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Interview
Wilhelmine, wie fühlst du dich als lesbisches Role Model?
Mit dem Song "Meine Liebe" outete sich die Berliner Sängerin Wilhelmine 2019 als homosexuell. queer.de sprach mit ihr beim "Superbloom"-Festival über die Reaktionen, lesbische TV-Formate wie "Princess Charming" und ihr Lebensmotto.

Wilhelmine veröffentlichte 2022 ihr Debütalbum "Wind". Die 1990 geborene Sängerin wuchs in einem besetzten Haus in Berlin-Kreuzberg auf (Bild: Shauna Summers)
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19. September 2023, 06:03h 7 Min.
Im Vergleich zu Jason Derulo und den Imagine Dragons zählt Wilhelmine (33) vermeintlich zu den unbekannteren Acts des "Superbloom"-Festivals, doch auch sie konnte schon große Erfolge verzeichnen. Ihr 2022 erschienenes Album "Wind" (Amazon-Affiliate-Link ) landete beispielsweise auf Platz zehn der deutschen Charts – und insbesondere in der queeren Community gilt sie als gefeierter Star.
Dass auch sie, die als "quirlige, immer happy Person" bezeichnet wird, mit ihren Alltagssorgen zu kämpfen hat, spricht sie nun ganz offen im Interview an. Unser Reporter Fabian Girschick traf sie Anfang September kurz nach ihrem Festivalauftritt backstage in München.
Wilhelmine, wie geht es dir aktuell? Und was war bisher dein Highlight dieses Sommers?
Mir geht es aktuell sehr gut. Ich habe heute das letzte Festival für diesen Sommer gespielt und freue mich, auf alles was kommt – zum Beispiel meine Tour, die dieses Jahr noch ansteht. Eines der Highlights dieses Sommers war für mich auf jeden Fall der Tag, an dem ich meine Kindheitsfreundin Paula überrascht habe und ihr ein Lied gezeigt habe, das ich für sie geschrieben habe. Das ist ein Tag, der für immer bleiben wird. Zudem habe ich diesen Sommer ein sehr cooles Gartenhaus mit meiner Freundin mitten im Grünen gefunden, welches wir zusammen renovieren. Das ist so ein richtig schöner Rückzugsort und gehört deshalb auch zu den Highlights dieses Sommers.
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Neben dir sind auch viele nationale und internationale Superstars auf dem "Superbloom"-Festival vertreten. Ist es manchmal komisch, dich auf einem Plakat mit Größen wie Jason Derulo zu sehen?
Auf jeden Fall. Das ist wirklich sehr, sehr groß. Auch der Weg zu diesem Interviewraum entlang all der Backstage-Räume mit diesen Namensschildern, die mit demselben Drucker wie meines gedruckt wurden, war krass.
Gibt es denn auch einen Star, von dem du dich selbst als Fan bezeichnen wurdest?
Von den heutigen Acts bin ich ein großer Fan von Cat Burns. Eigentlich hätte ich jetzt Sam Fender gesagt, aber ich bin gerade noch ein bisschen erschüttert, dass er abgesagt hat. Zudem finde ich auch Aurora und Badmómzjay toll, eine Berliner Göre, die so ausspricht, was sie denkt. Jordan (Badmómzjay) und ich haben auch ziemlich parallele Geschichten, drücken diese aber in den unterschiedlichsten Musikrichtungen aus, die wir uns nur hätten aussuchen können. Aber auch von Mayberg und Paula Hartmann bin ich ein großer Fan. Also von wahnsinnig vielen, die auf dem "Superbloom"-Line-up vertreten sind.
Du selbst hast ja auch einige berühmte Supporter*innen wie Jolina Mennen. Was ist das ein Gefühl für dich?
Wie lustig, dass du das sagst. Ich habe Jolina erst vor wenigen Tagen gesehen. Das ist großartig. Also eigentlich geht es mir gar nicht darum, dass es jetzt Prominente sind. Es geht mir darum, dass ich Jolina ansehe und sie sich einfach so doll freut, wenn ich ihr neue Songs zeige. Sie hört die Musik und genießt sie so unendlich sehr. Und dann nutzt sie ihre Plattform, um das den anderen Leuten zu zeigen und zu sagen. Und das ist, was ich auch so sehr wertschätze.
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In deinen Songs zeigst du dich ja sehr offen und singst auch über Themen wie dein Coming-out oder eine Alkoholsucht im Freundeskreis. Fällt es dir nicht manchmal schwer, dich so "nackt" zu zeigen?
Also, als ich angefangen habe, Musik zu machen, und mich für diesen Weg entschieden habe, habe ich gemerkt, dass es für mich keinen anderen gibt, als bei meiner eigenen Geschichte zu bleiben. Denn wenn ich dies nicht mache, dann muss ich die ganze Zeit irgendetwas spielen, und das stelle ich mir einfach so anstrengend vor. Und deshalb habe ich mich entschieden, einfach die Karten auf den Tisch zu legen, und das auszudrücken, was mich bewegt und was mir widerfahren ist. Dementsprechend spreche ich auch dunklere Phasen an, weil ich einfach nichts Verstecken möchte. Gleichzeitig ist es manchmal aber schon gruselig, nicht zu wissen, wie die Songs bei den Menschen ankommen.
