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Kunst

Tribut an die trans Kreativität

Das PalaisPopulaire in Berlin zeigt in einer Einzelausstellung Werke der argentinischen Künstlerin La Chola Poblete, die von der Deutschen Bank als Artist of the Year 2023 ausgezeichnet wurde.


La Chola Poblete, geboren 1989 in Mendoza (Argentinien), ist "Artist of the Year" 2023 der Deutschen Bank. Die Ausstellung "La Chola Poblete: Guaymallén" ist noch bis zum 5. Februar 2024 im PalaisPopulaire zu sehen (Bild: Tomas Wurschmidt © La Chola Poblete)

Es ist nicht gerade so, dass sich trans Künstler*innen in Berlin die Klinke in die Hand geben würden, aber es fällt dennoch auf, wie präsent sie mittlerweile in Galerien und Museen geworden sind. Ganz offensichtlich hat die Berliner Kunstszene trans auf dem Schirm. Und hier von trans als einem Trend zu sprechen, erscheint mir ausnahmsweise nicht nur akzeptabel, sondern unbedingt begrüßenswert zu sein. Denn dieser Trend enthält ja einen Tribut an das, was ich gerne trans Kreativität nenne. Ich meine damit die Beobachtung eines überdurchschnittlich hohen Anteils kreativer Menschen in der trans Community, als ob Kunst und Leben in besonderer Weise mit dem Trans-Sein verbunden sind. Tatsächlich gehört dazu ein Bewusstsein für den performativen Charakter von Geschlecht.

In den letzten zwei Jahren gab es Gelegenheit, gleich mehrere trans Künstler*innen kennenzulernen: So beispielsweise die aus den USA stammende Ser Serpas und Jade Kuriki Olivo (bekannt unter dem Künstler*in-Namen Puppies Puppies). Beide waren mit aktuellen Arbeiten in der Kreuzberger Galerie Barbara Weiss vertreten. Wobei Letztere das Thema trans in seiner gesellschaftlichen und sprachlichen Relationalität ebenso eindrucksvoll wie herausfordernd visualisierte. Ihre Identität, so sagt Puppies Puppies, sei Teil ihrer künstlerischen Arbeit

Tradition geschlechtlicher Vielfalt bei Yuki Kihara

Die aus Samoa stammende Yuki Kihara wurde im Frühjahr 2022 von der Alten Nationalgalerie Berlin eingeladen, um einen künstlerischen Kommentar zu einer großen Paul Gauguin-Retrospektive beizusteuern. Kihara entstammt einer Kultur, in der man vier Geschlechter kennt und in der das Trans-Sein Normalität besitzt. Vielleicht schaffen wir das auch eines Tages. Es war die Kolonialisierung und Missionierung Polynesiens, die dort die Heteronormativität durchzusetzen versuchte, aber die Tradition geschlechtlicher Vielfalt ist glücklicherweise nie wirklich verschwunden.

Mit Blick auf Gauguin sprach Kihara davon, dass er für sie und ihre Community ein Katalysator sei, "um über unsere Sicht auf die Welt zu reden, aus einem Fa'afafine-Blickwinkel auf die Dinge". (Anmerkung: Fa'afafine ist der traditionelle Begriff für das, was wir mit trans Frau bezeichnen.) Sie war im letzten Jahr auch verantwortlich für die Gestaltung des neuseeländischen Pavillons auf der Kunstbiennale in Venedig, den sie mit ihrem "Paradise Camp" bespielte.

Wenn Körper zu etwas Politischem werden

Aktuell reiht sich nun die Künstlerin La Chola Poblete ein in die Parade der gastierenden trans Künstler*innen – und sie tut dies auf fulminante Weise. Im PalaisPopulaire, dem Ausstellungshaus der Deutschen Bank, sind ihre bildnerischen, fotografischen und skulpturalen Arbeiten noch bis zum 5. Februar 2024 zu besichtigen. Die Ausstellung trägt den Titel "Guaymallén". Das ist der Geburtsort von La Chola, die dort 1989 als indigene Person zur Welt kam. Der Ort liegt im Westen Argentiniens in der Provinz Mendoza. La Chola beschreibt die Gegend rund um Guaymallén als eine "Landschaft mit Olivenbäumen und Weinbergen, mit atemberaubenden Herbsttagen und der immer präsenten, sehr beeindruckenden Gebirgskette der Anden".


