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Folge 51 von 53

Schwule Symbole im Film: Paradies, Himmel und Hölle

In vielen Religionen gibt es das Paradies, den Himmel und die Hölle mit ihren symbolischen Bedeutungen, wobei wohl die meisten schwulen Filme sich auf die christlichen Bedeutungen beziehen.


Bombastisch und präapokalyptisch: die Engelserscheinung in "Engel in Amerika" in der HBO-Miniserie aus dem Jahr 2003 (Bild: HBO)

Paradies – moderne Sehnsüchte mit "Adam & Steve"

Die Vorstellung eines Paradieses gehört zu den archetypischen Vorstellungen von Menschen. In der christlich-jüdischen Tradition wurde diese Vorstellung geprägt durch die im Alten Testament erzählte Geschichte vom Garten Eden mit Adam und Eva als erstem Menschenpaar. Bis heute gibt es eine Sehnsucht nach einem "Paradies", das vom Ferienparadies über ein Schlaraffenland bis zu Sozialutopien reichen kann. Das durch "Sünde" "verlorene Paradies" kann in gängigem Sprachgebrauch sogar Naturgebiete bezeichnen, die durch menschliches Fehlverhalten vernichtet wurden.

Der eigene Garten als Paradies


Der Garten als homoerotisches Paradies in "Garden of Even" (2015)

Schon in der Folge über Gärten (Folge 42) habe ich davon geschrieben, dass ein privater Garten die Vorstellung eines Gartenparadieses widerspiegeln kann. Die Utopie eines persönlichen Gartens Eden versuchte der schwule Filmemacher Derek Jarman in "The Garden" (1990) umzusetzen: Herausgekommen ist eine experimentelle Filmcollage mit schwulen Elementen ohne klassische Filmhandlung. Der bemerkenswerte Kurzfilm "Utopies" (2012, 10:30 Min., hier online) verbindet geschickt architektonische und gesellschaftliche Utopien. Auch die Frage "You want me to show your own garden?" bezieht sich offenbar nicht nur auf den Wunsch nach erfüllendem Sex mit einem Mann, sondern auch auf einen neu zu schaffenden Raum für die eigenen persönlichen Wünsche. In der Doku "Irdische Paradiese" (2014) werden homo- und heterosexuelle Paare und ihre Gärten als Sinnbild des Lebens und als Psychogramm ihrer Besitzer*innen vorgestellt. In "Garden of Even / The Gardeners" (2015) ist ein Garten nicht nur eine schöne Kulisse in einem homoerotischen Kontext, sondern ebenfalls eine "Garten Eden"-Referenz.

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Filme mit unterschiedlichen Paradiesvorstellungen


Ein beglückendes Zuhause in "Big Eden" (2000)

Einige Filmemacher weisen in Filmtiteln auf das Paradiesthema hin. Dabei merkt man schnell, dass die Vorstellung von einem persönlichen Paradies, genauso wie die vom Glück, etwas sehr Individuelles ist. In "Das Paradies kann man nicht kaufen" (1984) werden diverse trans Personen porträtiert, es geht u. a. um eine Opernaufführung mit dem Titel "Paradise is not für sale!" und um eine Äußerung von Thomas Holck: "Ich bin dem Paradies so nahe wie möglich gekommen" (Hermann J. Huber: "Gewalt und Leidenschaft", 1989, S. 138). Ein schwuler Mann in "Big Eden" (2000) beschreibt eine kleine fiktive paradiesische Stadt in den Bergen von Montana als sein beglückendes Zuhause. Unklar bleibt der Titel des Kurzfilms "Hotel Paradijs" (2007), weil das Hotel im Film zwar vorkommt, jedoch keine bedeutende Rolle spielt. Der Filmtitel "Unser Paradies" (2011) scheint zunächst ebenfalls recht unpassend gewählt zu sein, weil es hier um zwei schwule Männer geht, die morden, rauben und sich prostituieren. Sie fliehen dann aber "aus Paris, um ihr Paradies zu suchen, wo sie mit allem aufhören und einen Neuanfang wagen können" (moviepilot).

Zwei schwule Kurzfilme, die sich abstrakt auf den Garten Eden beziehen, erschienen im selben Jahr. In "Éden" (Portugal 2014, hier Trailer) bemüht der Regisseur Fábio Freitas zwar die Bibel (1. Buch Moses 2, 8), zeigt seine beiden Protagonisten João and Pedro allerdings nicht in einem Garten, sondern mitten auf einer Landstraße. In Sean Willis' "Eden" (2014) kommt ein Schwuler nach einem Freitodversuch in eine Psychiatrie, die den euphemistischen Namen "Eden Institute" trägt und wohl daran erinnern soll, dass das Leben im Paradies in konservativer Sicht aus einem Zusammenleben von Mann und Frau zu bestehen hat.

Einzelne Filmszenen mit unterschiedlichen Paradiesvorstellungen

Manchmal werden die Vorstellungen von einem schwulen Paradies nur durch kurze Filmszenen deutlich. Eine symbolische Bedeutung fängt schon dort an, wo "Paradise" der Name eines Motels ("Queer as Folk", Folge 3/10) oder einer Schwulenbar ist, wie in "La triche" (1984) und "American Vagabond" (2013). Mehrfach ist in "The Tears of Aids" (1996, 5:38, 6:40 Min., hier online) von einem "little paradise" die Rede, was man als kleines persönliches Glück übersetzen kann, aber mit der unberührten Natur auch auf den biblischen paradiesischen Urzustand Bezug nimmt. In "Yang and Yin: Das Spiel der Geschlechter" (1997) ist von einem "männlichen Paradies" die Rede und am Ende des Kurzfilms "Over da Rainbow" (2008) ist das Musikstück "Male Paradise" zu hören. In beiden Fällen ist damit eine Art "schwules Paradies" gemeint.

