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Interview
Warum ist "Homo-Heilung" noch immer aktuell, Paul Ahrens?
Jetzt schon in der Mediathek: In der neuen ZDF-Miniserie "Was wir fürchten" spielt Paul Ahrens einen Pfarrerssohn aus dem Schwarzwald, der sich freiwillig einer "Konversionstherapie" unterzieht, um von seiner Homosexualität "geheilt" zu werden.

Simon Schneider (Paul Ahrens) ist im Waldhaus angekommen, in dem die "Konversionstherapie" stattfindet. Er fühlt sich einsam (Bild: ZDF / Jan Hromadko)
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21. Oktober 2023, 11:57h 5 Min.
Paul Ahrens wird 2002 in Hamburg geboren. Bereits zur Schulzeit wirkt er in Theaterproduktionen mit. Als Hobby-DJ Sascha Belin, der in seinen besten Kumpel Ismail verknallt ist, erlebt man Paul Ahrens in der Kult-Serie "Druck", die auf Youtube und in der ZDF-Mediathek zu sehen ist.
Nach "Polizeiruf 110 – Seine Familie kann man sich nicht aussuchen" und "Tatort – Katz und Maus" kommt der Schauspieler nun in der Miniserie "Was wir fürchten" ins Pantoffelkino. Er spielt einen sensiblen Pfarrerssohn aus dem Schwarzwald, der sich freiwillig einer sogenannten Konversionstherapie unterziehen will, um von seiner Homosexualität "geheilt" zu werden.
Alle sechs Folgen können bereits in der ZDF-Mediathek gestreamt werden. ZDFneo zeigt sie am Dienstag, den 31. Oktober 2023, ab 22.20 Uhr zum Binge-Watching.
Dieter Oßwald hat sich mit Paul Ahrens über die Horror-Mystery-Serie unterhalten.
Herr Ahrens, Sie wurden bekannt durch die Jugendserie "Druck". Dort hatten Sie sich in einen anderen Jungen verliebt – zumindest wurde das heftig diskutiert in sozialen Medien. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Sascha ist sicher verliebt in seinen besten Kumpel Ismail. Gleich zu Beginn gibt es da einen ersten Funken – der gegen Ende dann eventuell noch überspringt. (lacht) Gefühle sind da auf alle Fälle im Spiel.
"Druck" gilt als ziemlich coole Serie. Wie wirkt sich das auf die Bekanntheit aus?
Es gab schon ein paar Veränderungen, seit die Serie auf Sendung ging. Wenn ich mit Freunden rausgehe, werde ich tatsächlich manchmal angesprochen, schließlich sind wir dieselbe Altersgruppe.
Wie behält man die Bodenhaftung bei Selfie-Anfragen und Schulterklopfen?
Das geht fast automatisch, weil Leute, die "Druck" schauen, ziemlich coole Leute sind. Die sind alle entspannt und sehr nett – zumindest war das nach meinen bisherigen Erfahrungen so. Insofern sehe ich da keine großen Gefahren, die Bodenhaftung zu verlieren.
In der aktuellen Mini-Serie "Was wir fürchten" geht es nicht um das Verlieben, sondern das Verhindern von schwuler Liebe. Ihre Figur will sich einer sogenannten Konversionstherapie unterziehen, um Männer zu vergessen. Was hat Sie an dem Thema interessiert?
Vor diesem Film war mir gar nicht bewusst, dass dieses Thema eine solch extreme Aktualität besitzt, gerade auch in Deutschland. Bislang hatte ich "Konversionstherapie" nur mit den USA in Verbindung gebracht. Je mehr ich mich im Vorfeld damit beschäftigte, desto schockierter bin ich gewesen. Umso wichtiger finde ich, solche Geschichten zu erzählen und diese Themen zu behandeln.

