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Im Konrad-Adenauer-Haus

CDU: Mit Querfront-Aktivistinnen gegen Selbst­bestimmungs­gesetz?

Im Berliner Konrad-Adenauer-Haus wollen CDU-Politiker*innen mit einer "Gender Critical"-Aktivistin über das Selbstbestimmungsgesetz diskutieren. Kritik an dem Podium ignoriert die Bundespartei, hält an der Veranstaltung fest.


Das LAZ war Teil einer Aktion von 25 Anti-Trans-Aktivistinnen in Berlin unter dem Namen "Real Dyke March" (Bild: jk)

Wie weit nach rechts lässt sich die Union im Widerstand gegen das Selbstbestimmungsgesetz treiben? Nach queer.de-Informationen will sich die Partei am 27. September mit fragwürdigen Gäst*innen zu einer Podiumsveranstaltung in Berlin treffen. Stattfinden soll die aber nicht irgendwo, sondern im Berliner Konrad-Adenauer-Haus, der Bundesgeschäftsstelle der CDU.

Doch damit konfrontiert, dass sich das involvierte "Lesbische Aktionszentrum LAZ reloaded XX" in einem politischen Milieu bewegt, welches wiederum mit querfrontlerischen Umtrieben und sogar Hitler-Verehrung auf sich aufmerksam gemacht hat, reagierten weder das Konrad-Adenauer-Haus noch der Generalsekretär und Vize der Bundespartei, Carsten Linnemann. Presseanfragen vom Mittwoch blieben unbeantwortet. Kritik kommt von der linken Queersprecherin Kathrin Vogler und der grünen Abgeordneten Nyke Slawik.

Mit zwei X-Chromosomen gegen trans Frauen

Als Veranstalter*innen des Podiums treten die Berliner Frauen Union und die Berliner Kreisverbände der Lesben und Schwulen in der Union auf. Tendenziöser Titel: "Selbstbestimmung des Geschlechts: wie, warum, für wen und Geschlechterwechsel einmal pro Jahr?" Für die Bundespartei soll die Abgeordnete im Bundestag Mareike Lotte Wulf mitdiskutieren. Hinzu kommt der LSU-Landesvorstand René Powilleit.

Über das Gesetz plaudern wollen die beiden mit Gunda Schumann. Die ist Vorständin beim Lesbischen Aktionszentrum LAZ reloaded XX, wobei die beiden "X" für X-Chromosomen stehen – schon im Namen ein deutlicher Hinweis für die vor allem gegen trans Menschen gerichtete, biologistische Stoßrichtung des 2018 gegründeten Berliner Vereins. Seither hat sich die Gruppe in das deutsche und internationale Netzwerk ähnlicher Vereinigungen eingereiht und in Kooperation mit anderen Gruppen transfeindliche Aktionen durchgeführt.

Zudem ist eine "betroffene Mutter" für das Podium angekündigt. Eine transgeschlechtliche Mutter, die unter dem so oft für verfassungswidrig erklärten Transsexuellengesetz leidet? Oder nicht eher doch eine Frau, die die Transgeschlechtlichkeit ihres Kindes nicht akzeptiert?

Enge Zusammenarbeit des LAZ mit "Lasst Frauen sprechen"

Am 23. Juni diesen Jahres waren Mitglieder des Lesbischen Aktionszentrums bei einer transfeindlichen Demonstration unter dem Motto "Real Dyke March" in Berlin dabei. Mit sich führten sie ein professionell angefertigtes Hochbanner mit LAZ-Logo und der Aufschrift "Lesbe = Erwachsene Homosexuelle Frau". Es ist eine offensichtliche Anspielung an den von Kelly-Jay Keen-Minshull geprägten Slogan "woman = adult human female", der zum Motto der "Gender Critical"-Bewegung geworden ist.

Die Britin ist Gründerin, Frontfrau und Aushängeschild der international tätigen, transfeindlichen "Let Women Speak"-Initiative. Anhängerinnen der Gruppierung waren auf besagter Berliner Demonstration ebenfalls mit englisch- wie deutschsprachigen Fahnen vertreten.

Und: Das LAZ führte bereits in der Vergangenheit mehrmals Aktionen zusammen mit dem deutschen Ableger von "Lasst Frauen sprechen" durch, wie es auf seiner eigenen Webseite dokumentiert. "Lasst Frauen sprechen" wiederum führt das LAZ als Kooperationspartner, weist auf die die ablehnende LAZ-Stellungnahme von Gunda Schumann zum Selbstbestimmungsgesetzes hin, in der es als "Männerrechtsgesetzentwurf" verrissen wird.


