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Kommentar

SBGG: Datenschutz­beauftragter watscht Bundes­regierung ab

Die Kritik am Kabinettsentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz reißt nicht ab. Nach der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung hat nun auch der Datenschutzbeauftragte "erhebliche rechtliche Bedenken" angemeldet.


Protestschild beim Berliner CSD: "SBGG nachbessern!" (Bild: IMAGO / Christian Spicker)

Schon der vorangegangene Referentenentwurf zum SBGG vom Mai dieses Jahres hatte heftige Kritik auf sich gezogen. Anstatt sich auf das zu konzentrieren, worum es eigentlich bei diesem Gesetz gehen soll, nämlich eine nicht pathologisierende niederschwellige Zugänglichkeit für einen neuen Vornamen und den richtigen Geschlechtseintrag (Personenstand) für trans, inter und nichtbinäre Menschen zu schaffen, wurden lauter Bedrohungs- und Missbrauchsszenarien wie der Teufel an die Wand gemalt. Stellvertretend aus der Liste der Reklamationen seien die Stichworte Sauna-Debatte, Hausrecht und Verteidigungsfall genannt. Dann kam die Sommerpause.

Mittlerweile saß das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), so die korrekte Bezeichnung, mit am Tisch und hinterließ im Gesetzentwurf heftige Spuren bürokratischer Kontrollwut, um aus dem SBGG – zumindest in Teilen – so eine Art Heimatschutzgesetz zu machen. Was war geschehen? Beeinflusst wohl durch die anhaltende und ungute, weil rechtspopulistisch dominierte Diskussion um das Asylrecht und die steigenden Zahlen bei der Migration, hat man kurzerhand den anspruchsberechtigten Personenkreis radikal eingeschränkt.

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht soll nicht für alle gelten

Der Zugang zu Namens- und Personenstandsänderungen ist nun abhängig vom Aufenthaltsstatus. Nur wer ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis oder eine Blaue Karte der EU (ein Ausweis für Hochschulabsolvent*innen) besitzt, darf sich zum Kreis der Auserwählten zählen. Dass es gerade die geschlechtliche Identität und die damit einhergehende potenzielle Lebensbedrohung ist, die Menschen zur Flucht treibt und aus der sich eine besondere Schutzbedürftigkeit ergibt, wird mal eben unter den Tisch gekehrt.

Die Stellungnahme der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes Ferda Ataman (PDF) ließ nicht lange auf sich warten, und es gab kaum einen Paragrafen, der nicht von ihr kritisch kommentiert wurde. Mit Blick auf den Ausschluss von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit heißt es: "Der Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfasst jede Person. Es hängt somit nicht von der Staatsangehörigkeit oder den Aufenthaltsstatus ab, ob der Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts eröffnet ist." Deshalb sei die Frage erlaubt: Was also zählen grundgesetzliche Garantien im Innenministerium?

Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Zum besonderen Fall wurde der erweiterte Paragraf 13 (Offenbarungsverbot), der nun eine Datenübermittlungspflicht über die Namens- und Personenstandsänderung an insgesamt zehn Sicherheitsbehörden enthält, angefangen vom BKA über Bundespolizei, Verfassungsschutz bis hin zu Hauptzollämtern. Wieder melden sich Bedrohungsszenarien zurück und wird Transidentität in Verbindung mit Kriminalität gebracht: Es könnte sich eine Person mit Hilfe des SBGG der Strafverfolgung entziehen. Als ob es da nicht andere Möglichkeiten gäbe. Der Datenschutzbeauftragte des Bundes Ulrich Kelber findet in seiner kürzlich veröffentlichen Stellungnahme (PDF) jedenfalls klare Worte für so viel Realitätsfremdheit.


Ulrich Kelber ist seit Januar 2019 der Bundesdatenschutzbeauftragte (Bild: Jens Gyarmaty)

Grundsätzlich werde durch die Datenübermittlung "in das Recht der betroffenen Person auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen". Ebenso schwerwiegend sei die fehlende Verhältnismäßigkeit dieser bürokratischen Kontrollwut, weshalb "erhebliche rechtliche Bedenken" geltend gemacht werden. Dass die Verantwortlichen im Innenministerium bestehende Gesetze und Verordnungen – wie etwa das Bundeszentralregistergesetz – nach ihrem Gutdünken interpretieren, lässt tief blicken.

"Die unangeforderte Übermittlung von Meldedaten an Sicherheitsbehörden ist neu und insofern systemfremd", heißt es ebenfalls in der Stellungnahme. Und eine Erweiterung der Übermittlungsfälle, wie es der aktuelle Kabinettsentwurf vorsieht, sei nicht nachvollziehbar. "Es stellt sich die Frage, ob nicht die bisherigen Regelungen ausreichend sind, wonach Änderungen des Geschlechts und des Vornamens ausschließlich Registerbehörden mitgeteilt werden müssen."

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Das Geschlechtskriterium wird gar nicht benötigt

Auch das besondere Interesse am Geschlecht einer Person ist fragwürdig, denn die entsprechenden Register des Bundesamtes für Justiz stützen sich bei der Personenidentifizierung gerade nicht auf das Geschlecht. "Dies ist auch insoweit sachgerecht, da nicht bei jeder Person das Geschlecht ohne körperliche Untersuchung sicher festzustellen ist. Es stellt sich insofern die Frage, inwiefern genau die Sicherheitsbehörden das Geschlechtskriterium zu ihrer Aufgabenerfüllung benötigen."

Die Lektüre der Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten ist so oder so aufschlussreich: Könnte nicht hinter dem, milde formuliert, eigenwilligen Rechtsverständnis des BMI nicht auch ein handfestes Ressentiment gegen trans, inter und nichtbinäre Menschen vermutet werden? Mich würde es jedenfalls nicht überraschen. Was aber mindestens genauso schwer wiegt und jedoch offenkundig ist, dass es mit dem juristischen Sachverstand dort wohl nicht allzu weit her ist.

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