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Interview

Warum stand Anilingus in Ihrem Filmvertrag, Jordan Firstman?

In der satirischen Komödie "Rotting in the Sun" spielt Jordan Firstman eine nur leicht fiktionalisierte Version seiner selbst: einen oberflächlich wirkenden queeren Influencer, der viel übrig hat für Sex und Drogen. Wir trafen den 32-Jährigen in Berlin.


Sexszenen am schwulen Cruisingstrand: Jordan Firstman in "Rotting in the Sun" (Bild: MUBI)

Der Film "Rotting in the Sun", der aktuell exklusiv beim Streamingdienst MUBI zu sehen ist, ist nicht nur eine satirische Komödie, sondern auch ein reizvolles Spiel mit Realität und Fiktion. Denn nicht nur spielt sich der schwule chilenische Regisseur Sebastián Silva darin selbst (Interview mit Silva). Auch sein Hauptdarsteller Jordan Firstman verkörpert eine nur leicht fiktionalisierte Version seiner selbst, nämlich einen oberflächlich wirkenden queeren Influencer, der viel übrig hat für Sex und Drogen.

Wir trafen den 32-jährigen Amerikaner, der darüber hinaus auch als Drehbuchautor ("Search Party" und Schauspieler ("Ms. Marvel") tätig ist, auf ein Glas Wein und einen Kaffee in Berlin, wo er aufgrund seines dort lebenden, italienischstämmigen Boyfriends ohnehin häufig anzutreffen ist.

Jordan, Sie und Ihr Regisseur Sebastián Silva spielen in "Rotting in the Sun" Versionen Ihrer selbst. Fand Ihr echtes Kennenlernen genau wie im Film auch nackt im Meer vor Mexiko statt?


Poster zum Film: "Rotting in the Sun" kann seit 15. September 2023 exklusiv auf MUBI gestreamt werden

Das nicht, aber es war auch eine zufällige Begegnung in Mexiko. Ich hatte da was mit einem Typen, dessen ich-bezogene Persönlichkeit mich sehr an Michael Ceras Figur in Sebastiáns Film "Crystal Fairy & the Magic Cactus" erinnerte. Wir guckten uns den Film dann zusammen an, denn ich teste immer gerne, wie es um die Selbstwahrnehmung und Selbstironie von Kerlen bestellt ist, mit denen ich etwas anfange.

An Sebastián, den ich Jahre vorher einmal kurz bei einem Event kennen gelernt hatte, dachte ich dabei aber eigentlich nicht. Doch am nächsten Morgen führte mein Bekannter seinen Hund Gassi, und als ich ihn eine Viertelstunde später im Park traf, saß er da auf einer Bank und flirtete mit niemand anderem als Sebastián Silva. Ich wusste nicht einmal, dass Sebastián in Mexico City lebte! Jedenfalls versuchte ich dann, cool zu bleiben und nicht wie ein irres Fangirl zu wirken. Im Vergleich zu meiner Figur im Film habe ich ein bisschen mehr Takt und Anstand.

Trotzdem entstand aus dieser Zufallsbegegnung nun der gemeinsame Film…

Ja, ich schlug dann vor, ob wir uns nicht mal zum Essen treffen wollen. Taten wir dann auch, allerdings kann man nicht gerade behaupten, dass wir an dem Abend wirklich eine gemeinsame Wellenlänge hatten. Deswegen war ich sehr erstaunt, als er sich vier Wochen später meldete und mir die Idee für den Film präsentierte.

Stimmt es, dass er dabei ziemlich unhöflich war und so etwas sagte wie: Ich finde furchtbar, was Du als Influencer online machst, und über so einen Idioten will ich einen Film drehen?

Sagen wir es mal so: Sebastián ist ein ziemlich spezieller Typ. Und wenn ich Interviews mit ihm lese, dann klingt das in der Regel sehr viel unverschämter als in echt. Denn eigentlich ist er recht charmant, selbst wenn die Worte, die er ausspricht, bei Licht betrachtet unhöflich sind. Er meint das jedenfalls nie wirklich böse, eher witzig. Aber ja, etliche meiner Videos findet und fand er wirklich oberflächlich und peinlich – und seine Idee war, dass ich im Film die schlimmste Version meiner selbst spiele.

Angst davor, dass die Grenzen zwischen der Kunstfigur im Film und Ihnen selbst verschwimmen, hatten Sie nicht? Oder davor, dass nun alle denken, Sie seien tatsächlich so wie der Jordan Firstman in "Rotting in the Sun"?