"Let Women Speak"-Anhänger*innen auf der transfeindlichen Demo am 23. Juni, mit auf dem Bild: Schilder des LAZ (Bild: jk)

"Let Women Speak"-Anführerin Keen-Minshull hat mit ihren häufig schrillen Auftritten im Netz und auf der Straße in vielen Ländern der Erde bereits für große Aufmerksamkeit gesorgt. Im März rückten etwa im australischen Melbourne 15 schwarz gekleidete Neonazis zur Unterstützung einer "Let Women Speak"-Kundgebung an. Mit dabei: Ein Banner mit der Aufschrift "Stop Paedo Freaks" – gemeint waren transgeschlechtliche Frauen. Und weil das wohl noch nicht reichte, zeigten die Nazis vor dem Parlament des Bundesstaates Victoria kurzerhand noch kollektiv den Hitlergruß.

Die Frau distanzierte sich zwar, doch es ist nicht der erste Nazi-Vorfall in Zusammenhang mit der transfeindlichen "Let Women Speak"-Bewegung: Im Januar diesen Jahres paraphrasierte eine Rednerin im britischen Newcastle – vor einem "Adult Human Female"-Banner stehend – zustimmend und explizit namentlich erwähnend aus Hitlers "Mein Kampf" und führte daran angelehnte antisemitische Verschwörungstheorien zur bloßen Existenz transgeschlechtlicher Menschen auf.

Keen-Minshull, die die Kundgebung durchführte und moderierte, ließ die Rednerin gewähren, das vermeintlich feministische Publikum gab Applaus und johlte über Anfeindungen gegenüber transgeschlechtlichen Frauen – festgehalten ist das auf einem von Keen-Minshull selbst im Netz übertragenen Stream (queer.de berichtete). Widerspruch, ein einordnendes Wort von ihr? Fehlanzeige. Ein anderes Mal lobte sie den britischen rechtsradikalen Mehrfach-Straftäter und Politkader Tommy Robinson.

Und: In ihrem Kampf gegen transgeschlechtliche Frauen forderte Keen-Minshull, die früher unter dem Pseudonym "Posie Parker" auftrat, im Jahr 2021 Männer öffentlich per Youtube-Video dazu auf, mit Schusswaffen ausgerüstet Frauentoiletten zu benutzen, um dort Frauen vor transgeschlechtlichen Frauen "beschützen" zu können.

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"Was ist denn genau 'rechts' und 'links' heute?"

"Let Women Speak" und die "Gender Critical"-Bewegung lassen sich der Strategie der politischen Querfront zuordnen. Ein prominentes Beispiel für dieses Phänomen ist die Querdenken- und Anti-Corona-Maßnahmen-Bewegung. Dass auch das LAZ vom Querfront-Gedanken beseelt zu sein scheint, zeigt auch eine Episode, bei der sich der Verein erst kürzlich innerhalb von Streitereien im "Gender Critical"-Milieu um die richtige politische Ausrichtung positionierte – wieder anlässlich des "Real Dyke March".


Das LAZ bewirbt den "Real Dyke March" auf Facebook. Dessen Werbeslogan könnte auch von Alice Weidel stammen (queer.de berichtete) (Screenshot)

Eine eigentlich mitorganisierende transfeindliche Lesbengruppe distanzierte sich nämlich vom transfeindlichen Marsch, zog ihre Teilnahmezusage zurück. Der Grund: Die Hauptorganisatorinnen hatten, offenbar ohne Absprache, die rechte Autorin Judith Sevinç Basad ("Achtung, Reichelt" "Pleiteticker", "Nius") zur Begleitung als Journalistin und zur Dokumentation der Demo gewonnen. In dem Konflikt verteidigte das Lesbische Aktionszentrum den "Real Dyke March" gegen Kritik an der Zusammenarbeit mit Rechten.

So lässt sich noch heute auf der Webseite des LAZ hierzu nachlesen: "Etwas höchst Irritierendes hat sich am 23. Juni in Berliner Lesbenkreisen zugetragen: Eine lange geplante bundesweite Lesbendemo unter dem Motto 'The Real Dyke March' (TRDM) fand in Berlin statt, wurde aber von einer großen Gruppe der Berliner Lesben boykottiert. Der Grund: Die Organisatorin des TRDM habe die Journalistin, Judith B. eingeladen, die für ein rechtes Magazin (Achtung, Reichelt!) schreibe (…)". Und weiter: "Was ist denn genau 'rechts' und 'links' heute? Wozu dienen diese Begriffe in einer Zeit, in der Lesben, die autonome Räume beanspruchen, als 'transfeindlich' (s. die linke Zeitung 'Neues Deutschland') und als TERFs bezeichnet werden?" In einem Facebook-Posting nach der Aktion ätzte das LAZ gegen die Aktivistinnen, die nicht mit Basad demonstrieren wollten, nannte sie "fundamentalistisch eingestellte Mitakteurinnen" und lobte die Veranstaltung mit "Lesben aus Berlin sowie dem In- und Ausland".

