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Interview
Wie lebt es sich als Takatāpui in Neuseeland, Conan Hayes?
Die Māori leben seit langem eine offene Kultur, doch die Kolonisation hat queerfeindliche Spuren hinterlassen. Davon erzählt der Film "Punch" über zwei Teenager in der neuseeländischen Provinz. Wir haben uns mit Schauspieler Conan Hayes über die sensible Lovestory unterhalten.

Conan Hayes als Whetu in "Punch" (Bild: Salzgeber)
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9. Dezember 2023, 16:43h 5 Min.
An der Seite von Oscar-Kandidat Tim Roth gibt Conan Hayes in "Punch" sein Kinodebüt als sensibler Künstler Whetu, der sich in den Filmsohn von Roth verliebt. Der Schauspieler, selbst Māori, spielte zuvor in der Netflix-Serie "Sweet Tooth" sowie den Serien "The Wilds" und "It's TV Man".
Im November war "Punch" in der Queerfilmnacht zu sehen (Filmkritik von Dieter Oßwald), jetzt ist die sensible Lovestory auf DVD (Amazon-Affiliate-Link ) und digital (Amazon-Affiliate-Link ) erschienen. Wir hatten Gelegenheit, uns mit Conan Hayes über den Film zu unterhalten.

"Punch" ist am 7. Dezember 2023 mit deutschen Untertiteln auf DVD und digital erschienen
Mister Hayes, Neuseeland gilt als eines der queerfreundlichsten Länder der Welt. Welche Rolle spielt dabei die Kultur der Māori?
Vor der Kolonialisierung und vor der christlichen Indoktrinierung durch Europa, hatte das Volk der Māori ein fließendes Verständnis vom Lebens, auch von der Sexualität. Man hat die Existenz als ganzheitlich und spirituell begriffen. In unserer Sprache gibt es den Begriff des Takatāpui, was bedeutet, jemand hat eine starke Verbindung zum gleichen Geschlecht. Damit sind alle queeren Rainbow-Menschen gemeint, denen so ein Platz in der Gesellschaft zugestanden wird.
Ganz so paradiesisch geht es gleichwohl nicht zu. Ihr Lover Jim im Film klagt einmal: "Die Leute denken, es geht heute nur noch um Regenbogen-Fahnen und Pride-Paraden. Aber das ist es nicht". Wie sehen Sie diese Aussage?
Neuseeland ist immer noch ein recht konservatives Land. In den letzten zehn Jahren hatten wir diese Pride-Paraden, da war dann einen Monat lang überall die Regenbogen-Fahne präsent. Das war eine schöne Unterstützung. Aber danach war es eben vorbei. Dann hatten wir wieder mit vielen Politikern zu tun, welche keine große Unterstützung zeigen für unsere trans Brüder und Schwestern und für unsere nichtbinären Menschen. Da bleibt noch viel zu tun.
Immerhin wurde im Parlament nach der Abstimmung für die gleichgeschlechtliche Ehe gemeinsam eines der bekanntesten Liebeslieder der Māori angestimmt – in welchem anderen Land wäre das denkbar?
Da hatten wir schon Glück. Unsere Community ist sehr groß. Vor wenigen Jahren zwar erst, aber immerhin, wurden bei uns die sogenannte "Konversionstherapie" verboten. Ich glaube, wir bewegen und in eine gute Richtung. Wobei es noch etliche Baustellen gibt.
Wie viel haben Sie gemeinsam mit diesem Whetu, den Sie spielen?
Wir beide sind Takatāpui. Wobei Whetu eine sehr viel schärfere Zunge hat als ich. So rasiermesserscharf wie er bin ich nicht, ich bin eher der Typ Menschenfreund. Wie Whetu bin ich einer kleinen Stadt aufgewachsen und kenne das Gefühl, ausbrechen zu wollen und wegzugehen. Wie er wollte ich meinen Traum verwirklichen, ohne genau zu wissen, wie. Ich folgte meinem Instinkt und meinem Herzen. Mit Whetus Leidenschaft und seinen Tagträumereien kann ich mich gut identifizieren. Auch mit einem Hund alleine in dieser einsamen Hütte am Strand zu leben, fände ich reizvoll. Whetu ist jedenfalls die größere Zicke von uns beiden – was ich ganz liebevoll meine. (lacht)

