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Hessen

"Herbe Enttäuschung": CDU und SPD billigen Koalitionsvertrag

In Hessen gaben sowohl CDU als auch SPD grünes Licht für den geplanten Koalitionsvertrag. Von queeren Verbänden kommt scharfe Kritik. Das Programm sei ein "Rückschritt im Vergleich zu den Errungenschaften der letzten Jahre".


SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser und Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) tuscheln am Wahlabend in einer ARD-Livesendung (Bild: IMAGO / Political-Moments)
  • 16. Dezember 2023, 13:59h 4 Min.

Der schwarz-rote Koalitionsvertrag in Hessen ist unter Dach und Fach. Nach der CDU stimmte am Samstag auch die SPD nach langer kontroverser Debatte dem Regierungsprogramm für die Jahre 2024 bis 2029 (PDF) zu. Bei einem Außerordentlichen Parteitag in Groß-Umstadt bei Darmstadt gab es 253 Ja- und 56-Neinstimmen bei acht Enthaltungen. Somit wurde der Vertrag mit 81,9 Prozent angenommen.

Zuvor hatten bei einem parallelen Kleinen Parteitag der CDU in Frankfurt 133 Delegierte grünes Licht für das Papier gegeben bei nur einer Gegenstimme. Nach den bisherigen Plänen soll der Koalitionsvertrag am Montag (18. Dezember) unterschrieben werden.

Faeser nennt Koalition "Verantwortungsgemeinschaft"

SPD-Landeschefin Nancy Faeser bezeichnete Schwarz-Rot als eine "Verantwortungsgemeinschaft". Eine "Liebesheirat" sei das angestrebte Regierungsbündnis nicht, sagte die Bundesinnenministerin in Groß-Umstadt. Beispielsweise seien im Koalitionsvertrag Ziele in der Flüchtlingspolitik formuliert, "die außerordentlich wehtun". Aber kein Einstieg in die Landesregierung hieße für die SPD, selbst weniger für Migrant*innen tun zu können. Zugleich gebe es auch viel sozialdemokratische Handschrift in dem 184-seitigen Papier, etwa bei der Sozial-, Wohn- und Arbeitsmarktpolitik.

Bei dem SPD-Parteitag wurde gleichwohl viel Kritik an dem Vertrag laut, zum Beispiel ebenfalls wegen enger Leitplanken für die Migration oder auch aufgrund des geplanten Verbots von Gender-Sonderzeichen an Schulen, Universitäten und im Rundfunk. Eine nicht-binäre Person sagte, sie dürfe demnach "nicht mehr vorkommen". Vermutlich wäre ein Gender-Verbot aber ohnehin verfassungswidrig. Auch der Landeschef der Jungsozialisten, Lukas Schneider, bekräftigte seine Ablehnung des Koalitionsvertrags. Zahlreiche andere Redner*innen beklagten ebenfalls zu wenige sozialdemokratische DNA in dem Regierungsprogramm.

Bei der Landtagswahl am 8. Oktober hatte die SPD mit 15,1 Prozent weniger als die Hälfte der Stimmen der CDU (34,6 Prozent) bekommen. Daher sollen die Christdemokraten acht und die Sozialdemokraten drei Ministerien erhalten. Die Namen der künftigen Minister*innen sollen Anfang 2024 bekanntgegeben werden. Der neue Landtag in Wiesbaden konstituiert sich am 18. Januar, dann kann die Landesregierung von CDU und SPD starten.

Scharfe Kritik von queeren Initiativen

Für den Darmstädter LGBTI-Verein vielbunt stellt der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD eine "herbe Enttäuschung" dar. "Trotz unserer deutlichen Appelle und der Unterstützung von über 20 weiteren Organisationen bleiben die dringenden Bedürfnisse und Forderungen der LSBTIQ*-Community weitgehend unberücksichtigt", kritisierte der Vorsitzende Stefan Hauer in einer Pressemitteilung. "Das ist ein alarmierendes Zeichen für alle, die Gleichberechtigung und Vielfalt hochhalten."

In einem Offenen Brief (PDF) hatten 24 queere Initiativen aus Hessen die Delegierten beider Parteien aufgefordert, dem Koalitionsvertrag nicht zuzustimmen. Er stelle einen "deutlichen Rückschritt in der Anerkennung und im Schutz von Minderheiten" dar, heißt es in dem Schreiben. Beklagt wurden u.a. "fehlende queerpolitische Ideen" und kein Einsatz für queere Geflüchtete.

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"Rückschritt im Vergleich zu den Errungenschaften der letzten Jahre"

"Zwar wurde die Weiterentwicklung des 'Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt' festgeschrieben, ein Plan für den effektiven Schutz gegen LSBTIQ*-feindliche Hassgewalt, die Unterstützung von Regenbogenfamilien, und die Stärkung von LSBTIQ*-Themen in Bildung und Schulen bleiben völlig offen", kritisierte Manuel Wüst vom Bündnis Vielfalt für ein starkes Hessen. "Insgesamt mangelt es dem neuen Koalitionsvertrag von CDU und SPD an Initiativen zum Diskriminierungsschutz, etwa durch ein hessisches Antidiskriminierungsgesetz und den breiten Schutz von Minderheitenrechten. Auch die in der Vergangenheit eingerichteten LSBTIQ*-Netzwerkstellen und deren inhaltliche wie finanzielle Perspektive bleiben offen." Das Regierungsprogramm sei "eine große Enttäuschung und ein Rückschritt im Vergleich zu den Errungenschaften der letzten Jahre", heißt es in der Pressemitteilung von vielbunt.

Tatsächlich enthält der Koalitionsvertrag im Kapitel "Diskriminierungsfreies Hessen" zwar Bekenntnisse zur Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, jedoch kaum konkrete Vorhaben. CDU und SPD wollen "mit weiteren Maßnahmen noch stärker gegen homo- und transfeindliche Hasskriminalität vorgehen", heißt es etwa schwammig im schwarz-roten Regierungsprogramm. (mize/dpa)

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