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Trans-Rechte

Echte Selbst­bestimmung: Hoffnung aus dem Bundesrat

Am Freitag steht das Selbstbestimmungsgesetz auf der Tagesordnung der Länderkammer. Mehrere Ausschüsse des Bundesrats verlangen bedeutende Änderungen. Setzen sich Vernunft und Grundrechtsbewusstsein doch noch durch?


Kritik am SBGG-Entwurf der Bundesregierung: Ein Protestschild beim CSD Erfurt fordert "echte Selbstbestimmung" (Bild: IMAGO / Future Image)

Der Bundesrat tritt am Freitag zu seiner 1037. Plenarsitzung zusammen. Na und, ist das was Besonderes? Nein, aber für die trans Community ist das ein erfreulicher Tag. Und warum? Weil es mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen Schritt weitergeht. Auf der Tagesordnung steht als Top 14 der Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften. Wir kennen es als Selbstbestimmungsgesetz, kurz SBGG. Zu beschließen gibt es im konkreten Fall zwar nichts, weil es kein Länderrecht berührt, aber das Gesetzgebungsverfahren gibt dem Bundesrat grundsätzlich die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Das allein wäre noch keinen Kommentar wert. Wirklich aufhorchen lassen hingegen die Empfehlungen, die aus den Bundesratsausschüssen stammen und zusammen mit dem Kabinettsentwurf des SBGG in das Plenum übermittelt wurden. Und was lässt uns da aufhorchen?

Insgesamt fünf Ausschüsse haben Empfehlungen abgegeben, darunter der für das SBGG federführende Ausschuss für Frauen und Jugend. Auffallend, dass gerade die im Kabinettsentwurf neu hinzugekommenen Passagen, die heftig kritisiert wurden und für berechtigten Aufruhr sorgten, nämlich der Ausschluss von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit und die Datenübermittlungspflicht an sämtliche Sicherheitsbehörden, dass also gerade diese Passagen in den Empfehlungen ebenfalls kritisch gesehen werden. Die Empfehlung "streichen" taucht, wenn ich richtig gezählt habe, sechsmal auf und betrifft ganze Paragrafen oder einzelne Absätze, abgesehen von missverständlichen Formulierungen, die noch einer Präzisierung bedürfen. Schon das spricht für sich.

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Gegen Wartezeit von drei Monaten

Komplett zu streichen ist nach Ansicht der Ausschüsse für Frauen und Jugend, für Arbeit, Integration und Sozialpolitik sowie für Familie und Senioren der Paragraf 4, der eine Wartezeit von drei Monaten vorsieht (Erklärungsfrist gegenüber dem Standesamt). Dieselben Ausschüsse haben sich auch für die Streichung des Paragrafen 9 ausgesprochen, der im Spannungs- und Verteidigungsfall keine Namens- und Personenstandsänderungen für trans Frauen vorsieht, weil unterstellt wird, Männer würden im Kriegsfall die Standesämter stürmen, um ihre Geschlechtsidentität zu ändern. Offenbar seien die von trans Frauen nicht zu unterscheiden, oder wie ist das vom Gesetzgeber gemeint? Sollte der Paragraf bestehen bleiben, votieren die Ausschüsse für eine Härtefallregelung. Was nur rechtens sein kann, denn trans ist schließlich keine Freizeitgestaltung, der wir nur in guten Zeiten nachgehen, sondern eine existentielle Frage.

Zu streichen sei auch die Sperrfrist-Regelung im Paragrafen 5, so der Ausschuss für Frauen und Jugend mit dem Argument, hier handle es sich um eine unangemessene Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts von trans und inter Personen. Dem kann ich nur beipflichten, denn eine solche Sperrfrist für eine erneute Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag geht ja von der irrigen Annahme aus, trans Menschen wüssten nicht, was sie wollen und würden ihr Trans-Sein vielleicht nur wie die neueste Mode tragen. Gewiss, Detransition ist eine Realität, aber eine verschwindend geringe, eher schon sind Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen ein möglicher Grund, den Geschlechtseintrag zurückwechseln zu wollen, wie es in der Begründung zu Recht heißt.

Wie soll ich mein Trans-Sein "glaubhaft" machen?

In der Frage der Ernsthaftigkeit, trans zu sein, scheint es in den Ausschüssen allerdings unterschiedliche Bewusstseinslagen zu geben. Im Rechtsausschuss dominiert eine konservative Haltung. Sie vermisst unüberhörbar die bisherige Begutachtungspflicht. Weil aber politisch soweit Konsens zu herrschen scheint, dass eine psychiatrische Begutachtung nicht zu einem diskriminierungsfreien SBGG passt, möchte der Rechtsausschuss wenigstens eine Glaubhaftmachung empfehlen – "einen Nachweis der Ernsthaftigkeit, Wahrhaftigkeit und Beständigkeit". Steht wirklich so drin.