Erste Liebe in der Provinz: Whetu (Conan Hayes, li.) und Jim (Jordan Oosterhof) halten ihre Freundschaft geheim (Bild: Salzgeber)
Wie wichtig sind Gemeinsamkeiten mit den Figuren, die Sie spielen?
Gemeinsamkeiten mit den Figuren finde ich nicht unbedingt wichtig. Ich schlüpfe ganz gerne in die Haut einer anderen Person und probiere aus, ob ich irgendeine Verbindung zu meinem eigenen Leben entdecken kann. Wobei es völlig unterschiedliche Dinge sein können, die einen Bezug ermöglichen.
Was halten Sie von der Forderung, wonach queere Figuren nur von queeren Menschen gespielt werden sollen? Ist das mittlerweile schon überholt?
Auf gewisse Weise verstehe ich diese Forderung. Ganz besonders, wenn man eine authentische trans Geschichte erzählen will, sollte eine trans Person die trans Rolle spielen. Bei schwulen, lesbischen und queeren Figuren braucht es eine größere Sensibilität. Wer selbst queer aufgewachsen ist, versteht aus eigener Erfahrung vielleicht besser, welche Schwierigkeiten und Traumata dabei möglich sind. Wobei es viele wunderbare Darstellungen von queeren Figuren durch heterosexuelle Menschen gibt. Das werte ich überhaupt nicht ab, Schauspielerei ist ein Handwerk. Nur sollte man nicht vergessen, dass viele queere Menschen ihre sexuelle Identität in diesem Beruf lange verstecken mussten. Wenngleich es mittlerweile eine größere Akzeptanz gibt, finde ich es unterstützenswert, wenn queere Rollen von queeren Menschen gespielt werden.
Wie wichtig ist bei den Dreharbeiten ein Intimacy-Coordinator für Sie?
Ein Intimacy-Coordinator ist absolut wichtig. Seit meiner Schauspielschule hatte ich zum Glück immer so jemanden beim Dreh dabei. Gerade wenn man jung im Geschäft ist, nimmt einem das viel von der Angst und dem Druck. Man kann sich voll und ganz auf die Schauspielerei konzentrieren, ohne ständige Bedenken zu haben. Bei den intimen Szenen mit Jordan haben wir absolut alles choreographiert, von der Art des Atmens bis zur Qualität unserer Berührungen. Bei den Kampfszenen, bei denen ich überfallen werde, war es übrigens ganz genau so.
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Mit welchen Gefühlen sehen Sie solche Szenen später an?
Ich sehe mich nicht gerne auf der Leinwand. Leute sagen mir, ich solle mich da nicht so anstellen. Aber das ist schließlich mein erstes Mal in einem Kinofilm. Ich kann beim Anschauen schon ziemlich kritisch mir selbst gegenüber sein – aber ich arbeite daran!
Manche vergleichen Sie mit dem jungen Keanu Reeves…
Als ich davon erfuhr, war ich schon ziemlich aus dem Häuschen. Welch ein schönes Kompliment!
Wie waren die Reaktionen auf den Film?
Es gab viel Unterstützung von meinen Freunden und der Community, schließlich gibt es nicht viele queere Filme aus Neuseeland. Allein schon deshalb, haben sich viele auf "Punch" gefreut. Bei uns ist es nicht üblich, dass Männer über Gefühle reden oder sie zeigen. Doch das finde ich sehr wichtig. Deswegen gefällt mir dieser Vater-Sohn-Aspekt so gut. Männer können sich lieben, ob platonisch oder körperlich. Oder eben als Familie. Liebe ist eine schöne Sache.
Punch. Drama. Neuseeland 2022. Regie: Welby Ings. Cast: David Long, Jordan Oosterhof, Conan Hayes, Tim Roth. Laufzeit: 98 Minuten. Sprache: englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 16. Verleih: Salzgeber
Links zum Thema:
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» Der Film bei Prime Video
Mehr zum Thema:
» Filmkritik von Dieter Oßwald: Eine queere Perle aus Neuseeland (07.11.2023)
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» auf sissymag.de
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