen einfach das Beste.

Hintergrund

Der rumänische Staat hat eine Revision des EGMR-Urteils beantragt. Nun beurteilt eine zweite Kammer, bestehend aus fünf Richter*innen, ob die Entscheidung noch einmal geprüft wird und gibt dann ein finales Urteil ab. Ob das dann auch umgesetzt wird, überwacht das Ministerkomitee des Europarats.

Was ist denn der Unterschied zwischen einer rechtlich anerkannten und einer nicht anerkannten Partnerschaft?

Mihaela: Das betrifft ganz viele Lebensbereiche. Falls Georgiana zum Beispiel arbeitslos werden sollte und ihre Krankenversicherung nicht mehr bezahlen kann, dann könnte ich sie nicht in meine Krankenversicherung aufnehmen, solange wir nicht rechtmäßig verheiratet sind. Das Gesetz lässt das nur bei Ehepaaren zu, was wir ja rechtlich (noch) nicht sind.

Georgiana: Es gibt etliche weitere Beispiele. Wenn Mihaela im Krankenhaus wäre, würde ich keine Informationen bekommen. Ich würde rechtlich gesehen wie eine Fremde behandelt.

Wie kam es letztendlich dazu, dass ihr vor den EGMR gezogen seid?

Mihaela: Die Initiative kam Ende 2018 von der NGO Accept aus Bukarest. Weil wir beide auch schon lange aktivistisch für unsere Community arbeiten, war für uns klar, dass wir mitmachen – mit 20 anderen gleichgeschlechtlichen Paaren übrigens.

Georgiana: Das Ganze ist dann so abgelaufen, dass wir zuerst zum Rathaus gegangen sind und einen Antrag auf Eheschließung gestellt haben. Der wurde aber abgelehnt. Eine Ehe sei nur zwischen Mann und Frau möglich, wurde uns gesagt. Naja, und dann haben geklagt.


Georgiana und Mihaela: "Wir haben unsere Hochzeit schon genau geplant" (Bild: privat)

Die Richter*innen des EGMR haben in der aktuellen Rechtslage tatsächlich eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention gesehen. Das ist das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Was bedeutet die Klage für euer Verhältnis zu eurem Heimatland Rumänien?

Mihaela: Uns ist die Klage wirklich nicht leicht gefallen.

Georgiana: Nein, wer verklagt schon gerne sein eigenes Land? Das ist ja so als würde man gegen die eigene Mutter vor Gericht ziehen.

Mihaela: Aber was wir verlangen, ist nur, was uns zusteht. Wir wollen endlich die gleichen Rechte haben wie heterosexuelle Paare auch. Wir zahlen genauso Steuern, machen genauso unsere Jobs, also sollten wir als Familie auch genauso geschützt sein.

Ist die rumänische Gesellschaft bereit für diesen Schritt?

Georgiana: Ja, auf jeden Fall. Natürlich behaupten viele Politiker*innen das Gegenteil oder halten sich zumindest zurück mit öffentlicher Unterstützung für die LGBTI-Community. Es gibt insgesamt noch eine Menge Diskriminierung. Queer zu sein ist in Rumänien immer noch mit einem großen Stigma verbunden.

Wie geht ihr um mit diesem Stigma?

Mihaela: Meistens geben wir uns in der Öffentlichkeit als lesbisches Paar zu erkennen. Also wir verstecken uns nicht, sind da ziemlich offen. Wir halten auch Händchen oder küssen uns mal. Aber naja, auf der Straße erleben wir da manchmal leider auch sehr unschöne Dinge.

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Aber ihr lasst euch davon nicht einschüchtern?

Georgiana: Nein. Ich habe keine Angst, vor gar nichts. Es ist unsere Pflicht, für eine Veränderung zu kämpfen. Wo immer wir hingehen, sind wir da ganz offen: Wir sind eine Familie.

Wie blickt ihr in die Zukunft? Wo seht ihr euch in zehn Jahren?

Georgiana: Mein Traum wäre es, den Aktivismus hinter uns zu lassen, weil er nicht mehr nötig ist. Aber das ist nicht gerade realistisch.

Mihaela: Wir wollen in zehn Jahren auf jeden Fall verheiratet sein. Und natürlich eine Hochzeitsreise machen, Europa bereisen, glücklich sein. Mein großer Wunsch ist, dass dieses Urteil unser ganzes Land demokratischer und gerechter macht.