Um seine Homosexualität zu "überwinden", soll Simon (Paul Ahrens, r.) unter anderem ein Schießtraining bei Paul Müller (Jürg Plüss, l.), dem Vater eines Mitschülers, machen (Bild: ZDF / Jan Hromadko)
Wie sah die Beschäftigung mit dem Thema aus? Haben Sie Betroffene getroffen?
Unser Regisseur war im Vorfeld im Austausch mit einem Mann, der die "Konversionstherapie" durchlebt hat. Von diesen Gesprächen hat er mir zur Vorbereitung erzählt. Zudem habe ich mich intensiv mit Dokumentationen und Reportagen zu dem Thema beschäftigt. Das alles hat mir sehr geholfen, diese Geschichte und die Situation von Simon besser zu verstehen. Sehr empfehlen kann ich die Dokumentation "Pray Away", in der die Auswirkungen dieser Therapie eindrucksvoll geschildert werden.
Wie viele Schnittmengen gibt es zwischen der Figur Simon und seinem Darsteller Paul? Oder benötigen Sie keine Ähnlichkeiten?
Es war für mich spannend, in der Vorbereitung die Schnittmengen zwischen den Emotionen zu finden. Schließlich habe ich diese Art von Therapie ja nicht durchlebt, sondern musste nachempfinden, wie es Simon dabei ergeht. Das war ein sehr intensiver Prozess.
Intensiv und zugleich auch intim. Simon wird vom Seminarleiter aufgefordert, sich auszuziehen. Hatten Sie für solche Szene einen Intimacy-Coach dabei?
Ich bin ein großer Befürworter von diesem Beruf. Wir hatten dabei mit Julia Effertz gearbeitet, eine der ersten Intimitätskoordinatorinnen in Deutschland. Es war großartig, sie an unserer Seite zu haben, und es hat sehr geholfen bei diesen Szenen. Der entscheidende Vorteil mit Intim-Koordination liegt darin, dass man eine gewisse Distanz bekommt. Man hat ein sicheres Umfeld, in dem man arbeiten kann. Das ist wie eine Tanz-Choreografie. Man baut die Emotion auf, lässt die Gefühle aber nicht unbedingt an sich heran.
Mit welchen Gefühlen sehen Sie sich in solchen Szenen im fertigen Film?
Bei dieser Serie war das Anschauen dieser Sequenzen für mich überhaupt kein Problem, weil wir ein gutes Arbeitsumfeld beim Drehen hatten. Ich hatte ähnlich Szenen in einem anderen Film ohne Unterstützung eines Intimacy-Coaches gedreht, da empfand ich das Anschauen weitaus unangenehmer.

Zur "Konversionstherapie" gehört auch ein Ausflug in den Wald. Simon findet das alles sehr befremdlich (Bild: ZDF / Jan Hromadko)
Was ist für Sie die wichtigste Qualität im Schauspiel-Beruf?
Ganz wichtig ist, dass man sich in Situationen einfinden kann. Und eine gewissen Offenheit mitbringt für Gefühle.
Können Sie alles spielen? Oder gibt es Grenzen für Rollen?
Ich bin jedenfalls sehr bereit, mich auszuprobieren. Und freue mich, auf möglichst verschiedene Rollen.
Was halten Sie von der Forderung, wonach queere Rollen nur von queeren Menschen gespielt werden sollen. Ist das noch aktuell oder schon überholt?
Es fällt mir schwer, mich da zu positionieren, weil ich beide Seiten sehr respektiere. Ich finde es wichtig, dass Menschen, ganz egal welche Sexualität sie leben, repräsentiert und gezeigt werden. Das passiert hierzulande noch viel zu wenig in Film und Fernsehen. Wenn queere Rollen nur von queeren Menschen gespielt werden, öffnet das sicher Türen. Dennoch finde ich wichtig, dass der Schauspiel-Beruf sehr variabel ist, schließlich ist es unser Beruf, andere Leben zu darzustellen. Insofern ist die Forderung überholt.
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Sind Sie vorbereitet darauf, dass sich Betroffene nach der Ausstrahlung direkt an Sie wenden? Das war bei "Druck" offensichtlich ziemlich im Trend?
Ja, bei "Druck" war das schon ein Phänomen, weil die Serie sehr nah an den Zuschauern erzählt war. Da wurden oft private Geschichten geteilt, was ich sehr schön fand, weil die Serie offensichtlich Leuten geholfen hat. Was bei dieser Miniserie passiert, bleibt abzuwarten.
Welche Reaktionen auf die Serie würden Sie sich ganz allgemein wünschen?
Mir wäre ganz wichtig, dass die Serie Bewusstsein schafft. Und darüber aufklärt, dass Konversionstherapie eben nicht nur in anderen Ländern, sondern auch bei uns stattfindet. Wenngleich das seit 2020 für Minderjährige verboten ist, ist das Thema längst nicht veraltet, sondern sehr aktuell. Ich hoffe zudem, dass wir mit der Serie Menschen helfen können, die davon betroffen waren oder sind.
Links zum Thema:
» Trailer und alle Folgen von "Was wir fürchten" in der ZDF-Mediathek
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01:50h, ZDFneo:
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Berührender Film über die intensive Freundschaft zwischen Friedrich und Albrecht, zweier vollkommen unterschiedlicher Schüler an der Napola, einer Eliteschule des Dritten Reichs.
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