Lieber Rechtsausschuss: Ich lebe seit 47 Jahren als trans Frau und wüsste heute noch nicht, wie ich mein Trans-Sein "glaubhaft" machen sollte, außer dass ich es lebe. Wie macht man etwas Angeborenes glaubhaft? Wenn Sie mir das verraten können, dann wissen Sie jedenfalls mehr als ich. Ja, meine Geschlechtsidentität ist ganz allein mein Wissen. Die Angst vor einem "Standesamt-Tourismus", mit dem wir einmal Jahr unseren Geschlechtseintrag wie eine Urlaubsbuchung ändern lassen, also die Angst vor der "Beliebigkeit" funktioniert nun wirklich nach der Art: Fantasie verlass mich nie. Wo bitte finden Sie solche Befürchtungen in der Realität?

Erwähnenswert ist auch eine Streichung im Paragrafen 6, nämlich dieser unsägliche Passus mit dem Verweis auf das Hausrecht im Zusammenhang mit geschlechtsspezifisch genutzten Räumen (Stichwort Sauna und Frauenhaus). In der Begründung heißt es: "§ 6 Absatz 2 SBGG ist zu streichen, da er mit der besonderen Betonung des Hausrechtes transphobe Einstellungen transportiert und verfestigt, wohingegen es Anliegen des vorgeschlagenen Gesetzes ist, eine diskriminierungsfreie Kultur der Vielfalt zu schaffen." Klare Worte, also weg mit dem überflüssigen und vor allem schädlichen Passus.

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Kritik an Beschränkungen für Ausländer*innen

Mit dem Kabinettsentwurf wurde der zugangsberechtigte Personenkreis zum SBGG wesentlich eingeschränkt. Für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft bedeutet das: Nur mit einem unbefristeten Aufenthaltsrecht, einer verlängerbaren Aufenthaltserlaubnis oder als Inhaber*innen einer Blauen Karte EU (betrifft Hochschulabsolvent*innen) habe man Zugang zur Personenstands- und Namensänderung. Eine klare Verschlechterung im Vergleich zum Referentenentwurf und auch zur bisherigen Praxis. Damit wird ignoriert, dass gerade die geschlechtliche Identität einen Fluchtgrund darstellt und als Grundrechtsschutz zu betrachten ist.

In der Begründung des Ausschusses für Arbeit, Integration und Sozialpolitik heißt es deshalb: "Wie im Referentenentwurf der Bundesregierung vorgesehen, sollten daher alle Personen mit einem Bezug zum deutschen Recht – durch deutsche Staatsangehörigkeit oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland – die Möglichkeiten des deutschen Rechts zur Änderung des Geschlechtseintrags eröffnet werden, dabei aber der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts näher bestimmt werden (etwa über den tatsächlichen Lebensmittelpunkt)."

Diese Empfehlung ist ebenso zu begrüßen wie die, die sich auf die Datenübermittlungspflicht von Namens- und Personenstandsänderungen an sämtliche Sicherheitsbehörden bezieht und die im Kabinettsentwurf des SBGG neu hinzugekommen ist. Die Empfehlung lautet eindeutig: streichen! Denn es sei nicht erkennbar, warum die bestehenden Regelungen dafür nicht ausreichend sein sollten. In dieser Angelegenheit folgt der Ausschuss für Frauen und Jugend der Stellungnahme des Bundesbeauftragten für Datenschutz. Im Übrigen würde die geplante Regelung wohl kaum mit der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung in Einklang zu bringen sein.

Neue Sorge: Kommt das SBGG erst im November 2025?

Mit einem Knallbonbon meldet sich am Ende der Ausschuss für Innere Angelegenheiten zu Wort. Es geht um die Frage, wann das SBGG in Kraft treten kann. Zuletzt war die Rede von November 2024, was schon mächtig irritierte. Nun wird uns vorgerechnet, nein frühestens November 2025. Und warum? Weil die Datenverarbeitung bei den Standesämtern bei Neuprogrammierungen ein ziemlicher müder Verein ist. Und da wundern wir uns über den Digitalisierungsstau in der Bundesrepublik.

Dennoch: Alles in allem stimmt mich die Lektüre der Ausschuss-Empfehlungen zwar nicht überall, aber doch in großen Teilen recht hoffnungsfroh, denn erkennbar wird, dass dort Vernunft und Grundrechtsbewusstsein Hand in Hand gehen – also genau das, was geschlechtliche Selbstbestimmung braucht. Nächste Station im Gesetzesfahrplan: erste Lesung im Bundestag. Es bleibt spannend.

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