Die Vorstellung von einem persönlichen Paradies wird manchmal in Filmbesprechungen thematisiert: So habe sich Diego in "Erdbeer und Schokolade" (1993) ein "privates kulturelles Paradies" erschaffen und bezogen auf den Film "Men in Love" (1990) ist die Rede von einer "paradiesisch" gefilmten Insel Hawaii (Axel Schock / Manuela Kay: "Out im Kino", 2003, S. 110, 247). Das persönliche Paradies wird gewünscht, gesucht und manchmal sogar gefunden. Es wird deutlich, dass auch bei solchen Wünschen nach privatem Glück das religiös verstandene Paradies erkennbar Pate steht.


Auch der Name des "Paradise Motel" in "Queer as Folk" (Folge 3/10) beruht indirekt auf religiösen Begriffen

Das Paradies in "Einsam – Zweisam – Dreisam"

Die Zärtlichkeiten der Ménage a trois – bestehend aus Alex, Stuart und Eddy – in "Einsam – Zweisam – Dreisam" (1994) an einem paradiesisch gelegenen See werden von einem Pfarrer und Kindern gestört. Diese Szene wird von Stuart aus dem Off kommentiert, der so die Vorstellungen des Regisseurs verdeutlicht: "Alex sagte hinterher, der Priester symbolisierte Gott, die Kinder die verlorene Unschuld und wir drei eine postmoderne Eva mit zwei Adams, die aus dem Garten Eden vertrieben wurden und bis in alle Ewigkeit durch die Wildnis ziehen müssen, weil wir gesündigt hatten. Wir hatten uns unserer Nacktheit hingegeben und von der verbotenen Frucht gekostet." Solche Filmszenen sind in erster Linie spannende Referenzen auf die Bibel. In zweiter Linie können sie auch als indirekter Wunsch von Schwulen und Lesben verstanden werden, ein Teil der Schöpfungsgeschichte zu sein. Erinnern möchte ich an den antiken Mythos der "Kugelmenschen", eine Art Schöpfungsgeschichte, die sich in einem wichtigen Punkt von der biblischen unterscheidet: Hier ist gleich­geschlechtliches Begehren ein Teil der Schöpfung.


Kurz vor der Vertreibung aus dem Paradies: Szene aus "Einsam – Zweisam – Dreisam" (1994)

Das verlorene Paradies

Wie in der Bibel kann das Paradies aber auch verloren gehen, was "The last days of Paradise" (1994) schon im Titel andeutet. In Jan Krügers Film "Rückenwind" (2009) vermittelt das Naschen unbekannter giftiger Früchte den Eindruck, dass hier "von Anfang an die Vertreibung aus dem Paradies mitreflektiert" wird (s. Zweitausendeins). "Binyag. Verlorene Unschuld" (2008) versteht sich als persönliche Reflexion über den Verlust des Paradieses. In "Lost in Paradise" (2011) geht es um enttäuschte Sehnsüchte und Hoffnungen, die mit dem schwulen Leben an einem bestimmten Ort – hier die Großstadt Ho-Chi-Minh-Stadt – verbunden werden. Im weiteren Sinn gehört dazu auch die umgangssprachliche englische Redensart von "trouble in paradise" als Umschreibung von etwas, das schief läuft, wo es normalerweise keine Probleme geben sollte. Diese Redensart ist mit Bezug auf Lenny und Carl in "Die Simpsons" (Folge 16/19) sowie Michael und David in der US-Serie "Queer as Folk" (Folge 1/14) zu hören.


Das Paradies in "The last days of Paradise" (1994) und "Lost in Paradise" (2011)

Die heterosexuellen Prototypen Adam und Eva

Adam und Eva sind in unserer christlich geprägten Kultur nach wie vor ein zentraler Bestandteil unserer Paradies-Vorstellungen. Von konservativen und fundamentalistischen Christen wird dieses Paar bis heute als Legitimation herangezogen, um Schwulen und Lesben gleiche Rechte vorzuenthalten. In der Dokumentation "American Marriage" (2012) ist ein Plakat mit dem homophoben Slogan "Remember Eden …? Adam & Eve" zu sehen, womit illustriert wird, wie von Demonstrant*­innen der Versuch unternommen wird, Homophobie mit Hilfe der Bibel zu legitimieren. Die konservativ-christliche Parole "God made Adam and Eve, not Adam and Steve" ist in den USA weit verbreitet. Das spiegelt sich auch in der homophoben Pseudo-Dokumentation "AIDS. The Judgement of God" (2014, 9:23 Min., hier online) wieder, wo betont wird: "God's Plan for man was Adam and Eve and not Adam and Steve."


Die Bibel als Legitimation für Homophobie in "American Marriage" (2012)

Entgegen seinem Ursprung wurde der Slogan von "Adam and Eve" später emanzipatorisch umgedeutet. Beispiele dafür sind die Komödie "Adam & Steve" (2005) und die Kurzfilme "Adam and Steve" (2000), "Adam & Eve & Steve" (2006) und "Adam & Steve" (2015). Auch als Referenzen tauchen "Adam und Steve" in Filmen auf, z. B. als Titel eines Musicals in dem Film "The Big Gay Musical" und als Äußerungen über "Adam und Adam" in "I left me" (2004) oder über "Adam and Eve" in "Corndog of Tolerance" (2006). In "Love is all you need?" (2011) ist sogar ein Schild mit der Aufschrift "Adam & Steve, not Adam & Eve" zu sehen.


