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Landtags-Debatte

BaWü: Kein einziger Fall von "Gender-Zwang" bekannt

In einer Landtags-Debatte stellten sich alle übrigen Parteien gegen einen AfD-Antrag zum Verbot von Gendersprache in Schulen und Verwaltung. Die Regierung beklagte eine "Phantomdebatte" mit Fehlinformationen.


Das Gender-Sternchen in einer Spezialedition von "Scrabble" (Bild: Mattel Deutschland)

  • 22. Dezember 2023, 17:46h 5 Min.

Obwohl sich auch in ihren Reihen Gegner*innen des Genderns finden lassen, haben am Mittwoch im Landtag Baden-Württembergs alle anderen Parteien gegen einen Antrag der AfD gestimmt, in allen staatlichen Einrichtungen samt Schulen und öffentlichen-rechtlichem Rundfunk keine Gendersprache zu verwenden.

CDU, Grüne, SPD und FDP stellten sich so geschlossen gegen einen Spaltungsversuch der Partei, obwohl sie sich bei dem Thema sonst teilweise von der AfD treiben lassen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte etwa erst vor wenigen Tagen ein Gender-Verbot an Schulen angekündigt (queer.de berichtete), Wochen zuvor die neue schwarz-rote Landesregierung in Hessen (queer.de berichtete). Im Ländle hatten in diesem Jahr CDU und FDP mit entsprechenden Verboten gespielt. Die Landtagsdebatte fiel entsprechend nur teilweise progressiv, aber um Sachlichkeit und Ablehnung der AfD bemüht aus.

Deren Antrag (PDF) trug den Titel "Für den Erhalt der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit von Baden-Württemberg – Gegen die Zerstörung der sprachlichen Identität der deutschen Bürger durch ein Gender-Sprachdiktat". "Jeder Versuch gesellschaftlicher Gruppen, neue Sprachregelungen zu implantieren, ist geeignet, den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bevölkerung zu beschädigen", beklagt die diesen Zusammenhalt andauernd torpedierende Partei in dem Antrag. Jeder "Versuch einer verordneten Neusprache" verletze "zutiefst den demokratischen Konsens des Gemeinwesens".

Der bildungspolitische Fraktionssprecher der AfD, Hans-Peter Hörner, beklagte in seiner Rede, Schüler*innen müssten schlechtere Noten befürchten, sollten sie sich dem Gendern widersetzen, witterte eine "Umerziehung" in "totalitärer Manier" durch "Gender-Wissenschaften und grüne Ideologien" und sah mit dem Gendern "unsere Sprache" als "gewachsenes Kulturgut geschändet".

Grüne: AfD ist die Verbotspartei

Es seien die "Gegner*innen", "die ständig über das Gendern reden wollen", beklagte Oliver Hildenbrand, stellvertretender Fraktionschef der Grünen, in Richtung AfD. "Sie phantasieren einen Gender-Zwang herbei, den es gar nicht gibt, um dann ein Gender-Verbot zu fordern. Sie behaupten, jede und jeder soll so sprechen sollen, wie er oder sie will, und gleichzeitig wollen Sie Sprachverbote in Schulen und Behörden beschließen? Das passt doch ganz offenkundig nicht zusammen." Die AfD wolle die Gesellschaft nur weiter spalten, und die Ablehnung der Sprache sei für die Partei eine Chiffre, um "emanzipatorische Erfolge in der Frauen- und Geschlechterpolitik in Frage zu stellen". Im Kern gehe es bei geschlechtergerechter Sprache um Vielfalt, Anerkennung und Respekt. In diesem Bewusstsein werde sie von einigen jungen Menschen genutzt, auch im Klassenzimmer – "und das sollten wir nicht verbieten".

