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Kinostart
Der einsame Pornodarsteller mit dem großen Schwanz
Ganz schön harte Arbeit: Lalo Santos kündigt seinen Werkstatt-Job und spielt stattdessen in einem Porno mit. Die Doku-Fiction "Pornomelancolía" zeigt ein ungnädiges Business ganz vorurteilsfrei. Die Botschaft: Auch Pornostars sind Menschen.

Lalo Santos lässt sich aus finanziellen Gründen auf eine schwule Pornoproduktion ein (Bild: GMfilms)
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1. November 2023, 15:38h 3 Min.
Leuchtstoffröhren, schwere Maschinen, Lalo Santos trägt eine dunkelblaue Arbeiterjacke. Er lässt seine Hose runter, um in diesem hypermännlichen Setting ein paar Selfies von sich zu machen. Dass sein Schwanz nicht gerade klein ist, erkennt man, obwohl das Bild eine Totale ist. "Ich arbeite hart" schreibt er zum Foto, das er auf Twitter hochlädt, so zumindest die freie deutsche Übersetzung. Ein Grinsender-Teufel-Emoji dazu, seine Fans sind begeistert.
Kurz davor hat der Mittdreißiger sich noch mit seinen Kollegen unterhalten. 25 Jahre sei einer von ihnen verheiratet gewesen, 19 Jahre hat der andere geschafft. "Sie hat mich in ihren Fängen", so lautet sein Urteil. Lalo Santos sagt nichts dazu, er lebt in einer anderen Welt. Keine Frau, keine Kinder, Geheimnisse vor der Familie (wobei die Kollegen die sicher auch pflegen).
Lalo Santos ist echter Pornodarsteller

Poster zum Film: "Pornomelancolía" läuft ab 2. November 2023 im Berliner Kino Moviemento. Bundesweiter Kinostart ist erst 2024
Seinen Werkstatt-Job kündigt Lalo Santos, nachdem er eine Anzeige auf Twitter gesehen hat: Porno-Darsteller gesucht. Passt ganz gut, also geht er zum Casting, lässt sich von vorne, hinten, der Seite fotografieren, mit Unterwäsche und ohne. Sein böse-sexy Blick (und nicht nur der) kommt gut an. Er hat die Rolle und darf den mexikanischen Revolutionsführer Emiliano Zapata spielen.
Der Film "Pornomelancolía" begleitet Lalo Santos am Set, in den Pausen, nach den Dreharbeiten. Das Besondere: Der Film ist halbdokumentarisch. Lalo Santos spielt sich selbst, er ist Pornodarsteller, auf Twitter folgen ihm über 200.000 Menschen. Wo genau die Grenze zwischen Fakt und Fiktion verläuft, bleibt jedoch unklar – und das macht den Film so spannend.
Der perfekte Sex vor der Kamera
Und das ist nicht der einzige Kontrast, der den Film durchzieht: "Pornomelancolía" ist kein Porno, sondern ein Film übers Pornomachen. Natürlich gibt es explizite Sexszenen am Set, Lalo Santos' Pausen untermalt häufig ein Stöhnen aus dem Nebenraum. Noch interessanter ist aber, wie der Regisse seine Darsteller anfacht, wenn er etwa ein Loblied auf Pornos singt, vom perfekten Sex vor der Kamera spricht, von seinen besten Orgasmen, die er dank Pornos hatte. Aber er kann auch ungnädig mit seinen Darstellern werden, wenn sie nicht abliefern, wenn sie keinen hochbekomen, wenn sie nicht abspritzen können.
Dieser ganz besondere Film stammt von Manuel Abramovich, der ihn inszeniert, gemeinsam mit Fernando Krapp und Pio Longo geschrieben und selbst gedreht hat. Der Argentinier Abramovich gewann 2019 den Silbernen Bären für seinen Kurzfilm "Blue Boy" über Stricher in der gleichnamigen, mittlerweile geschlossenen, Berliner Kneipe (queer.de berichtete).
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Ersatzfamilie am Porno-Set
Das im doppelten Sinne harte Porno-Business kontrastiert der Film durch seine langen, statischen, ruhigen Einstellungen. Diese Darstellung erzeugt nicht nur eine ästhetische Qualität, sondern verweist darauf, dass Pornodrehs vordergründig noch immer anstrengend bis ausbeuterisch sind, dahinter aber echte Menschen stecken: Der erste Teil des Titels spiegelt sich im Inhalt wider, die Melancholie dafür in den Bildern.
Denn "Pornomelancolía" macht seinem Namen alle Ehre: Lalo Santos ist ein einsamer Mann, trotz oder wegen seiner vielen Follower*innen. Er ist mit der ganzen Welt verbunden, erfährt Bewunderung und Bestätigung, so wirklich scheint das bei ihm aber nicht anzukommen. Mit seinen Kollegen am Set führt er andere Gespräche als mit denen aus der Werkstatt: Es geht um tote Eltern, Armut in der Familie, seine HIV-Erkrankung, von der kaum jemand weiß. Er findet ausgerechnet hier eine Ersatzfamilie. Die Dreharbeiten helfen ihm also, sozial wie finanziell, und es sind solche vorurteilsfreien und zugleich ehrlichen Grautöne, die den Film stark machen.
Pornomelancolía. Doku-Fiction-Porträt. Argentinien, Brasilien, Frankreich 2022. Regie: Manuel Abramovich. Mitwirkende: Lalo Santos, Adrián Zuki, Diablo, Brandon Ley, El Indio Brayan, Netito, Lothar Muller. Laufzeit: 98 Minuten. Sprache: englisch-kastilische Originalversion mit deutschen Untertiteln. Ab 2. November 2023 im Moviemento, Kottbusser Damm 22, Berlin. Bundesweiter Kinostart erst 2024
Links zum Thema:
» Alle Kinotermine im Berliner Moviemento
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