Die emanzipatorische Umdeutung eines homophoben Slogans in den Filmen "Adam & Steve" (2005) und "Adam & Steve" (2015)

Auch bei leichten Namens-Abwandlungen ist die Bibel-Referenz noch leicht zu erkennen, wie bei "Adam & Yves" (1974), Adam und Dave in "Mr_Right_22" (2007) und Adam und Everett in "Eden" (2014). In ihrer emanzipatorischen Inszenierung sind sie leise Gegenstimmen zum konservativ-christlichen Amerika. Schon der Name "Adam" kann für sich alleine genommen schon auf die Bibel und damit auf den ersten Menschen verweisen, wie bei der schwulen Bar "Adam & Adam" in "Die Simpsons" (Folge 4/17).

Pornos – schwule Urlaubsparadiese

In Schwulenpornos wird das Paradies vor allem als Urlaubsparadies verstanden und mit Palmen bzw. Wasser inszeniert ("Welcome to Paradise", "Paradise Found", "Lovers in Paradise"). Dabei orientieren sich die Pornos manchmal an Hotels oder bekannten Urlaubsorten ("Paradise Inn", "Palm Springs Paradise"), während manche Cover mit einem Baum im Hintergrund eher an die Bibel anzuknüpfen scheinen ("Bears in Paradise"). Einige Pornos verstehen, unterstützt durch die Bildsprache, unter einem Paradies den Genuss von Fetischen und Sex ("Pinga Paradise", "Skater Boy Paradise", "Anal Paradise") und kombinieren das Wort "Paradies" mit weiterem sexualsymbolischem Vokabular wie "Hintertür" ("Backdoor to Paradise") oder "Bepflanzung" ("Paradise Plantation"). Weil das Gute und Schöne im Film auch schnell langweilig werden kann, bringen einige Pornos das Böse mit ins Spiel bzw. in den Filmtitel ("Devils in Paradise", Jean Daniel Cadinots "Paradiso Inferno").

Der pornographische Film "Ecosexual" (2015) des schwulen Regisseurs Antonio Da Silva zeigt während eines poetischen Monologes einen wichsenden Mann in der Natur, was sich ebenfalls als eine persönliche Interpretation des Gartens Eden verstehen lässt (der Regisseur hat diesen Film auf seiner Homepage online gestellt).


Das Paradies als Sex-Kulisse in "Bears in Paradise" und "Backdoor to Paradise"


Himmel und Engel – geschickt, gefickt, gefallen

Der Himmel in seiner religiösen Bedeutung steht symbolisch für die Nähe zu Gott. Engel sind seine Boten, sie werden meistens geschlechtslos dargestellt, aber wie die Engel in Sodom manchmal auch als junge Männer beschrieben. Als "gefallene Engel" werden abtrünnige Engel bezeichnet, die aus dem Himmel vertrieben wurden. Über Religionen hinweg haben Engel die Phantasie angeregt, können Begleiter bei Konflikten sein und den Abstand zu Gott überbrücken. In Frankfurt am Main steht der "Frankfurter Engel" als Mahnmal für die nationalsozialistische Homo­sexuellenverfolgung.

Der Himmel

Der Herausgeber des Sammelbandes "Himmel – Hölle – Hollywood. Religiöse Valenzen im Film der Gegenwart" (2002, S. 3) verweist auf die vielen christlich-religiösen Motive und Symbole gerade in neueren Hollywood-Produktionen wie die apokalyptische Szenerie in "Independence Day", die Erlösergestalt in "Matrix" und die Teufelsthematik in "End of Days".

Auch in queeren Filmen lassen sich vielfältige Rückgriffe auf religiöse Symbole entdecken, wobei der religiöse Hintergrund nicht immer ernst genommen wird. In der satirischen Komödie "Im Himmel ist die Hölle los" (1984) mit Dirk Bach und Ralph Morgenstern bezieht sich der "Himmel" im Filmtitel formal auf den Namen eines Hotels, der Reiz liegt aber in der Redewendung "Himmel und Hölle", mit der sich unterschiedliche Gefühlslagen von "himmelhoch jauchzend" bis "zu Tode betrübt" charakterisieren lassen. Auch das persönliche schwule Lebensglück lässt sich metaphorisch über den Himmel, bzw. die Entfernung zu ihm, ausdrücken. In "Dem Himmel so fern" (2002) geht es um die unglückliche Liebe von Frank Whitaker und in "Dem Himmel so nah" (2012) um die glückliche Liebe von Andrés. Der religiös gemeinte Filmtitel "Seeing Heaven" (2010) bezieht sich auf den schwulen Paul, der auf der Suche nach seinem verstorbenen Zwillingsbruder ist und dabei Gefahr läuft, seine Seele zu verkaufen.


Wie weit ist man vom Himmel entfernt? "Dem Himmel so fern" (2002) und dem "Dem Himmel so nah" (2012)

Manchmal ist der Himmel auch zu sehen, wie in "Die Simpsons" (Folge 20/4), wo Homer Simpson im Himmel auf den früheren, angeblich schwulen US-Präsidenten Abraham Lincoln trifft, der ihm direkt an seinen Hintern greift. Dies sind nur wenige Beispiele, die aufzeigen, dass auch in queeren Filmen der Himmel als Ort des persönlichen Glücks vorgestellt wird, wo wir all die Menschen wiedersehen, die vor uns gestorben sind.