Die Debatte sei bereits im Februar geführt worden, ergänzte die CDU-Abgeordnete Isabell Huber – damals hatte die FDP einen Antrag gegen das Gendern eingebracht, für den letztlich neben den Liberalen nur die AfD stimmte (queer.de berichtete). Die CDU hatte zuvor einen ähnlichen Antrag beschlossen, aber aufgrund des Koalitionsfriedens und einer möglichen Mehrheit nur mit der AfD nicht eingebracht. Die Partei unterstützt auch eine geplante Volksinitiative mit einem ähnlichen Zweck eines CDU-Mitglieds, die vor wenigen Wochen die erste Hürde nahm und nun zu den ersten 14.000 Unterschriften 777.000 sammeln muss. Huber verwies auf die angeblich "klare Haltung" ihrer Partei zu der Frage des Genderns und betonte zugleich, dass Sprache lebendig sei und nicht im Landtag beschlossen werde.

Dorothea Kliche-Behnke (SPD) betonte, es stimme zwar, dass in Umfragen viele Menschen das Gendern "für sich" ablehnten, aber bei der Frage, ob dies Verwaltungen verboten werden solle, stehe es "fifty-fifty". Von einer Partei, die sich in Debatten immer wieder "entmenschlichter Srache" bediene, brauche man zudem keine Vorschriften zum Sprachgebrauch. Es gebe kein staatliches "Sprachdiktat" und alle sollten die Frage gelassener angehen.

Privat soll jeder sprechen, wie er möchte, fasste die FDP-Abgeordnete Julia Goll die Haltung ihrer Partei zusammen. Staatliche Einrichtungen inklusive dem Bildungsbereich sollten sich an Empfehlungen des Rats der deutschen Rechtschreibung halten – diese seien differenzierterer als das, was die AfD vortrage. Die in mehreren Landes- und Jugendverbänden behördlich als rechtsextrem eingestufte Partei könne auch keine Deutungshoheit über eine "Identität der deutschen Bürger" haben.

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Strobl: "Gender-Zwang" existiert nicht

Innenminister Thomas Strobl (CDU) betonte die Verankerung der Gleichbehandlung der Geschlechter im Grundgesetz, die die "respektvolle Anrede aller Menschen" gebiete. Das stehe ebenso außer Frage wie dass unter geschlechtergerechter Sprache "die Verständlichkeit und Lesbarkeit nicht über Gebühr leiden" dürfe, auch die "Schönheit" nicht. Das seien auch Geschmacks- und Stilfragen – und folglich sei es ironisch, dass ausgerechnet die AfD sich als "Sprachpolizei" aufspiele.

Es gebe keinen Zwang zum Gendern durch die Landesregierung und es sei eine absurde Behauptung, dass Schüler und Schülerinnen benachteiligt werden, wenn sie nicht gendern würden, so Strobl weiter. Dafür habe die Partei nie einen Beweis vorlegen können. Er habe sich gerade von der Kultusstaatssekretärin und vom Kultusstaatssekretär noch einmal bestätigen lassen, dass es keinen einzigen entsprechenden Fall in Baden-Württemberg gibt. "Verbreiten Sie also keine Unwahrheiten", so Strobl in Richtung AfD.

Die AfD beklage insgesamt ein "Phantomproblem", betonte der Minister. So folge die Landesregierung etwa in der Rechtssprache den Empfehlungen des Rates der Deutschen Rechtschreibung aus dem Jahr 2021 zur Gleichberechtigung, etwa durch Nutzung geschlechtsneutraler Formulierungen. Ein Binnen-I oder "sonstige Verrenkungen" wie ein Gender-Sternchen seien in der Rechtssprache "nicht erlaubt". Daran orientierten sich auch die Ministerien, und in seinem werde "nicht gegendert", so Strobl. Man werde die gesellschaftliche Debatte weiter beachten und "kluge Schlüsse daraus ziehen". Rein orthographische Diskussionen führten zu keiner Lösung. Denn Sprache spiegele gesellschaftliche Entwicklungen wieder – und nicht umgekehrt, meinte der stellvertretende Ministerpräsident. (cw)

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