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Warner TV Serie
Die queere Serien-Enttäuschung des Jahres
In "Boom Boom Bruno" müssen ein homophober Machopolizist und sein junger, heimlich schwuler Kollege den Mord an einer Dragqueen aufklären. Leider wird in der ziemlich absehbaren Story kein Klischee ausgelassen.

Szene aus "Boom Boom Bruno": Die Miniserie mit Ben Becker als queerfeindlicher Polizist in Brandenburg läuft seit diesem Monat exklusiv bei Warner TV Serie (Bild: Warner TV)
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27. Dezember 2023, 08:45h 3 Min.
Man nehme:
● einen echten Kerl mit harter Schale und weichem Kern
● einen hübschen, schüchternen jungen Mann, der sich erst noch finden muss
● eine Prostituierte mit goldenem Herzen
● einen sensiblen Sportler
● eine flatterhafte, aber aufrechte Dragqueen-Truppe
● einen scheinbar ehrenwerten Typen, der ein Doppelleben führt.
Das mixt man zusammen, schüttelt es einmal kräftig durch, und heraus kommt eine Geschichte, die so wohl auch eine KI hätte schreiben können.
Aggressives Arschloch und schüchternes Sensibelchen
Es ist die Geschichte von Bruno Klöpel (Ben Becker in seiner ersten Serienrolle), genannt Boom Boom Bruno, einem alten, rüpelhaften, aggressiv sexistischen Polizisten, der sich als Sheriff seines Brandenburger Reviers sieht und schon mal das Gesetz in die eigene Hand nimmt.
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In der ersten Folge bekommt er den jungen Mark (Vincent zur Linden) als neuen Partner zugeteilt, frisch von der Polizeiakademie, sehr schüchtern, sehr sensibel, sehr korrekt. Und nicht nur heimlich schwul, sondern mit der Sehnsucht, irgendwann mal als Dragqueen aufzutreten. Die entsprechenden schillernden Outfits schneidert er auch gleich selbst in seinem Zuhause, das er mit seiner lebensuntüchtigen Mutter teilt, die jeden Abend eine neue Internetbekanntschaft trifft und dennoch allein bleibt.
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Und mehr oder minder so sind sämtliche Figuren in "Boom Boom Bruno": klischeehafte Abziehbilder ohne jeglichen Anspruch auf Realismus. Dass es überhaupt irgendwer mit Bruno aushalten könnte, scheint schwer vorstellbar. Mark sitzt denn auch lange nur eingeschüchtert und schweigend neben ihm im Streifenwagen, wenn er wieder mal eine vulgäre Tirade auf "Schwuchteln" loslässt oder von seinen Erfolgen als harter Kerl bei "den Ladies" schwärmt.
Natürlich passiert dann ausgerechnet im lokalen Dragqueen-Schuppen ein Mord, den ausgerechnet das Team Bruno-Mark lösen soll. Der eine mit verächtlichem Widerwillen, der andere mit heimlicher Faszination.
Alles so ähnlich schon mal gesehen
Wer länger als zwei Folgen durchhält, wird damit belohnt, dass die Hauptfiguren einen Hauch komplexer und zugänglicher werden: Bruno zeigt sich im Werben um eine neue Tänzerin in seinem Lieblings-Stripclub plötzlich verletzlich, Mark überwindet seine Scheu nicht nur gegenüber dem attraktiven Mikky, sondern entschließt sich gar, sich dem Killer als Köder anzubieten – was allerdings gründlich schiefgeht. Nicht zuletzt weckt Mark in Bruno unerwartet väterliche Gefühle, obwohl er mittlerweile ahnt, dass sein junger, unbedarfter Kollege zu diesen "Schwuchteln" gehört, über die er sonst so gerne herzieht.
Es mag durchaus sein, dass die Leute hinter "Boom Boom Bruno" neben Unterhaltung noch ehrenwerte, aufklärerische Absichten hegten – immerhin sind einige echte Dragqueens im Cast, und die Serie illustriert, dass auch härteste Homophobie unter den richtigen Umständen kurierbar sein kann. Allerdings sind diese letztlich ebenso unrealistisch wie das in eine Art schwüle US-Südstaatenatmosphäre getauchte Brandenburg.
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Vor allem aber ist nichts, was in der Serie passiert, wirklich überraschend; man hat alles so ähnlich schon mal gesehen, und auch die Entwicklung der Figuren ist schon von weitem absehbar. Wer dennoch dranbleibt, tut dies vielleicht, weil die Darsteller*innen ihr Bestes geben, etwas aus dem schwachen Drehbuch zu machen – und weil die Geschichte letztlich das Herz auf dem rechten Fleck hat. Aber angesichts der enormen Auswahl von deutlich besseren queeren TV-Angeboten stellt sich schon die Frage, weshalb man seine Zeit ausgerechnet mit "Boom Boom Bruno" verbringen sollte.
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