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Sachbuch

Dieses Buch sollte zur Pflichtlektüre für Unions-Politiker*­innen werden!

Der neue Praxisleitfaden "Familien mit trans* und nicht-binären Kindern" aus dem Psychosozial-Verlag gibt in verständlicher Sprache wichtige Anregungen und Hilfestellungen für Eltern, Jugendliche und Fachkräfte.


Forderung beim CSD Freiburg 2023: "Trans-Kids schützen und unterstützen!" (Bild: IMAGO / dieBildmanufaktur)

Beginnen wir mit dem Schluss des Buches – da heißt es: "Wir sind immer wieder beeindruckt, wie sehr die Änderung eines Namens oder Geschlechtseintrags die Politik und Gesellschaft herausfordert. Neidvoll schauen wir auf andere Staaten, die menschenrechtskonforme Regelungen umgesetzt haben. Wir würden uns sehr freuen, wenn unsere Gesellschaft den Mut für diesen Transitionsschritt aufbringt." Genau das trifft es. Warum tun sich viele schwer, trans und nichtbinäre Menschen anzuerkennen und ihnen zuzugestehen, was sie brauchen, um unbehindert normal leben zu können wie alle anderen, und was andernorts längst eine Selbstverständlichkeit ist?

Fünf Autor*innen, die als Psychotherapeut*innen arbeiten, haben sich zusammengefunden, um Familien mit trans und nichtbinären Kindern und Jugendlichen eine Orientierungshilfe zu geben. Und das ist wörtlich zu nehmen, denn das im Psychosozial-Verlag erschienene Buch "Familien mit trans* und nicht-binären Kindern" (Amazon-Affiliate-Link ) ist ein übersichtlich angelegter, in einer verständlichen Sprache geschriebener Praxisleitfaden, der kein Thema auslässt, angefangen beim Outing über ethische und kulturelle Fragen bis hin zu Detransition, und dabei Sachlichkeit zum Prinzip hat. So gesehen ist dieses Buch allen zu empfehlen, die sich einen umfassenden Überblick zu Fragen der Transition mit all ihren psychosozialen, individuellen, rechtlichen und medizinischen Aspekten verschaffen wollen.

Gerade deshalb sollte es zur Pflichtlektüre für Unionspolitiker*innen werden, und wir erinnern uns dabei an die Auftritte ihrer Vertreter*innen während der ersten Lesung zum Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) im Bundestag und ebenso während der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom November letzten Jahres. Denn erstens scheint dort die Sorge um die Minderjährigen im Zusammenhang mit trans und nichtbinär mit Blick auf das SBGG besonders groß zu sein, aber leider auch das Unwissen und die Realitätsferne. Und zweitens: Nichts ist in der Politik verhängnisvoller und schädlicher, als nicht zu wissen, wie die Wirklichkeit aussieht. Vorurteile sind mit Sicherheit der schlechteste Ratgeber. Jedenfalls bietet das Buch die Möglichkeit zu einer realitätsbasierten Korrektur konservativer Lieblings-Irrtümer.

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Viele O-Töne von Kindern und Sorgeberechtigten


Die Leitfaden "Familien mit trans* und nicht-binären Kindern" ist Ende 2023 im Psychosozial-Verlag erschienen

Wie schon bei Dagmar Pauli in "Die anderen Geschlechter", die, wie die aktuellen Autor*­innen, aus der Praxis kommt, nimmt jetzt auch in der zu besprechenden Neuerscheinung der Therapie-Alltag breiten Raum ein. Das hat zur Konsequenz, dass sehr viel O-Ton aus den Lebenswirklichkeiten der Kinder und Jugendlichen eingearbeitet wurde, um hier besonders authentisch zu sein.

Aber auch die Stimmen der Eltern und Sorgeberechtigten, die immer wieder von Ängsten und Bedenken geprägt sind, werden wiedergegeben. Letztere spielen eine wichtige Rolle, wo es darum geht, beispielsweise Fehlverhalten und mangelndes Verständnis aufzuzeigen in seiner fatalen Wirkung auf die Kinder und Jugendlichen. Denn die sind von Fall zu Fall schon durch ihre Transition und die Reaktionen und Behinderungen aus dem sozialen Raum herausgefordert.

Kinder sind nicht das Eigentum der Eltern, und ebenso wenig darf es um Machtfragen gehen, die beispielsweise zu solchen Aussagen führen: "Ich brauche noch Zeit, um mich mit deinen Wünschen auseinanderzusetzen. Erst dann kann ich dir etwas erlauben. Und wie du weißt, hab ich gerade noch ganz viele andere Sorgen."

Junge Menschen ernst nehmen

Ebenso oft wird der vermeintliche Schutz vor "übereilten Entscheidungen" vorgeschoben, der in Wahrheit kein Schutz ist, sondern die Blockierung des Lebens bedeutet. Denn Kinder und Jugendliche stehen nun mal in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Eltern, in dem Respekt gerade deshalb nicht einseitig sein darf und es dennoch zu oft ist.

Zusätzliche Probleme mit den Eltern können deshalb leicht Katastrophen auslösen. Dazu braucht es nicht viel Vorstellungsvermögen oder psychologisches Fachwissen. Gleichwohl bleibt festzustellen, dass junge Menschen in den sie betreffenden Fragen des Geschlechts einsichts- und urteilsfähig sind. Man muss sie halt nur ernst nehmen.

Glücklicherweise gibt es auch viele positive Erfahrungen, Erfahrungen des Zuspruchs und der Empathie, die junge Menschen in ihrer Entwicklung in besonderer Weise brauchen. Ein Riesenproblem sind und bleiben indes die enormen bürokratischen Hürden, verbunden mit gelegentlicher Willkür, die Schritt für Schritt genommen werden müssen. Nach wie vor fehle es im Gesundheitswesen, so die Autor*­innen, an ausreichendem Wissen über geschlechtliche Vielfalt.

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Sachlicher Ton der Aufklärung

Die im Buch dargestellten exemplarischen Abläufe in rechtlichen und medizinischen Angelegenheiten gleichen in der Tat einem recht sportlichen Hürdenlauf. Dabei wird von transfeindlicher Seite gerne behauptet, wie leicht medizinische Maßnahmen zugänglich seien. Das Gegenteil davon stimmt. Dass solche Abläufe wiedergegeben werden zusammen mit dem jeweiligen aktuellen rechtlichen und medizinischen Stand ist ebenso positiv an dem Buch hervorzuheben wie all die begrifflichen Erläuterungen und der stets sachliche Ton der Aufklärung, die das Pro und Kontra im Blick behält.

In ihrem Vorwort schrieb die Ärztin Sibylle Maria Winter, sie habe lernen müssen, dass es bei Kindern und Jugendlichen in der Frage der Geschlechtsidentität nicht um Diagnostik gehe, sondern darum, "den Kindern und Jugendlichen ausreichend Raum zu geben, damit sie selbst Auskunft darüber geben können, wie sie ihre Geschlechtsidentität definieren". Sollte sich das als Maxime in Therapie und Medizin durchsetzen, was nur zu wünschen ist, dann wäre das ohne Frage ein Sieg für die Persönlichkeitsrechte von jungen Menschen.

Infos zum Buch

Mari Günther, Kirsten Teren, Sascha Bos, Willy-Gerd Müller-Rehberg, Katrin Reiner: Familien mit trans* und nicht-binären Kindern. Orientierung für Eltern, Jugendliche und Fachkräfte. Buchreihe: verstehen lernen. 189 Seiten. ‎ Psychosozial-Verlag, 2023. Taschenbuch: 26,90 € (ISBN 978-3-8379-3226-3)

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