Wie waren die öffentlichen Reaktionen auf dein eigenes Coming-out?
Ich kann mich jetzt gar nicht daran erinnern, dass ich darüber irgendetwas in einer Zeitung oder so gelesen hätte. Sondern ich habe einfach nur allgemein gemerkt, dass es dafür eine Community gibt, zu der ich jetzt gehören kann. Ganz offen und jetzt offiziell. Nicht nur, dass ich zu Christopher Street Days und auf Demonstrationen gehe und mich zeige und für meine Werte einstehe, sondern ich darf jetzt ein Sprachrohr sein. Das fand ich irgendwie sehr interessant zu sehen, und das hat sich für mich verändert. Und damit habe ich ehrlich gesagt auch nicht gerechnet. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich nicht mehr nur im Publikum stehe, sondern auch auf den Bühnen dieser Paraden singen darf.
Hattest du trotzdem schon mal das Gefühl, dass dir deine sexuelle Orientierung bei deiner Karriere im Wege stand?

Wilhelmine will mehr über ihre Ängste singen (Bild: Nadja Aumueller)
Das ist eine gute Frage, die hat mir noch nie jemand gestellt. Aber die finde ich sehr gut. Also ich würde schon sagen, dass wir in der Musikindustrie einfach sehr viele Schubladen haben. Und ich habe die aufgemacht. Ich wollte es direkt mit dem ersten Lied machen und nicht irgendwie später, damit man mir dann nicht sagen kann, ich hätte es nicht von Anfang an gesagt. Ich wollte es halt so offen wie möglich sagen. Aber um deine Frage zu beantworten, ob mir meine sexuelle Orientierung schon mal im Wege stand. Früher dachte ich das und habe mich versteckt. Ich glaube aber, das ist ein ganz normaler Prozess des Coming-outs, dass man so langsam aus dem Schrank kommt. Ich glaube, jetzt ist es einfach nur noch die Mikrohomophobie, die ich im Alltag mit meiner Partnerin erlebe. Das hat aber nichts direkt mit meinem Beruf zu tun, würde ich sagen.
Was hältst du davon, wie die lesbische Community in der Öffentlichkeit präsentiert wird – zum Beispiel anhand von "Princess Charming"?
Ich muss sagen, dass ich die erste Staffel deutlich inklusiver als die zweite fand. Da hat der Sender dann wieder so ein bisschen zurückgerudert. Da wurden dann trans Personen und non-binäre Personen rausgeschnitten oder sogar abgelehnt, weil der Sender sich dann, glaube ich, doch wieder ein bisschen klarer positionieren und im sozialisierten-weiblichen bleiben wollte. Ich finde, da geht noch was. Wenn ich mich in der Community umschaue, gibt es so viele tolle Personen, die sich aktuell selbst noch die Kamera geben und sich zeigen. Ich habe das Gefühl, es gibt aktuell noch nicht so viele Sender, die das verstehen, wie wertvoll das ist, und wie großartig unsere Community ist. Ich habe das Gefühl, dass die herausragenden Personen aus der Community sehr erfolgreich auf den sozialen Medien sind, weil sie es einfach selbst machen.
Zurück zu deiner Musik: Gibt es noch Themen, über die du noch Songs schreiben möchtest?
Ich habe erst ganz viele neue Songs geschrieben und mir diese vor wenigen Tagen gemeinsam mit meinem Team angehört und geguckt, in welche Richtung diese gehen, was ich sagen möchte und was ich gesagt habe. Ich werde häufig als quirlige, immer happy Person beschrieben, die irgendwie so rumspringt. Das ist so ein bisschen die Außenwahrnehmung, die mir mal gespiegelt wurde. Es gibt aber Dinge, vor denen ich Angst habe, die mich klein machen oder mit denen ich mich selbst kleiner mache. Und die sind im Jetzt. Ich habe viele Dinge bearbeitet, die in der Vergangenheit waren. Und für mich ist das herausfordernd, im Jetzt zu sagen, was ich auch trotzdem immer noch für Schwierigkeiten und Unsicherheiten habe. Dass ich mich unendlich vergleiche und dass das anstrengend ist. Und dass ich eher gucken möchte, dass meine Kunst dazu aufruft, dass Vergleiche mich nicht verschonen, auch wenn ich von außen gelesen erfolgreich bin. Und über diese Alltagsdämonen möchte ich reden.
Zum Abschluss: Hast du eigentlich ein Lebensmotto?
Also die Frau, bei der ich großgeworden bin, die nicht meine leibliche Mutter ist, hat immer gesagt: In der Ruhe liegt die Kraft. Und das finde ich ganz gut.
Links zum Thema:
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» Homepage von Wilhelmine
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