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Interview

Sind Sie Fan von Superheld*­innen, Maren Kroymann?

Wir konnten es erst nicht glauben: Die Comicfigur Black Widow wird in der neuen Staffel von "Marvel's Wastelanders" von Maren Kroymann gesprochen. Wie es dazu kam, erklärt die 74-jährige lesbische Schauspielerin im Interview.


Ein Foto aus dem Tonstudio: Maren Kroymann leiht Black Widow ihre Stimme

Frau Kroymann, in der neuen Staffel des Audible-Podcasts "Marvel's Wastelanders" sprechen Sie niemand anders als die legendäre Comicfigur Black Widow. Sagen Sie bloß, Sie sind Superheld*innen-Fan?

Ehrlich gesagt, war ich in diese ganze Marvel-Welt bislang noch nie eingestiegen. Entsprechend abwegig fand ich diese Anfrage erst einmal, auch weil ich Superhelden oder überhaupt das Konzept des Heldentums eigentlich eher blöd finde. Wir sollten nicht andere Menschen vergöttern oder die Verantwortung an irgendwelche Helden abgeben, sondern lieber selbst tätig werden.

Aber dann habe ich nachgedacht, und fand es gar keine schlechte Idee, mich damit doch mal zu befassen. Warum sollte ich nicht auch mal etwas machen, das so richtig Mainstream und sonst so gar nicht meine Art ist? Wobei ich zugeben muss, dass mich auch die Tatsache überzeugt hat, dass die Rolle in der englischsprachigen Fassung von Susan Sarandon und in der französischen von Catherine Deneuve gesprochen wird. Das hat mir definitiv meine Vorurteile genommen.

Konnten Sie denn dieser Sprechrolle schließlich wirklich etwas abgewinnen?

Es war dann schon spannend zu sehen, was das für eine Frauenfigur ist. Diese Helden sind ja im Grunde fast stereotype Charaktere, die ein bisschen wie beim Kasperle-Theater eigentlich relativ festgelegt sind. Aber gerade deswegen bieten sie natürlich auch die Möglichkeit, dass man sie bricht. Genau das ist hier nun bei Black Widow passiert – und das ist dann wieder hochinteressant. Einerseits ist sie zwar die böse Spionage-Killerin, aber andererseits macht sie plötzlich etwas ganz anderes als ihre Auftraggeber von ihr wollen. Sie entwickelt durchaus ein Eigenleben und solidarisiert sich mit anderen Frauen, die sie eigentlich bekämpfen muss. Sie reagiert also total unerwartet und erweitert letztlich das Spektrum an Heldentum durch interessante Brüche in ihrer Figur.

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Außerdem ist sie, anders als die von Scarlett Johansson im Kino gespielte Version der Figur, auch keine junge Frau mehr. Auch das ist ja keine Selbstverständlichkeit!


Das deutsche Audible-Original "Marvel's Wastelanders: Black Widow" ist am 8. November 2023 erschienen

Genau das fand ich auch schön daran. Dadurch, dass sie älter ist, hat sie schon ein Leben voller Verwicklungen, Entwicklungen, abrupter Enden, Neuanfänge und verschiedener Identitäten hinter sich. Das hat die Rolle natürlich gleich interessanter gemacht. Zumal das ohnehin ein Thema von mir ist, sei es in "Kroymann" oder in meinem eigenen Podcast "War's das?": Wie werden Frauen im Alter dargestellt und welche Rollen gibt es für uns noch? Dazu gibt es ja auch die Kampagne "Let's Change the Picture", die unter anderem von meiner Kollegin Gesine Cukrowski ins Leben gerufen wurde. In diesem Kontext ist diese Black Widow, bei aller Vordergründigkeit der Geschichte, auf jeden Fall eine erstaunlich komplexe Figur, durch die das Thema Alter positiv konnotiert wird.

Sie selbst erfuhren mit steigendem Alter immer mehr Anerkennung. Wahrscheinlich eine normale Entwicklung, je weiter das Lebenswerk wächst, aber vielleicht liegt es auch am Zeitgeist, oder? Versteht und schätzt man das, was Ihre Kunst als queere, feministische Frau ausmacht heute einfach mehr als früher?

Ganz bestimmt ist das der Fall. Vieles hängt auch davon ab, wer in den Jurys darüber entscheidet, an wen welche Preise vergeben werden. Das sind häufig heute auch nicht mehr die gleichen Menschen wie früher. Ich bin ja nicht nur alt und habe lange gearbeitet, sondern habe bestimmte thematische Schwerpunkte. Und dadurch, dass es eine gesellschaftliche Diskussion gab, die in den letzten Jahren durchaus feministisch war – von Pro Quote und Equal Pay bis Care-Arbeit und #MeToo – hat sich ein Gesamtblick auf Frauen verändert.

Die Themen, die ich schon vor 30 Jahren bei "Nachtschwester Kroymann" verhandelt habe, erwiesen sich als visionär, wenn ich dieses große, angeberisch klingende Wort mal benutzen darf. Aber tatsächlich hatte ich da ja schon einen Fokus auf Themen, die sich als nachhaltig erwiesen haben. Das wird dann heute gewürdigt, vielleicht auch weil gesehen wird, dass ich früher durch mein Engagement und mein Coming-out ja durchaus auch Nachteile hatte. Ich war immer feministisch und immer offen lesbisch und jeder hat mitgekriegt, dass das nicht so förderlich für die Karriere war. Vielleicht habe ich auch deswegen das Gefühl, dass die Leute mir den späten Erfolg heute gönnen, weil sie die Dellen in meiner Vita mitbekommen haben. Das macht mich wahnsinnig glücklich.

Ihr Coming-out liegt 30 Jahre zurück. Warum war es Ihnen 2021 trotzdem wichtig, auch bei #ActOut nochmal dabei zu sein?

Ich war begeistert, als das stattfand, weil ich dachte: Die machen es richtig, weil sie es zu so vielen gemacht haben. Das ist natürlich die viel wirksamere Art! Da wurde die Gelegenheit beim Schopf gepackt, dass es inzwischen ein anderes Bewusstsein in der Gesellschaft gab – und auch der Begriff von Schwul- und Lesbischsein erweitert und diverser und politisch moderner gestaltet. Ich fand das einfach toll, und selbstverständlich waren die Forderungen vollkommen richtig: Ich möchte sagen können, dass ich queer bin und dadurch beruflich keine Nachteile erleiden müssen. Aber das war natürlich eine ganz andere Ausgangslage als in den 1990er Jahren.

Von beruflichen Nachteilen konnten Sie damals ein Lied singen…

Mein Vorbild waren damals die schwulen Jungs in meinem Freundeskreis. Ansonsten gab es noch die wunderbare Hella von Sinnen. Sie und Cornelia Scheel waren ja lange Zeit die einzigen sichtbaren Lesben. Ich war dann die erste, die sich vorsätzlich geoutet hat, deswegen gab es auch keinen Präzedenzfall. Mir war klar, dass mir das schaden kann und ich danach vielleicht im Fernsehen nicht mehr vorkomme. Aber mir war wichtiger, diesen Schritt zu machen und politisch für die jungen Lesben eine Unterstützung zu sein. Die möglichen Nachteile habe ich sehenden Auges in Kauf genommen und mich deswegen auch nie darüber beklagt, denn ich hätte diesen Schritt ja nicht gehen müssen. Die Selbstverständlichkeit, mit der bei #ActOut nun gefordert werden konnte, dass eben solche Nachteile nicht entstehen dürfen, zeigt schon, wie viel Fortschritt es in den 30 Jahren seither gegeben hat.

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