Was CDU und Adenauer-Haus in der queer.de-Anfrage noch nicht vorgelegt werden konnte: Am Donnerstag entschied die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, dass die Handreichung "Wegweiser aus dem Transgenderkult" auf den Index der jugendgefährdenden Medien gesetzt wird (queer.de berichtete).

Verantwortlich für die Verbreitung der 48-seitigen, sich an Eltern wendenden Schrift ist die Initiative "Lasst Frauen sprechen". Sie enthält Kapitelüberschriften wie "Wie deprogrammiere ich ein Kind, das im Transgenderkult gefangen ist?", Aufforderungen wie "Beginne eine Kampagne, um die Effekte der Kultgehirnwäsche rückgängig zu machen!" oder "Führe sie in Radikalfeminismus ein und zeige ihr, dass Unbehagen mit Geschlechterrollen nicht bedeutet, dass du dich körperlich verändern musst" sowie Beispiel-Ansagen wie "In diesem Haus wirst du bei deinem Namen und richtigen Pronomen genannt!" (queer.de berichtete).

Weil das Berliner Register, eine Meldestelle für rechte Vorfälle und Übergriffe, die "Real Dyke March"-Aktion, transfeindliche Aufkleber aus der Bewegung und ähnliches dokumentiert, beschwerte sich Handreichungsautorin Rona Duwe im August auf dem Kurznachrichtendienst "X", klagte, das Register beschäftigte "Transrechtsaktivisten", die "ganz sicher sog. queerfeindliche Übergriffe nicht neutral dokumentieren". Weiterverbreitet wurden die Beiträge der transfeindlichen Aktivistin vom Account des LAZ.

Vogler: CDU bietet Aktivist*innen mit Nähe zu Rechtsextremen Plattform

Das Heranrücken der CDU an die "Gender Critical"-Aktivistinnen bereitet Kathrin Vogler, queerpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, Sorgen. Seriöse Lesben- und Schwulenorganisationen wie die LSU böten transfeindlichen Aktivist*innen mit erwiesener Nähe zu Rechtsextremen eine Plattform, findet sie.

Ebenfalls nicht in Ordnung sei es, dass die Partei dafür sogar ihre Bundesgeschäftsstelle zur Verfügung stellt. "So wichtig es ist, die Diskussion um das Selbstbestimmungsgesetz auch mit denen zu führen, die die geplanten Erleichterungen für trans Menschen kritisch und mit Sorge sehen, muss man doch genau darauf achten, wer sich als Gesprächspartner*in für einen solchen Dialog eignet." Keinesfalls dürfe eine solche Veranstaltung dazu beitragen, "Hass und Hetze gegen Minderheiten als legitime Meinungsäußerung zu adeln".

Vogler verweist auf die eigentlich eindeutige Positionierung der Lesben und Schwulen in der Union, zitiert: "Weit oben auf unserer Agenda steht die Novellierung des Transsexuellen-Gesetzes im Sinne der betroffenen Menschen." Doch ob die Veranstaltung mit Gunda Schumann die Vereinigung diesem Ziel näher bringt, daran habe Vogler "erhebliche Zweifel", wie sie queer.de sagt.

Slawik: Veranstalter*innen haben kein Interesse an Lebensrealitäten

"Es ist nicht ersichtlich, dass bei der Veranstaltung überhaupt eine trans, inter oder nicht-binäre Person, die das Gesetz betrifft, mit eingeladen ist", kritisiert Nyke Slawik aus der Grünenfraktion des Bundestags. "Das lässt mich vermuten, dass die Veranstalter*innen kein Interesse an den Lebensrealitäten der Betroffenen haben, sondern vielmehr auf ihrem Rücken billige rechtspopulistische Politik austragen wollen."

Und: "Alleine der zweite Teil des Veranstaltungstitels 'Geschlechterwechsel einmal pro Jahr?' suggeriert etwas, was weder von den Betroffenen noch im Gesetzentwurf gefordert wird. Bei der sogenannten Sperrfrist im aktuellen Gesetzentwurf ging es den Verfasser*innen vielmehr darum, Missbrauch durch Menschen, für die das Gesetz nicht bestimmt ist, zu verhindern." Slawik verweist darauf, dass die großen Frauenverbände wie der Deutsche Frauenrat, der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, pro familia, der Juristinnenbund und viele weitere "ganz ausdrücklich" ein "progressives Selbstbestimmungsgesetz" unterstützten.

In Teilen der Union beobachtet die Abgeordnete eine "besorgniserregende Entwicklung", was sich etwa an Äußerungen des Parteichefs Friedrich Merz oder beim US-Besuch von Dorothee Bär, Andreas Scheuer und Florian Hahn beim republikanischen Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, zeige. Slawiks Hoffnung: Stimmen in der Union, die "nicht für solche Stimmungsmache und Hetze gegen bereits marginalisierte Gruppen zu haben sind", sollten lauter werden, sich "klar und deutlich gegen diesen Kurs wenden".