Schwule Anmache: Homer und der US-Präsident Lincoln im Himmel ("Die Simpsons", Folge 20/4)

Engel in Filmen

Schon die vorhandene Sekundärliteratur lässt erahnen, dass Engel im Film kein unbedeutendes Thema sind (Kristina Jaspers: "Flügelschlag. Engel im Film", 2003; Anne Kramer: "Das Kino. Ort der Engel", 2006; Teresa Urban: "Mit Engelsaugen sehen. Überlegungen zur Figur des Engels im Film", 2012). In diesen Büchern lernt man u. a. die verschiedenen Bedeutungen von Engeln kennen, die begleitende Schutzengel, Boten Gottes, Symbol des Guten und des Bösen sein können. Das Kino bietet einen Platz für neue Vorstellungen von alten religiösen Motiven. Für die Kirchen mögen Engel asexuell sein; für das Kino sind sie es sehr oft nicht. Auch die schwule Filmgeschichte hat spannende Engelsfiguren zu bieten, die nachfolgend nach ihren unterschiedlichen Bedeutungen unterteilt werden.

Engel sind im Himmel ganz nah bei Gott

Engel sind oft im Himmel verortet und verkörpern das Göttliche. Der Titel des Films "Seeing Heaven" (2010) bezieht sich auf ein Bild mit einem Engel, das diese Bezeichnung trägt, und verweist über den Engel auf den Himmel als den Ort, wo Paul seinen verstorbenen Zwillingsbruder wiedersehen möchte. Als in dem Biopic "Liberace" (2013, D: Michael Douglas) der titelgebende Entertainer stirbt, fährt Liberace – zumindest in der Phantasie seines Lebenspartners – in einem weißen Kostüm wie ein Engel von der Bühne in den Himmel auf, kann aber auch mit der Himmelfahrt Jesu assoziiert werden.


"Liberace" (2013, D: Michael Douglas, Ausschnitt) fährt wie ein Engel zum Himmel

Manchmal wird das Erwachen einer Person so inszeniert, als würde diese im Himmel stattfinden, aber in "Trevor" (1994, 14:05 Min., hier online) erwacht der gleichnamige Protagonist nach einem Freitodversuch nicht im Himmel, sondern in einem weißen Krankenzimmer mit einem engelsgleichen Pfleger. In "Kinky Boots. Man(n) trägt Stiefel" (2005) erwacht der Protagonist in einer Garderobe voll mit kitschigen Engelsfiguren, in "Poster Boy" (2015) in einem Himmel mit schwulen Engeln.

Engel sind Gesandte Gottes und Vermittler

Die Vorstellung von Engeln als Gesandte Gottes erscheint unter anderem in der biblischen Geschichte der Vernichtung von Sodom und Gomorrha. In dem Film "Lot in Sodom" (1933, 11:25 Min., hier online) wird diese Geschichte klassisch erzählt, einschließlich des männlichen Engels, der auf die Erde kommt und von den Männern in Sodom erotisch begehrt wird. Andere, spätere Filme sind moderne Variationen dieser religiösen Vorstellung. In Pier Paolo Pasolinis "Teorema" (1968) kommt ein junger Mann in eine bürgerliche Familie und verdreht allen den Kopf. Nach Pasolini ist er als ein "Sendbote Gottes im Sinne des Alten Testaments" zu verstehen ("Out im Kino", 2003, S. 331-332).

Basierend auf der religiösen Vorstellung gelten Engel als Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Man kann Engel aber auch als Vermittler zwischen Menschen einsetzen, wie in dem Kurzfilm "Heavenly Peace" (2015, hier online) nach Ralf König, in dem der Engel bei der Vermittlung zwischen zwei verkrachten Partnern sehr viel zu tun hat, bis zwischen ihnen endlich wieder Frieden herrscht.


In "Heavenly Peace" (2015) nach Ralf König versucht ein Engel zu vermitteln

"Engel in Amerika" sind Boten und später leblose Statuen

Die bedeutendsten Filmengel in einem schwulen Kontext sind wohl die "Engel in Amerika" (2003) – in einer Miniserie von rund sechs Stunden. Sie basiert auf dem gleichnamigen und vielfach ausgezeichneten Theaterstück von Tony Kushner, wobei die Engel nicht nur den Filmtitel, sondern auch die Handlung prägen. Der wichtigste Protagonist ist der an Aids erkrankte schwule Prior Walter, der mehrfach von einem Engel besucht wird. Zu den verschiedenen Engeln der Serie gehören auch der Engel Australiens (D: Meryl Streep) und der Engel Amerikas (D: Emma Thompson). Unter der Überschrift "Ein Käfig voller Engel" beschreibt die Rezensentin der "taz" (2005) sehr gut die schwulen Passionsgeschichten in einer präapokalyptischen Szenerie mit ihren bombastischen Bildern. Nach einer Erektion, die die Ankunft eines himmlischen Boten ankündigt, wird der Prior "zum Propheten ernannt, der den Menschen von den Engeln ausrichten soll, dass Gott den Himmel verlassen hat". Später "werden die Engel als steinerne Statuen auf ihre Sockel gebannt".

Engel als Inbegriff der Unschuld, der Liebe und des Guten

Engel stehen manchmal für Unschuld, wie es schon der Titel des Films "Unschuldsengel" (1994) metaphorisch ausdrückt, der von einem Stricher (D: Jürgen Vogel) und einem schwulen Kneipenwirt (D: Moritz Bleibtreu) handelt. Der Film "Binyag. Verlorene Unschuld" (2008, 64 Min.) handelt vom schönen jungen Leo, der auf dem Filmcover mit Engelsflügeln zu sehen ist. Sein bisher paradiesisches Leben nimmt eine Wendung, wobei sich der Film als eine persönliche Reflexion über den Verlust des Paradieses und der Unschuld versteht.

In der US-Serie "Queer as Folk" ist Justin als Engel verkleidet auf dem "Ball der Engel" zu sehen. Auf diesem Ball wird Geld gesammelt für die "Engel von Pittsburgh", eine Organisation, die Essen für Aids-Kranke organisiert (Folge 2/13). Michael und Ben werden später als "Engel" bezeichnet, weil sie sich um den Stricher Hunter kümmern (Folge 3/14). Auf diese Weise stehen Engel für das Gute und Karitative.