Blick in die Ausstellung "La Chola Poblete: Guaymallén" im PalaisPopulaire (Bild: Mathias Schormann © La Chola Poblete)

Davon ist allerdings nichts in ihrer künstlerischen Arbeit wiederzufinden. La Chola geht es vielmehr um das Trans-Sein und um Formen der Weiblichkeit und in welcher Weise Körper gesellschaftlich gesehen und zu etwas Politischem werden. Auch für sie ist ihre Identität ein wesentlicher Teil ihrer künstlerischen Arbeit. In ihren Werken nimmt sie mit Blick auf die Lebensbedingungen in einer patriarchal geprägten Gesellschaft eine zu Recht kritische Haltung ein. Wie sie das ästhetisch umsetzt ist von Vielschichtigkeit gekennzeichnet, in der das Rätselhafte und Verschlüsselte bewusst gewählt ist als Aufforderung, sich damit auseinanderzusetzen.

Es vermischen sich popkultureller Alltag und Mythologisches, religiöse Symbole und Embleme einer kapitalistischen, weiß dominierten Gesellschaft. All das findet sich in den großformatigen Wimmelbildern, durchsetzt mit Zitaten und Sprachfetzen und dazu in zahllosen Varianten karikaturenhaft anmutende Darstellungen von trans Körperlichkeit. Ein wiederkehrendes Motiv sind Frauen mit Penis. Da heißt es beispielsweise: "when they expect me to be a victim, I am a Diva" oder "No se si esperar mucho de un Grindr" (ich weiß nicht, ob ich von Grindr viel erwarten kann).


Virgen de la Carrodilla, 2023 © La Chola Poblete

Diese Wimmelbilder fesseln einen, ziehen uns förmlich ins Bild hinein, indem wir ständig etwas Unerwartetes entdecken und Beziehungen zwischen den Bildelementen herzustellen, sie zu deuten versuchen. Das lustvoll Spielerische überwiegt hier.

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Die Künstlerin als milchspendende Jungfrau Maria

Eine deutlichere, ironisierende Sprache findet La Chola in den großformatigen, erotisch aufgeladenen Fotografien, die Macht und Unterwerfung thematisieren. Da sehen wir beispielsweise die Künstlerin mit entblößtem Oberkörper hinter einer Fleischtheke stehen, dahinter aufgereiht an Haken große Fleischstücke.

Der Bildtitel lautet "la virgen de la leche" – in der religiösen Bildtradition meint das die milchspendende Jungfrau Maria, die Näherende. Und tatsächlich sehen wir im großen Bogen einen Milchstrahl, der von der einen Brust direkt in den Mund eines vor der Theke knieenden Mannes geht. Dieser junge Mann im weißen Hemd und mit Krawatte und Aktentasche ist in seinem Outfit unschwer als Mormone auf Missionstour erkennbar. La Chola zitiert unentwegt Religiöses in ihren Arbeiten, verfremdet es und lässt so immer wieder Sinn für einen bizarren Witz erkennen.


Virgen de la leche, 2023 © La Chola Poblete

In einem gelb gehaltenen Raum dominiert hingegen das Kultische: Aus Brotteig ist der Oberkörper einer weiblichen Figur geformt und steht mitten im Raum auf einem Gestell, durchbohrt von Eisenstangen. Auf dem Boden befindet sich rundum ein breiter Saum aus Kartoffelchips. Aus Brotteig gebacken sind auch Masken oder eine liegende weibliche Figur, deren Leib geöffnet ist.

Die Idee, Teig zu verwenden, ist bei La Chola mit der Vorstellung des unmittelbar Schöpferischen verbunden, nämlich eine Art Monster buchstäblich zu erschaffen, einen Golem, wie sie in einem Interview äußerte. Hier spielen unverkennbar volksreligiöse Motive hinein, auch Dämonisches, wie auch ihre Verwurzelung mit indigener Kultur, der sie angehört. Das Verstörende ist Teil des künstlerischen Konzepts, denn es geht um Denkanstöße, um Verunsicherung in einem produktiven, erkenntnisorientierten Sinn. Und es geht schließlich auch darum, das trans-Sein und seine Körperlichkeit als Teil der menschlichen Kultur zu begreifen.

Direktlink | Einführung in die Ausstellung "La Chola Poblete: Guaymallén"
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