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EKD-Studie
Große Mehrheit der Gläubigen für Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren
Laut einer EKD-Studie ist die Zustimmung zur Segnung von Homo-Paaren unter religiösen Katholik*innen größer als unter religiösen Protestant*innen. Ein weiteres Ergebnis: Die Bedeutung der Kirchen nimmt derzeit dramatisch ab.

Der christliche Glaube, der jahrhundertelang queere Menschen feindlich gesonnen war, ist laut der Studie in Deutschland auf dem Rückzug (Bild: fairytaleweaver / flickr)
- 14. November 2023, 16:04h 4 Min.
Eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung spricht sich für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare aus. Das geht aus der sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hervor, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstag bei ihrer Synode in Ulm vorstellte.
Insgesamt stimmten je 86 Prozent der Mitglieder sowohl der evangelischen als auch der katholischen Kirche der Forderung nach einer Homo-Segnung zu. Bei den Konfessionslosen sind es 85 Prozent. Ein überraschendes Ergebnis liefert die Befragung von streng religiösen Gläubigen: Hier befürworten 82 Prozent religiöse Katholik*innen derartige Segnungen, religiöse Protestant*innen aber nur zu 76 Prozent. Dabei sind in allen 20 Landeskirchen Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare (mit Einschränkungen) möglich, während es in der katholischen Kirche ein flächendeckendes Verbot dafür gibt – Segnungen von Tieren oder gar Autos sind hingegen bundesweit möglich.

(Bild: EKD)
Die EKD erstellt die repräsentative Untersuchung in großen zeitlichen Abständen seit 1972. Erstmals erhebt die Studie den Anspruch, die Einstellungen der Gesamtbevölkerung abzubilden. So wurden unter den über 5.000 Teilnehmenden erstmals auch Katholik*innen und Anhänger*innen anderer Religionen neben Protestant*innen und Konfessionslosen befragt. Laut EKD ist es die umfassendste Untersuchung zu Religion und Kirche, die es in Deutschland je gab.
Kirchen vor "Kipppunkt"?
Insgesamt zeigte die Untersuchung, dass das Ausmaß der Krise der christlichen Kirchen in Deutschland noch größer als bislang angenommen ist: Mittlerweile ist eine Mehrheit von 56 Prozent der Menschen säkular und will nichts mehr mit Religion zu tun haben. Die Studienmacher*innen warnten bei anhaltenden Kirchenaustritten sogar vor einem "Kipppunkt" für die Organisationen – allerdings werden die Kirchen weiter als wichtiger gesellschaftlicher Faktor angesehen.
Als ein zentrales Ergebnis stellten die Studienmacher*innen fest, dass unter Christ*innen nicht nur die Kirchenbindung abnimmt, sondern auch die Religiosität allgemein. So sei eine Mehrheit von 56 Prozent der Deutschen als säkular einzustufen und wolle nichts mehr mit Religion zu tun haben.
Auch ein Drittel der Kirchenmitglieder gehöre zu dieser Gruppe. Stark religiös mit häufigen Gottesdienstbesuchen seien nur noch 13 Prozent der Kirchenmitglieder. Bei den Muslim*innen in Deutschland ist das Bild deutlich anders: Ein Viertel ist sehr aktiv im Glauben, nur ein Viertel säkular. Etwa die Hälfte der Muslime zählt als religiös-distanziert.
Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus zog ein gemischtes Fazit der Studie. "Das hat mich schon sehr ernüchtert – wie auch ermutigt", sagte sie in Ulm. Ernüchtert und sehr zum Nachdenken gebracht habe sie, dass der repräsentativen Studie zufolge neben der Kirchenbindung auch die generelle Religiosität der Menschen in Deutschland zurückgehe. Ermutigt habe sie hingegen, dass die Menschen nach wie vor hohe Erwartungen an die Kirchen in Deutschland hätten.
Menschen schätzen Einsatz der Kirchen für Benachteiligte
So wird auch von einer großen Mehrheit der Konfessionslosen Einsatz der Kirchen für Geflüchtete und für Menschen mit Lebensproblemen erwartet. 73 Prozent der konfessionslosen Menschen in Deutschland wollen, dass sich die Kirchen konsequent für Geflüchtete und die Aufnahme von Geflüchteten einsetzen. Bei evangelischen Christ*innen sind dies 77 Prozent, bei katholischen sogar 80 Prozent. Dass die Kirchen Beratungsstellen für Menschen mit sozialen Probleme betreiben, wollen 78 Prozent der Konfessionslosen, 95 Prozent der Protestant*innen und 92 Prozent der Katholik*innen.
Für die katholische Kirche erklärte der Vertreter der Bischofskonferenz im Beirat der Studie, Tobias Kläden, es zeige sich ein dramatischer Vertrauensverlust besonders in die katholische Kirche. Dabei verwies er darauf, dass sich fast alle katholischen Befragten für klare Reformen der katholischen Kirche aussprechen. 96 Prozent der befragten Katholik*innen sagten, ihre Kirche müsse sich "grundlegend" ändern, damit sie eine Zukunft habe.
Zudem sagten 95 Prozent der Katholik*innen, dass Priester heiraten dürfen sollten, was die Amtskirche bislang – wie auch die Segnung von homosexuellen Paaren – ablehnt. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf nannte die Ergebnisse ein ungeschminktes und sehr facettenreiches Bild der aktuellen Lage von Religion und Kirche in Deutschland. Kohlgraf kündigte an, dass sich die katholischen Bischöfe bei ihrer Frühjahrsvollversammlung im kommenden Jahr mit den Ergebnissen befassen wollten.
Der Studie zufolge schließen zwei Drittel der evangelischen Kirchenmitglieder und sogar drei Viertel der Katholiken einen Kirchenaustritt als Option nicht aus – die Studienmacher*innen sehen darin eine deutliche Zuspitzung im Vergleich zu früheren Erhebungen. "Falls all diese Mitglieder in den nächsten Jahren tatsächlich austreten sollten, steht die Kirche vor einem organisationalen Kipppunkt", heißt es in dem Text. Dann wären die Kirchen zumindest als Organisationen, wie sie heute bekannt sind, im Fortbestand gefährdet. (AFP/cw)