Engel – erotische Verführung und persönliches Glück

Manchmal sind Engel von verführerischer Schönheit, wie Tadzio in "Tod in Venedig" (1971). In Roman Polańskis "Tanz der Vampire" (1967) ist die Frage von Herbert an Alfred "Wollen wir einem Engel erlauben, durchs Zimmer zu gehen?" ein sexuelles Angebot.

Jan Krüger hat nicht nur seinen schwulen Kurzfilm "Verführung von Engeln" (2000), sondern auch seiner Kurzfilmsammlung (2007) diesen Namen gegeben. Der Titel geht auf Udo Lindenberg zurück, der – frei nach einem Gedicht von Bertolt Brecht – den Sex mit Engeln besingt, die sich gar nicht oder schnell "verführen" lassen. Brecht und Lindenberg spielen dabei bewusst und provokant mit dem Kontrast zwischen der "Verführung" einerseits und der krass verbalisierten Handgreiflichkeit andererseits. Während bei Brecht die "Engel" weiblich sind, sind sie nach Lindenberg bisexuell (s. Youtube-Musikvideo mit den Filmszenen von Jan Krüger).

Von Erotik und Verführung handelt auch der Coming-out-Film "Cowboys & Angels" (2003). In der US-Serie "Die Simpsons" gibt es regelmäßige homo­erotische Anspielungen in Bezug auf Carl. In einer Szene wird Carls Wunschvorstellung visualisiert: ein Himmel voller Engel mit dem Gesicht seines Arbeitskollegen Lenny (Folge 17/4).


Verführerische Engel in dem Musical "Adam & Steve" aus dem Film "The Big Gay Musical" (2009)

Von zentraler Bedeutung sind Engel in "The Big Gay Musical" (2009, hier online), worin in einem Musical mit dem Titel "Adam & Steve" die Entstehung der Welt mit tanzenden, weiß gekleideten, erotischen Engeln dargestellt wird (u. a. 1:15-8:25, 1:14:00-1:26.15 Min.). In diesem Musical tritt auch ein Schutzengel namens Dorothy auf – eine Referenz auf die von Judy Garland verkörperte Rolle der Dorothy in dem Filmklassiker "Der Zauberer von Oz" (1939). Wie bei den "Simpsons" werden die christlichen Motive hier mit viel Ironie behandelt. Auch in "Wäre die Welt mein" (2008) sind erotische Engel mehrfach auf der Bühne zu sehen. Der Film "Amphetamin" (2010) beginnt mit einem nackten Mann mit Engelsflügeln, der auf die Stadt Hong Kong herunterblickt und die Arme hebt, als wäre er bereit zu fliegen und sich über alles zu erheben.

Nicht nur von der Kirche werden Engel als geschlechtslos angesehen. Dass einige erotische Engel kein Geschlecht zu kennen scheinen, mag vielleicht ein Grund dafür sein, dass sich mit dem Motiv des Engels auch gut bisexuelle Dreiecksgeschichten mit zwei Männern und einer Frau erzählen lassen, so im Spielfilm "The Sex of Angels" (2012) und in dem Kurzfilm "Berlin Angels" (2013, hier online). Vor diesem geschlechtlich unbestimmten Hintergrund würden sich Engel eigentlich auch gut für Geschichten über Pansexualität, Trans- und Inter­geschlechtlich­keit anbieten, die allerdings nicht gefunden wurden.


Welches Geschlecht haben Engel? "Berlin Angels" (2013)

Apokalyptische und böse Engel

Die Vorstellung von Engeln ist nicht immer nur positiv, sondern kann auch mit Gewalt, Abtrünnigkeit, dem Tod und der Apokalypse verbunden sein. Zu den vielen religiösen Bezügen in Fassbinders "Querelle" (1982) nach dem gleichnamigen Roman von Jean Genet gehören auch Engel, die mit Querelle in Verbindung gebracht werden. So wird Querelle nicht nur mit dem Erzengel Gabriel (als Gottes Botschafter), sondern auch mit einem apokalyptischen Engel verglichen. Für das Online-Magazin "Untergrundblättle" (2022) steht Querelle "am Scheideweg zwischen teuflischem Tod-Bringer und himmlischem Engel", wobei die "Rückkehr des 'Todesengels', des 'apokalyptischen Reiters'"genauso gegenwärtig sei wie das Bild von Querelle als "der Befreier, das Gute (und) der Erlöser".

Erinnern möchte ich an Allen Ginsbergs bedeutendes Gedicht "Howl", in dem er sich zwölfmal auf Engel-Gestalten bezieht, u. a. auf einen nackten blonden Engel, der in einem Bad Schwule mit einem Schwert durchbohrt. In dem Film "Howl" 2010) ist der Inhalt dieses Gedichtes gut dargestellt. Auch in dem Softcore-Porno "Angels with Tethered Wings" (2014) kommen böse Engel vor. Mit der Metapher der gebrochenen Flügel wird im Filmtitel zunächst nur die Unfähigkeit zu lieben ausgedrückt, die in der Filmhandlung mit schwulen Zombies und Mord aber sehr gewalttätige Formen annimmt.

