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Jahresrückblick, Teil X
In Memoriam 2023
Auch dieses Jahr mussten wir uns von vielen lieb gewonnenen Menschen verabschieden. Wir erinnern an die Persönlichkeiten, die einen beträchtlichen Einfluss auf die LGBTI-Community gehabt haben.

Egmont Fassbinder starb im Mai 2023 im Alter von 77 Jahren. Sein Verlag rosa Winkel war der erste Verlag der Nachkriegszeit im deutschsprachigen Raum, der sich speziell schwulen Themen widmete (Bild: Detlef Grumbach)
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30. Dezember 2023, 03:33h 6 Min.
Von diesen 23 queeren Persönlichkeiten und "Straight Allies" mussten wir uns 2023 verabschieden (in alphabetischer Reihenfolge):
Kenneth Anger (1927-2023)
Der Avantgarde-Filmemacher und Künstler Kenneth Anger war einer der ersten offen schwulen amerikanischen Regisseure und ein Vorreiter des queeren Kinos – zu einer Zeit, als Homosexualität in den USA noch verboten war. In seinem bekanntesten Werk, "Scorpio Rising" aus dem Jahr 1963, kombinierte Anger homoerotische Aufnahmen von Bikern, die ihre Motorräder putzen, mit Jesus-Bildern. Anger starb am 11. Mai in Kalifornien.
Helmut Berger (1944-2023)

(Bild: RTL)
Die österreichische Schauspiellegende Helmut Berger starb im Mai im Alter von 78 Jahren. Der berühmte und 38 Jahre ältere Regisseur Luchino Visconti hatte ihn Mitte der Sechzigerjahre entdeckt – und wurde auch sein späterer Lebensgefährte. Zu Bergers Kultrolle zählt etwa "Ludwig II." (1973) und "Die Verdammten" (1969).
Andre Braugher (1962-2023)

(Bild: NBC)
Mit Captain Holt in der Sitcom "Brooklyn Nine-Nine" (2013-2021) sorgte der US-Schauspieler Andre Braugher für einen ganz anderen Typus einer schwulen Rolle: Der Chef der Polizeidienststelle agierte als eine Art Vaterfigur gegenüber seinen Untergebenen – und warb ganz nebenbei für Gleichbehandlung. Braugher starb am 11. Dezember im Alter von nur 61 Jahren an den Folgen von Lungenkrebs.
Barry Humphries (1934-2023)
Dame Edna zählte seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Dragqueens weltweit. Auch in der amerikanischen Kultserie "Ally McBeal", dem britischen Comedyfilm "Absolutely Fabulous: Der Film" oder in der deutschen Standup-Show "RTL Samstag Nacht" hatte der Australier Barry Humphries, wie der Dame-Edna-Darsteller im wirklichen Leben heißt, mit den typischen lila Haaren und der übergroßen, skurrilen Brille Gastauftritte. Humphries wurde 89 Jahre alt.
David Miranda (1985-2023)
Der Brasilianer David Miranda brachte mit seinem britischen Ehemann Glenn Greenwald, einem Journalisten, die Edward-Snowden-Affäre an die Öffentlichkeit. In seiner Heimat war er auch als sozialistischer Kongressabgeordneter aktiv. Er starb im Mai im Alter von nur 37 Jahren an den Folgen einer Magen-Darm-Infektion.
Sinéad O'Connor (1966-2023)
Die irische Kultsängerin Sinéad O'Connor ist im Juli gestorben. Die "Nothing Compares 2 U"-Interpretin hatte zu Lebzeiten mehrfach erklärt, dass sie nicht hundertprozentig heterosexuell sei und Sex mit sowohl Männern als auch Frauen gehabt habe.
Erwin Olaf (1959-2023)
Erwin Olaf gehörte zu den bekanntesten queeren Künstlern der Niederlande. Er entwarf etwa die ab 2014 ausgegebenen niederländischen Euromünzen mit dem Kopfbild des Königs Willem-Alexander. Olaf starb im September im Alter von 64 Jahren an den Folgen einer Lungentransplantation in Groningen.
Paul Reubens (1952-2023)

(Bild: Glen Wilson / Netflix)
Paul Reubens war insbesondere durch seine in den Achtzigerjahren gestartete Kultrolle als Pee-wee Herman bekannt. Durch sein Anderssein wurde Pee-wee früh zu einer queeren Ikone. Reubens starb Ende Juli im Alter von 70 Jahren nach einem langen Kampf gegen den Krebs.
Kyle Ross (1993-2023)

(Bild: Helix Studios)
Der bekannte amerikanische Pornodarsteller Kyle Ross ist im Alter von 30 Jahren bei einem Autounfall in Florida ums Leben gekommen. Ross gehörte im vergangenen Jahrzehnt zu den bekanntesten Twink-Darstellern in schwulen Pornos – er hatte für das Label Helix Studios zwischen 2011 und 2020 in mehr als 100 Szenen vor der Kamera gestanden.
Jeremy Ruehlemann (1996-2023)
Das New Yorker Model Jeremy Ruehlemann sorgte auf Laufstegen weltweit mit seiner queeren Präsenz für Schlagzeilen. Er starb im Januar überraschend im Alter von nur 27 Jahren, nachdem er aus Versehen eine Überdosis von verschreibungspflichtigen Medikamenten eingenommen hatte.
Wolfram Setz (1941-2023)
Der Historiker Wolfram Setz hat viel dafür getan, dass queere Geschichte bekannter wird: So trug der Gründer der "Bibliothek rosa Winkel" etwa dazu bei, dass er queere Aktivist Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895) wiederentdeckt wurde. Setz starb im August an den Folgen einer längeren Krankheit.
Volkmar Sigusch (1942-2023)

