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Heimkino
Wenn ein Würfel über schwules Glück entscheidet
Das queere Liebesdrama "Spiel mit mir" des italienischen Regisseurs Riccardo Tamburini ist ein sinnlicher Film mit einer vielversprechenden Prämisse – jetzt hat Pro-Fun Media den Film digital fürs Heimkino veröffentlicht.

Ein Würfel bestimmt die Beziehung von Marcello und Herman (Bild: Pro-Fun Media)
- Von Leon Frank
11. November 2023, 05:17h 4 Min.
Marcello (Alexander Ananasso) und Herman (Jake Garvey) treffen sich zu einem Sexdate in einer Wohnung, die keinem von beiden gehört. Es wird schnell klar, dass zwischen ihnen mehr ist als nur Sex. Marcello schlägt vor, dass ein antiker Steinwürfel über den Verlauf ihres Dates entscheiden soll. Sie legen sechs Aktionen fest, eine für jedes Ergebnis: eine unbequeme Wahrheit sagen, etwas tun, was dem anderen gefällt, eine dritte Person in die Wohnung einladen, etwas mit verbundenen Augen tun, einer muss die Wohnung verlassen, Sex haben. Anfangs macht ihnen das Spielerische Spaß, doch sie werden zunehmend in einer Spirale gefangen, aus der es immer schwerer wird zu entfliehen.
Die Anfangsszene zeigt sofort die starke Anziehung zwischen Marcello und Herman. Mit aufgesetzten Augenmasken begegnen sie sich an der Tür jener Wohnung, die zum Hauptschauplatz des gesamten Films werden wird. Nach kurzem Blickkontakt haben sie intensiven Sex auf dem Boden.
Das Spiel mit intensiven Gefühlen

Poster zum Film: "Spiel mit mir" kann bei Prime Video gestreamt werden
"Spiel mit mir" (Amazon-Affiliate-Link ) (Original: "A Dice with Five Sides") stellt sich die Frage, was wäre, wenn aus Verantwortung Zufall wird. Die Theorie, Entscheidungen mit einem Würfel zu treffen, erlangte erstmals durch George Cockcrofts 1971 erschienenen Roman "Der Würfler" Popularität, in dem ein Psychiater beginnt, alle seine Lebensentscheidungen mit Hilfe eines Würfels zu treffen. Riccardo Tamburini gibt dieser Theorie einen queeren Touch und erzählt von sich Liebenden, die nicht bereit sind, mit dem Druck der Liebe umzugehen.
Herman und Marcello beschließen, so wenig voneinander wissen zu wollen wie möglich. Sie erzählen sich nicht, was sie tun oder wie ihr Leben aussieht. Der Konflikt zwischen anfänglicher Freiheit durch die fehlende Verantwortung und dem immer stärkeren Gefühl, mehr vom anderen zu wollen, wird zur großen Stärke des Dramas.
Bei einer Fünf muss man die Wohnung verlassen
Der italienisch-spanische Film hat mehrere Zeitsprünge, die jeweils einsetzen, nachdem einer von ihnen eine Fünf gewürfelt hat und die Wohnung verlassen muss. In der Zwischenzeit verlieren sie nicht ihr Interesse aneinander, aber wachsen auseinander. So prallen mit jeder Begegnung neue Menschen aufeinander, die mit neuen Herausforderungen klarkommen müssen. Zum Beispiel ist Herman bei ihrer ersten Begegnung sehr unsicher und schüchtern, aber beim nächsten Treffen, Jahre später, ein sehr selbstbewusster und verheirateter Mann.
"Spiel mit mir" steht und fällt mit Alexander Ananasso und Jake Garvey, die beide überzeugend spielen. Jedoch leidet der Film an einem unfertig wirkenden Drehbuch. Es gibt zu viele Nebencharaktere. Jeder von ihnen ist eindimensional und existiert nur, um die Handlung voranzutreiben. Dazu wirken manche Dialoge theatralisch und auf die Nase gebunden. Wenn sich Marcello und Herman gemeinsam auf eine Couch setzen, um das Konzept des Films zu erklären, dann ist das leider nur wenig kreativ oder spannend. Dazu werden fast alle Szenen von eintöniger Musik begleitet, die zwar eine gewünschte Stimmung unterstützt, aber oft störend auffällt.
Ein Film wie ein Theaterstück
Durch die Begrenzung auf eine Wohnung als Ort des Geschehens wirkt Riccardo Tamburinis Spielfilm-Debüt oft wie ein Theaterstück. Gleichzeitig ist die Wohnung aber auch ein Safe Space für queeres Leben, denn Herman und Marcello müssen sich zu keinem Zeitpunkt der Öffentlichkeit stellen. Die Wohnung selbst bleibt dabei aber immer bloß Schauplatz, da sie über weite Strecken nur verschwommen und als unklar definierte Struktur im Hintergrund zu sehen ist.
Das schmale 1.33:1 Seitenverhältnis sorgt zudem für eine Isolation der beiden Hauptfiguren. Mal allein, mal zusammen nehmen sie das gesamte Bild ein und füllen es mit ihrer Präsenz und ihren Gefühlen. Die Handkamera schwankt im Gleichzug zu den porträtierten Emotionen, wodurch eine Home-Video-Ästhetik aufkommt, die die Geschichte greifbarer macht.
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Das große Highlight des Films ist eine experimentelle Tanzsequenz, die einen großen Teil des finalen Aktes einnimmt. Sie stellt einen radikalen Bruch mit dem bisher Geschehenen dar, demonstriert aber den inneren Kampf der beiden Hauptfiguren. Die Sequenz wird die Gemüter spalten, doch wer sie einmal gesehen hat, wird sie nicht so schnell vergessen. Leider lässt sich das nicht auf die Gesamterfahrung übertragen, denn "Spiel mit mir" weist zu viele dramaturgische Schwächen auf, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Spiel mit mir. Drama. Italien, Spanien 2022. Regie: Riccardo Tamburini. Cast: Alexander Ananasso, Jake Garvey, Eleonora Cucciarelli, David Paryla, Christian Cánovas, Chiara D'Anna, Elena Mazzon. Laufzeit: 101 Minuten. Sprachen: englische Synchronfassung, italienische Originalfassung. Untertitel: Deutsch (optional). FSK 16. Pro-Fun Media. Seit 29. September 2023 bei Prime Video
Links zum Thema:
» "Spiel mit mir" bei Prime Video
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» auf sissymag.de
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