Die Engel des Todes

Als Engel des Todes wird ein Engel bezeichnet, der Menschen den Tod bringt oder Verstorbene ins Jenseits begleitet. Ein solcher Engel ist Tadzio in Luchino Viscontis "Tod in Venedig" (1971). Gustav Aschenbach erliegt seiner engelsgleichen Schönheit und stirbt in Venedig. Visconti hatte nach einem geeigneten Darsteller für diesen "Engel des Todes" (Wikipedia) lange gesucht, den schließlich Björn Andrésen verkörperte. Ein halbes Jahrhundert nach Viscontis Film thematisierte der Dokumentarfilm "The Most Beautiful Boy in the World" (2020) Andrésens Überforderung mit dem frühen Ruhm durch diesen Film. Unter der Überschrift "Gefallener Engel" kritisierte die "Süddeutsche Zeitung" (27. Dezember 2022), dass die Filmemacher ähnlich wie Visconti "dem Charme des blonden Engels" erlegen seien.


Tadzio als Todesengel in Luchino Viscontis "Tod in Venedig" (1971)

Ein anderer Todesengel ist in dem Film "Die Nacht aus Blei" (1985, hier online) von Petr Weigl nach einem Roman von Hans Henny Jahnn zu sehen. Hier wird in einer Art Traumsequenz die Geschichte des jungen Matthieu erzählt, der von einem Engel in der Nacht ausgesetzt wird (3:30 Min.) und nun alptraumhaft durch eine unbekannte Stadt streift. Am Ende des Films (1:01:55 Min.) wird er in den Armen des Todesengels Gari fortgetragen.


Der surrealistische und erotische Todesengel Gari in "Die Nacht aus Blei" (1985)

Pornos – Sex mit blonden B-Engeln

Auf den Himmel im Sinne einer Assoziation mit Glücksgefühl und Sex spielen einige Titel von Schwulenpornos an ("Sex Heaven", "Bareback Heaven", "Heaven too soon"), wobei der Himmel manchmal auch als Cover-Motiv erscheint ("Twinky Heaven"). "Der Himmel kann warten" ist als Pornotitel ("Heaven Can Wait") ein Ausdruck dafür, auf der Erde seinen sexuellen Spaß zu haben, und zugleich eine Referenz auf zwei gleichnamige Spielfilme von 1943 und 1978.

In einigen Schwulenpornos sind die Engel gut, jung und gutaussehend ("Comme des anges", "Flirting with Angels", "Angel Blue"). Viel häufiger findet man jedoch widersprüchlich wirkende Bilder, die diese perfekten Wesen ambivalent werden lassen: Da ist der schöne, blonde, aber schmutzige Engel ("Blond Angel") und auch der gefallene ("Fallen Angel", "Fallen Angel Initiation"), böse ("Nasty Angels") und dunkle Engel ("Angels of Darkness", "Dark Angel"). Ein "Bruised Angel" (= verletzter Engel) bezieht sich, nach dem Cover zu schließen, offenbar auf einen sexuell passiven Mann. Im Deutschen reimt sich "Engel" auf "Bengel", worauf der Titel einer Filmreihe zurückgriff ("B-Engel Action 15"). Zur Kontrastierung bedient man sich aus nachvollziehbaren Gründen des Teufels, wie u. a. Jean Daniel Cadinot ("Anges et démons"). Der "Teufel im Leib" wird aufgerufen ("The devil in Angel Cruz"). Das Cover des Films "Dirty Little Sins" des Labels "Red Devil Entertainment" zeigt eine Friedenstaube, einen Mann mit Kreuz und Engelsflügeln sowie den Untertitel "Love the Sinner".

Viele Pornodarsteller wählen Namen, die unterschiedliche symbolische Assoziationen auslösen sollen. Es gibt zwar auch die zahmen und lieben Engel ("Angel Skye", "Angel Kiss", "Angel Boi"), vor allem aber die dunklen und geheimnisvollen ("Black Angel", "Drake Angel", "Fallen Angel", "Angel Demon", "Angel Shadowlake"). Ein "Gabriel Angel" hat sich offenbar nach dem Erzengel benannt.


Sexuelle Vorstellungen vom Himmel in "Heaven too soon" und "Angel Blue"


Hölle und Teufel – Der Herr der Finsternis ist zahm geworden

In vielen alten Kulturen existiert der Glaube an eine Hölle oder ein höllenartiges Jenseits. In Dante Alighieris "Göttlicher Komödie" – einem der größten Werke der Weltliteratur – hat der Autor rund zehn Personen in der Hölle bzw. im Fegefeuer als "Sodomiten" dargestellt. Auch wenn heute kaum noch jemand an die Hölle oder den Teufel zu glauben scheint, sind sie als Motive im Film durchaus präsent. Dabei ist der Teufel das personifizierte Böse, der – wie im zweiten Teil von Goethes "Faust" – auch homo­sexuell sein kann.

Die Hölle

Das Verständnis einer Hölle ist in der heutigen Zeit von der Vorstellung einer religiösen Strafandrohung weitgehend befreit. Als symbolischer Ort funktioniert die Hölle jedoch in Filmen bis heute. Zwei Filme von Pier Paolo Pasolini sind dafür gute Beispiele: In der letzten Episode seines Episodenfilms "Pasolinis tolldreiste Geschichten" (1972) zeigt Pasolini die Hölle, in der ein Mann von einem Ungeheuer, vielleicht vom Teufel selbst, gefickt wird. Einige Jahre später hat sich Pasolini bei seinem Film "Die 120 Tage von Sodom" (1975) in der Erzählstruktur erkennbar an Dantes "Inferno" angelehnt: "Der Film ist in drei Segmente geteilt", die "Höllenkreise der Leidenschaft", der "Scheiße" und des "Blutes", von denen aus Parallelen zur "Vorhölle" der "Göttlichen Komödie" gezogen werden können (Wikipedia). Bei den Filmen "Latin boys go to hell" (1997) und "Hellbent" (= höllische Neigung, 2004) verweisen bereits die roten Filmcover farbsymbolisch auf die Hölle. In der Dokumentation "Rosas Höllenfahrt" (2009) behandelt Rosa von Praunheim das Thema Religionskritik – natürlich in Verbindung mit seinem Lieblingsthema Homosexualität.