(Bild: Campus-Verlag / Archiv / Promo)
Der bekannte deutsche Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch setze Anfang der Siebziger als einer der ersten auf sexualemanzipatorische Ansätze in der Wissenschaft, auf Selbstbestimmung und gegen Pathologisierung und Psychiatrisierung von "sexuellen Störungen". Sigusch starb im Februar im Alter von 82 Jahren.
Joachim Stein (1959-2023)

(Bild: Facebook / Initiativgruppe Homosexualität Stuttgart)
Er war einer der bekanntesten und einflussreichsten Stuttgarter LGBTI-Aktivisten: Joachim Stein zählte zu den Gründern des queeren Zentrums Weissenburg und war auch Mitinitiator des ersten CSDs in der Landeshauptstadt im Jahr 1979. Der 63-Jährige starb im Februar.
Seymour Stein (1942-2023)

Stein neben seiner Entdeckung Madonna
Ohne ihn sähe die Popwelt anders aus: Seymour Stein entdeckte unter anderem Anfang der Achtzigerjahre Madonna. Er starb Anfang April in Los Angeles im Alter von 80 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung.
Frances Sternhagen (1930-2023)

Sternhagen (vorne) mit Charlotte-Darstellerin Kristin Davis (Bild: Screenshot HBO)
Als liebevoll-gehässige Schwiegermutter Bunny MacDougal war Schauspielerin Frances Sternhagen eine der interessantesten Figuren in "Sex and the City". Im November starb die Amerikanerin im Alter von 93 Jahren.

(Bild: IMAGO / MediaPunch)
Von 2006 bis 2007 gehörte Jeffrey Carlson zum Cast der US-Seifenoper "All My Children" – und schrieb mit seiner Rolle der lesbischen trans Frau Zoe Luper Geschichte. Am 6. Juli starb er an den Folgen einer krankhafte Erweiterung des Herzmuskels.
Simon Dunn (1987-2023)

(Bild: Instagram / Simon Dunn)
Der Australier Simon Dunn schrieb queere Sportgeschichte: Der Amateur-Rugby-Spieler bewarb sich für die international wenig erfolgreiche australische Bob-Rennfahrer-Mannschaft – er wurde aufgenommen und war damit das erste offen schwule Mitglied einer Nationalmannschaft in diesem Sport. Im Januar starb Dunn im Alter von nur 35 Jahren.
Werner Duysen (1942-2023)

Werner Duysen (li.) vor der Abreise nach Brasilien mit seinem Ehemann Wolfgang (Bild: Instagram / wolfgangduysen)
Werner Duysen war einer der ersten, der am 1. Oktober 2017 eine gleichgeschlechtliche Ehe in Deutschland schloss. Im Januar starb der Rentner auf tragische Art: Bei einem Traumurlaub wurde er im brasilianischen Recife an der Seite seines Mannes überfallen und mit einem Messer schwer verletzt – er erlag wenige Tage später im Krankenhaus seinen Verletzungen.
Egmont Fassbinder (1945-2023)

(Bild: Salzgeber)
Sein Verlag namens "rosa Winkel" war der erste Verlag der Nachkriegszeit im deutschsprachigen Raum, der sich speziell schwulen Themen widmete. Im Mai ist Egmont Fassbinder im Alter von 77 Jahren gestorben.
Jacques Gaillot (1935-2023)

(Bild: France Télévisions)
Frankreichs rebellischer Bischof Jacques Gaillot wurde vom Vatikan gefeuert, nur weil er die homosexuellenfeindliche Haltung seiner Kirche nicht mittragen wollte. Die katholische Obrigkeit war etwa sauer auf ihn, weil er 1988 als wohl erster katholischer Bischof ein schwules Paar in einer Kirche segnete – die beiden schwer an Aids erkranken Männer waren damals auf den ihn zugegangen, weil sie vor ihrem Tod noch einen Segen erhalten wollten. Gaillot starb im April im Alter von 87 Jahren.
Hank Hightower (1966-2023)

(Bild: Channel 1)
Auch dieses Jahr müssen wir wieder von geliebten Pornodarstellern Abschied nehmen: Hank Hightower, der in den Neunzigern und Nullerjahren viele schwule Männer mit seinen Videos beglückte, starb am 1. November im Alter von 57 Jahren an einer Krebserkrankung.
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Kaum eine prägte die Popmusik so sehr wie Tina Turner: Die Gay-Ikone starb im Mai nach mehreren gesundheitlichen Problemen.
Matthias Zimmer (1961-2023)

(Bild: Deutscher Bundestag / Lichtblick / Achim Melde)
Matthias Zimmer war einer jener CDU-Bundestagsabgeordneten, die mit der christdemokratischen Homophobie nicht viel anfangen konnte. Im August 2013 gehörte er etwa zu den Wilden 13, also jenen CDU-Abgeordneten, die eine Gleichbehandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren anmahnten. 2017 gehörte er zu jenem Viertel der Unionsabgeordneten, die im Bundestag für die Öffnung der Ehe stimmte. Im Juli ist der Politiker nach langer schwerer Krankheit gestorben.
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