Nein, ich erkannte sofort, wie viel Spaß mir dieses Projekt machen würde. Vor Jahren hatte ich in einem Kurzfilm namens "Call Your Father", den ich selbst geschrieben und inszeniert habe, auch schon mal eine fiktionalisierte Version meiner selbst gespielt. Von daher wusste ich, wie witzig das ist – und dass ich das ganz gut von der Realität loslösen kann. Seien wir mal ehrlich: ich bin seit zwölf Jahren auch Comedy-Autor, entsprechend kenne ich mich mit Humor und Performance aus. Dass es jetzt ein paar Leute geben mag, die alles, was sie in "Rotting in the Sun" sehen, für echt halten, damit kann ich leben. Wenn man durch Instagram bekannt wird, ist man ohnehin daran gewöhnt, dass es immer jemanden gibt, der glaubt, mich wirklich zu kennen nur dank irgendwelcher dort gezeigten Clips.

Gar nicht Instagram-tauglich sind auf jeden Fall die vielen Penisse, die in "Rotting in the Sun" zu sehen sind. Ihrer eingeschlossen. Davor sind Sie nicht zurückgeschreckt?

Im Gegenteil! Irgendwas mit realem Sex wollte ich schon lange einmal drehen, seit ich mal einen französischen Schwulenfilm von 1979 gesehen habe, so eine Art Kunstporno. Leider fällt mir der Titel nicht mehr ein. Mich hat das total beeindruckt, wie da Einsamkeit, schwuler Alltag und Erotik zusammenkamen – und sich das einfach echt anfühlte. Man hatte mich auch schon mal gefragt, ob ich nicht einen Hardcore-Porno schreiben und inszenieren wolle, für die Firma Brazzers. Aber die sind ziemlich problematisch und mein Team war vehement dagegen. Außerdem fand ich es ohnehin viel spannender, einen Spielfilm zu drehen, in dem ganz selbstverständlich auch Nacktheit und Sex dazugehören. So viel Porno, wie in unserer Gesellschaft jeden Tag konsumiert wird, finde ich es fast schräg, wie schockiert manche nun von ein paar Szenen in unserem Film sind. Zumal die ja ganz bewusst für die Handlung völlig nebensächlich sind und einfach nur ganz selbstverständlich zum Alltag dieses Jordan Firstmans gehören.

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Auf jeden Fall interessant, dass Ihr Team dieses Mal keinen Einspruch eingelegt hat. Immerhin sieht man Sie unter anderem beim Oralsex, der definitiv nicht nur angedeutet ist…

Ehrlich gesagt war ihnen vermutlich nicht klar, wie explizit der Film am Ende tatsächlich werden würden. Und wir haben ja auch einiges gedreht, was nun im fertigen Film gar nicht zu sehen ist. Meine Anwältin fragte mal nach, weil sie eine Klausel für Nacktszenen in meinen Vertrag einbauen musste und es da um Worte ging, die sie noch nie gehört hatte. Anilingus zum Beispiel. Aber sie wollte nur wissen, ob mir das wirklich alles recht ist. Ich kann jetzt nicht leugnen, dass ich nicht am ersten Tag, als eine dieser Szenen gedreht wurde, auch ein wenig nervös war. Allerdings half es mir, dass ich genau an der Stelle eines Cruising-Strands in Oaxaca einen geblasen bekam, an der ich genau das ohnehin schon mal erlebt hatte! Und was ich ohne Frage nach diesen Dreharbeiten sagen kann: Mein Respekt vor Pornodarsteller*innen ist seither nur noch mehr gewachsen.

Wurden Sie denn eigentlich auch schon mal am FKK-Strand so dreist angesprochen, wie Sie es im Film nun mit Sebastián Silva tun?

In der Realität sind nicht wenige Leute noch viel unverschämter als ich es im Film bin. Erst vor zwei Wochen wieder hier in Berlin in einer Sauna. Wahrscheinlich wäre das nicht der Fall, wenn ich irgendein Hollywoodstar wäre, den man nur von der Leinwand kennt. Da gäbe es dann eine Distanz, die halt fehlt, wenn mich jemand aus meinen Insta-Videos kennt und als einen seiner Freunde betrachtet. Einmal kam während eines Dinners ein Mädel zu mir und leckte, ohne zu fragen, mein Gesicht ab. Es gibt wirklich ziemlich viele schräge Leute da draußen!

Infos zum Film

Rotting in the Sun. Komödie. USA 2023. Regie: Sebastián Silva. Cast: Jordan Firstman. Sebastián Silva, Catalina Saavedra. Laufzeit: 109 Minuten. Sprache: englisch-spanische Originalfassung. Untertitel: Deutsch (optional). Seit 15. September 2023 bei MUBI
Galerie:
Rotting in the Sun
11 Bilder