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IDFA 2024
Vier neue queere Dokus, auf die wir uns freuen!
In Amsterdam endete am Sonntag das größte Dokumentarfilmfestival der Welt. Diese Filme mit queeren Inhalten sind hoffentlich demnächst auch im deutschsprachigen Raum zu sehen.

Szene aus "Embodied Chorus" (Bild: IDFA)
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20. November 2023, 14:49h 4 Min.
Dass beim weltweit größten Filmfestival für Dokumentarfilme, dem International Documentary Film Festival Amsterdam (kurz: IDFA), immer auch eine ganze Reihe queerer Produktionen zu sehen sind, ist längst beste Tradition. In diesem Jahr schien das Programm in dieser Hinsicht nicht ganz so reichhaltig wie zuletzt. Doch neben Filmen wie "Kokomo City" oder "Queerdom", die in den vergangenen Monaten schon bei etlichen Festivals für Aufsehen gesorgt hatten, haben wir in den zurückliegenden zehn Tagen in den Niederlanden allerlei Sehenswertes mit LGBTI-Bezug entdeckt, auf das wir an dieser Stelle hinweisen wollen.
Embodied Chorus
Einer der erstaunlichsten, ungewöhnlichsten und sehenswertesten Filme in Amsterdam in diesem Jahr stammte von den Regisseur*innen Danielle Davie und Mohamad Moe Sabbah. Beide leben mit sexuell übertragenen Krankheiten und wollen mit ihrem Debütfilm das Tabu des Schweigens brechen, das nicht selten über diesem Thema liegt. In Beirut finden beide dafür sehr unterschiedliche Wege, die sich auf faszinierende Weise zu einem gemeinsamen Werk zusammenfinden. Davie führt sehr offenherzig und unmittelbar ein filmisches Tagebuch, während Sabbah sich den eigenen Erfahrungen und Erinnerungen eher spielerisch nähert, um zu verdeutlichen, wie ein Virus von einem queeren Körper Besitz ergreift. Zu den sehr gegensätzlichen, aber gleichermaßen eindringlichen Bildern gesellen sich Schauspieler*innen, die in dieser deutsch-libanesisch-luxemburgischen Koproduktion die Geschichten andere STD-Betroffener visualisieren. Fantastisches, als Weltpremiere gezeigtes Hybrid-Doku-Kino, in dem Scham am Ende durch Mut und Selbstakzeptanz abgelöst wird.
They and Them

Szene aus "They and Them" (Bild: IDFA)
In der niederländischen Stadt Zaandam befindet sich die einzige Klinik und Beratungsstelle, die ausschließlich für Fragen rund um das Thema Gender-Identität zuständig ist. Regisseurin Ingrid Kamerling bekam erstaunlich viel Zugang zu den Räumlichkeiten und Personen, sowohl seitens des Personals als auch den oft sehr jungen Patient*innen. Mit ihrer Kamera führt sie nicht nur Gespräche, sondern darf auch Beratungen und Gruppendiskussionen beiwohnen. Sie ist nicht nur dabei, wenn junge trans Personen schwerwiegende Entscheidungen (etwa mit Blick auf einen späteren Fortpflanzungswunsch) treffen müssen, sondern auch wenn der Sicherheitsmann am Empfang zu gender-neutraler Sprache angehalten werden muss oder das sehr diverse Kollegium über Pronomen in der E-Mail-Signatur diskutiert. Künstlerisch ist das als Film selten aufregend, aber als empathischer, unhitziger Einblick in die Komplexität einer außergewöhnlichen Organisation enorm erhellend. Gerade in Zeiten, in denen das Thema Transition junger Menschen politisiert wie lange nicht ist.
The Archive: Queer Nigerians

"Szene aus The Archive: Queer Nigerians" (Bild: IDFA)
Beim Festival in London wurde "The Archive: Queer Nigerians" vergangenen Monat bereits als bester Kurzfilm ausgezeichnet, nun gehörte der 25-Minüter von Regisseurin Simisolaoluwa Akande auch in Amsterdam zu den absoluten Höhepunkten. Fünf queere Nigerianer*innen, die in ihrer Heimat das Gefängnis fürchten müssten und nun in Großbritannien leben, geben – mal mehr und mal weniger anonym – Einblicke in ihr Leben und ihre Gefühle. Die Erfahrungen dieser Menschen sind dabei so unterschiedlich wie ihre Identitäten zwischen schwul und lesbisch, queer und inter. Gemeinsamkeiten sowohl in der Selbstermächtigung als auch in melancholischer Erinnerung lassen sich trotzdem ausmachen, und Akande verknüpft all das mit poetischen Bildern und Texten.
Stamped From the Beginning

Szene aus "Stamped From the Beginning" (Bild: IDFA)
Zugegeben: Ein queerer Film ist "Stamped From the Beginning" (ab 20.11. bei Netflix zu sehen) nicht, jedenfalls nicht von der Thematik her. Vielmehr handelt es sich hier um eine Adaption des gleichnamigen Sachbuchs von Ibram X. Kendi, der für seine eindrucksvolle Untersuchung der Ursprünge aller rassistischer Ideen, die bis heute die US-Gesellschaft prägen, mit den National Book Award ausgezeichnet wurde. Hier ist er einer von vielen Expert*innen, die sehr kluge Einblicke in das Thema geben, das ansonsten u.a. mit ungewöhnlichen Animationssequenzen und modernem HipHop-Soundtrack umgesetzt ist.
Verantwortlich dafür ist der Filmemacher Roger Ross Williams, der in diesem Jahr der fleißigste und vielseitigste aller Regisseur*innen sein dürfte. Vor "Stamped From the Beginning" zeichnete er schon für das Biopic "Cassandro" (zu sehen bei Prime Video) über den schwulen Wrestler Saúl Armendáriz, die Doku "Love to Love You, Donna Summer" (zu sehen bei WOW), den Vierteiler "The Super Models" (zu sehen bei AppleTV+) und die Serie "The 1619 Project" (zu sehen bei Disney+) verantwortlich. Und hinter der sehenswerten Food-Reihe "High on the Hog", die am 22. November 2023 bei Netflix in die zweite Staffel geht, steckt er mit seiner Produktionsfirma.
Dass Williams überhaupt Zeit hatte, zum Festival nach Amsterdam zu kommen, erscheint fast wie ein kleines Wunder. Wobei es vermutlich geholfen hat, dass er mit seinem holländischen Ehemann noch immer einen Zweitwohnsitz nicht weit vom IDFA-Zentrum hat.
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