Persönliche Vorstellung von der Hölle: Analverkehr in "Pasolinis tolldreiste Geschichten" (1972)

Ähnliche Bilder einer metaphorischen Hölle für Homo­sexuelle ergeben sich in einzelnen Filmszenen: In "Switch. Die Frau im Manne" (1991) führt eine Szene in der Hölle zu einer dramaturgischen Wendung und in einer Folge der Serie "Criminal Minds" (Folge 8/15) wird eine Konversions­therapie als Jahr "in der Hölle" bezeichnet. In "Latter Days" (2003) wird betont, dass man eh in die Hölle komme und daher auch die "aufregendere Route" nehmen könne. In der US-Serie "Queer as Folk" wird darüber philosophiert, ob Schwule in die Hölle kommen (Folge 2/4, 2/9, 4/4) und darüber, dass ein Politiker wie Jim Stockwell in die Hölle gehöre (Folge 3/9).

Der schwule Teufel als Metapher

Schon mehrfach wurde in der Sekundärliteratur der Teufel als Filmmotiv behandelt (Johannes-Paul Lesinski: "Lucifer on Screen", 2007; Britta Rensing / Bertram Schmitz [Hg.]: "Himmel und Hölle. Religionen im asiatischen Film", 2011; Bruno Minniti / Charlotte Müller: "Teufel, Teufelspakt und Teufelsbündnis", 2017). Lässt sich die Frage der Darstellung unabhängig von der Frage beantworten, ob an den Teufel geglaubt wird? Der Filmhistoriker Vito Russo stellt fest ("Die schwule Traumfabrik", 1990, S. 255), der Glaube an den Teufel und die Hölle sei wirkmächtig, auch wenn er selber nicht daran glaube. Er sei es aber leid, sich Gedanken darüber zu machen, dass "ich keine Hörner habe und nicht nach Schwefel rieche" und dass die Bibel überhaupt nicht sage, "ich sei auf dem Weg in ihre weltberühmte, aber ganz eingebildete Hölle". In den Bereich der Metaphern gehört der Filmtitel "Der Teufelskreis" (1961), der sich auf Erpressung bezieht. In dem Film wird auch gefragt, ob der Teufel in Schwule gefahren sei.

Schwule Männer als Teufel

Die Frage, ab wann ein Schwuler in einem Film wie ein Teufel inszeniert ist, ist wohl vor allem eine Frage der subjektiven Wahrnehmung. In "Die Zärtlichkeit der Wölfe" (1973) wird der schwule Serienmörder Fritz Haarmann zumindest als "satanisch" wahrgenommen (Hermann J. Huber: "Gewalt und Leidenschaft", 1989, S. 199). In "Anders als du und ich" (1957) wirkt Boris Winkler – auch durch die zeitweise Beleuchtung – wie eine "teuflische" Gestalt ("Out im Kino", 2003, S. 36).


Hat der schwule "Verführer" Boris Winkler in "Anders als du und ich" (1957) tatsächlich Teufelshörner auf der Stirn?

Engelchen und Teufelchen – der Reiz von Kontrasten

Einen deutlicheren Bezug zum Teufel haben die Titel der vier Filme "Prinz in Hölleland" (1993), "Love is the devil" (1998), "Mein Bruder der Teufel" (2011), "Handsome devil" (2016) und der Dokumentation "The Devil in the Holy Water" (2002). Auch wenn darin die Hölle und der Teufel gar nicht handlungsprägend sind und die Wörter nur als emotionalisierende Signalwörter verwendet werden, weisen diese Filmtitel eine interessante Gemeinsamkeit auf: Wie in der beliebten Formulierung "Himmel und Hölle" betonen auch sie jeweils einen Kontrast. Auf der einen Seite sind da der schwule Prinz, der Geliebte (von Francis Bacon), der geliebte Bruder, der hübsche Kerl und das heilige Wasser, die aber gleichzeitig metaphorisch mit der Hölle und dem Teufel in Verbindung gebracht werden und damit schon im Titel eine dramatische Spannung signalisieren. Mit Ausnahme der ironischen Anspielung in der genannten Dokumentation liegt das Böse und "Teuflische" nicht im Schwulsein, sondern in Drogen bzw. Kriminalität begründet.


Signalwort und Kontrast: der Filmtitel "Mein Bruder der Teufel" (2011)

Spannungssteigernde Kontraste bieten auch Szenen, in denen den Protagonisten Engelchen und Teufelchen erscheinen und (gegensätzliche) Ratschläge für das Leben bereithalten, wie in "The Mostly Unfabulous Social Life of Ethan Green" (2005) und – leicht abgewandelt – in "Another Gay Sequel" (2008).


Sex-Ratschläge von Engelchen und Teufelchen in "The Mostly Unfabulous Social Life of Ethan Green" (2005)

Ein Pakt mit dem Teufel

Der Teufel ist das personifizierte Böse und in einigen Filmen deshalb präsent, weil Männer einen Pakt mit ihm eingehen (auch das Filmlexikon der Uni Kiel kennt dazu einige Beispiele). Homo­erotische Bezüge in einem solchen Kontext finden sich in zwei recht häufig verfilmten Werken der Weltliteratur: zum einen in Goethes "Faust", worin der Teufel (im zweiten Teil) kurzzeitig auch homo­erotisch empfindet; zum anderen in Oscar Wildes Roman "Das Bildnis des Dorian Gray", das schon mehr als zehnmal, zum Teil homo­erotisch, verfilmt wurde und worin Dorian Gray einen Pakt mit dem Teufel abschließt, um ewig jung zu bleiben.

Mir ist unklar, warum der oben schon behandelte Film "Querelle" (1982) den Untertitel "Ein Pakt mit dem Teufel" bekommen hat. Vermutlich nur, weil dies spannungssteigernd wirken soll und aufgrund der religiösen Bezüge im Film als irgendwie passend erschien. Deutlichere Bezüge und zugleich eine neue Interpretation eines Paktes mit dem Teufel bietet "The Infernal Rapist" (1988): Der Teufel schenkt einem zum Tod verurteilten Strafgefangenen das Leben, weil sich dieser im Gegenzug dazu bereit erklärt, in seinem Namen Menschen zu töten und zu vergewaltigen. Sein erstes Opfer ist ein Mann, der von hinten erstochen und vergewaltigt wird. Im Anschluss ritzt ihm der Täter mit einem Messer die Zahl "666" als Zeichen des Teufels in seinen Hintern.

Sex mit dem Teufel

Neben dem Pakt mit dem Teufel geht es in einigen Filmen auch um Sex mit dem Teufel. (Die sogenannte "Teufelsbuhlschaft" war im 16. und 17. Jahrhundert fester Bestandteil von Hexenprozessen). In "South Park. Der Film" (1999) ist der frühere irakische Staatspräsident Saddam Hussein in der Hölle und hat ein sexuelles Verhältnis mit dem Teufel. Weniger ausführlich wird in "Die Simpsons" Abe beim Knutschen mit dem Teufel gezeigt (Folge 17/21), womit man sich satirisch darüber lustig macht, dass fundamentalistische Christ*­innen in der Darwin'schen Evolutionstheorie etwas Teuflisches sehen. In "666: Beware the End is at Hand" (2007) wird ein Mann durch Sex mit dem Teufel ebenfalls zum Teufel.


In "South Park. Der Film" (1999) haben Saddam Hussein und der Teufel ein sexuelles Verhältnis

Es ist selten, dass ein Teufel, wie in diesen Filmen, auch zu sehen ist. Manchmal werden auch Attribute des Teufels, wie seine Hörner, als Eyecatcher eingesetzt. Auf dem Filmcover von "Ich kann nicht schlafen" (1994) ist ein schwuler Serienmörder als Teufel mit Hörnern und Teufelsschwanz zu sehen. In "Verde verde" (2012) wird ein Mann zum Mörder, als er sich passiv hingeben soll. Eingeblendet wird die Zeichnung eines Teufels und eines Stiers, die vergleichbare Hörner tragen.

Pornos – Hölle und Teufel

In Schwulenpornos taucht die Hölle manchmal in simplen Kraftausdrücken auf ("Hotel Hell", "Hell Weekend", "Hellhouse", "Boy Suck Cocks Like Hell", "Fuck the hell out of me", "Hotter than hell", "Hotter than hell!"). In dem Pornotitel "Gates of Hell" steht das "gate" bzw. Tor für den Anus.

Ein Pornolabel heißt "Hell House"; das Label "Heavenly Hunks" mit dem Logo eines schwarzen Engels hat u. a. den Film "Bareback Hell Driver" produziert. Mehrere Namen von Pornolabels beziehen sich auf den Teufel ("Devils Door Productions", "Red Devil Entertainment"). Andere Labels zeigen in ihrem Firmenlogo einen stilisierten Teufel ("Forbidden Black", "Pornteam.com", "Evil Playgrounds").
Wie bei den Spielfilmen wird auch bei Pornos gerne mit Kontrasten gespielt und das Engelsgleiche mit dem Bösen verbunden ("Kinky Angels", "Evil Angel"). Das Pornolabel "Cocky Boys" arbeitet in seinem Logo mit dem, was jede*r als Sinnbild für gute und schlechte Seite von Menschen kennt: stilisierte Darstellungen eines Heiligenscheins (= Engelchen) und von Hörnern (= Teufelchen). Das Gleiche gilt für den Pornotitel "Horns and Halos" (= Hörner und Heiligenscheine).

Mit dem Teufel in Kombination mit weiteren symbolischen Begriffen lassen sich Urinspiele ("Yellow Devil", "Devil in the rain"), Unterwürfigkeit ("Devil Dogs"), Analverkehr ohne Kondom ("Dirty Devils") und Sex mit People of Colour ("Black Devils") andeuten. Einige Pornotitel sind Wortspiele und beziehen sich auf den sprichwörtlichen "inneren Teufel" und das Körperinnere im Zusammenhang mit Analverkehr ("Inner Devil", "Inner Devil 2", "Devil Inside").


Der Teufel steckt in den Details der Cover von "Bad Boys" und "Horns & Halos"

Die Titel einiger Schwulenpornos banalisieren den Teufel ("Dust Devils") bzw. verniedlichen ihn ("Handsome Devil", "Little Demons", "Little Devil", "Cute Devils"). Das gleiche Phänomen findet sich auch auf der Bildebene wieder, wenn auf Covern "böse Buben" ("Bad Boys") mit Teufelshörnern versehen werden. Spätestens dann merkt man, dass der Teufel heutzutage nicht mehr ernst genommen wird. Dabei wird metaphorisch sogar Sex mit dem Teufel angedeutet ("And the Devil Makes 3", "Devil is a bottom"). Schwulen Sex in den Kontext von Sünde und Teufel zu stellen könnte, oberflächlich betrachtet, vielleicht als mutig oder provokant erscheinen. Es ist aber keine "Rückeroberung" und keine Umdeutung von als diskriminierend empfundenen Zuschreibungen. Dieser ironische Umgang ist nur deshalb möglich, weil zum Glück niemand mehr an diese Zuschreibungen glaubt und sie ernst zu nehmen braucht.

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