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Hattingen
Angeblich nichts von HIV-Infektion erzählt: Mann verklagt Ex-Gatten
Ein Gericht in Nordrhein-Westfalen verhandelt den Fall eines HIV-Positiven, der seinem Ehemann seine Infektion verheimlicht haben und ihn angesteckt haben soll.

In Hattingen muss ein Schöffengericht darüber entscheiden, ob sich ein HIV-Positiver der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat (Bild: Emmanuel Huybrechts / flickr)
- 2. Februar 2024, 13:33h 3 Min.
Gefährliche Körperverletzung – das wirft die Staatsanwaltschaft in der Ruhrgebietsstadt Hattingen einem 53-Jährigen vor, der seine HIV-Infektion vor seinem 59-jährigen Ex-Ehemann versteckt haben soll. Der Fall wird derzeit vor dem Schöffengericht der 55.000 Einwohner*innen zählenden Stadt verhandelt. Wie die WAZ (Bezahlartikel) berichtet, habe das Ex-Paar im Prozess angegeben, mehr als 120 Mal Sex ohne Kondom gehabt zu haben. Nachdem die Beziehung in die Brüche gegangen sei, sei auch der 59-Jährige HIV-positiv getestet worden.
Die beiden Männer hatte sich 2015 in einem Datingportal kennengelernt – zu diesem Zeitpunkt soll der Angeklagte bereits seit zehn Jahren HIV-positiv gewesen sein. 2020 trennten sich die Wege im Streit. Der 59-Jährige behauptete, erst 2020 nach der Trennung von der HIV-Infektion seines Ex erfahren zu haben – durch einen Bekannten im Online-Chat.
Hat der Angeklagte von seiner Infektion erzählt?
Der Anwalt des Angeklagten widersprach im Prozess dieser Darstellung. Es habe "immer wieder Gespräche gegeben, in denen HIV thematisiert wurde". Der Angeklagte habe etwa seine Medikamente offen in der Wohnung des Partners gehabt und auch wöchentlich eine Positiven-Kochgruppe besucht. Auf Nachfrage des Richters erklärte der Angeklagte, dass er seinem Partner ausdrücklich von der Infektion erzählt habe, als die beiden zusammenziehen wollten.
Der frühere Partner des Positiven erklärte jedoch, er habe während der Beziehung nie etwas von der Infektion erfahren. Zwar habe er von der Positiven-Kochgruppe gewusst, aber gedacht, dass sein Mann dort ehrenamtlich arbeite – und nicht jeder Mitarbeiter sei positiv.
Zusätzlich hatten die beiden während ihrer Beziehung auch Dreier mit einem 66-Jährigen. Dieser sagte aus, dass HIV nie ein Thema gewesen sei. Er ist bis heute HIV-negativ. Auch die Schwester des Angeklagten sagte im Prozess aus – sie erklärte, ihr Bruder sei immer "sehr offen mit seiner Infektion umgegangen". Der nächste Verhandlungstag mit weiteren Zeugenbefragungen ist für den 21. Februar angesetzt.
DAH kritisiert Kriminalisierung von HIV-Positiven
Die Deutsche Aidshilfe sieht derartige Prozesse gegen HIV-Positive kritisch: "Die Kriminalisierung bürdet Menschen mit HIV die alleinige Verantwortung für Schutz auf, fördert Stigmatisierung und die Verbreitung des Virus. Unter anderem widerspricht sie der Botschaft, dass jeder Mensch sich selbst schützen muss, und kann vom HIV-Test abschrecken", argumentiert die DAH.
Zudem weist die Organisation darauf hin: "Es gibt in Deutschland keine Pflicht, die Sexpartner*innen von der HIV-Infektion in Kenntnis zu setzen. Wer alles für den Schutz des Partners beziehungsweise der Partnerin tut, zum Beispiel durch Kondome, ist strafrechtlich auf der sicheren Seite."
Bei einer Behandlung mit modernen antiretroviralen HIV-Medikamenten wird die Viruslast bei Positiven eigentlich so sehr nach unten gedrückt, dass selbst bei Sex ohne Kondom keinerlei Ansteckungsgefahr besteht – allerdings nur, so lange die Person regelmäßig die Medikamente einnimmt.
2010 hatte es bereits einen ähnlichen Promi-Prozess gegeben: Damals wurde die "No Angels"-Sängerin Nadja Benaissa von einem Mann beschuldigt, ihn mit HIV infiziert zu haben. Das Amtsgericht Darmstadt verurteilte die Künstlerin damals zu einer Bewährungsstrafe (queer.de berichtete). Damals erklärte die Deutsche Aidshilfe: "Die DAH hatte immer wieder die Stigmatisierung der Künstlerin und die pauschale Kriminalisierung HIV-Positiver verurteilt und angemahnt, die HIV-Prävention nicht einseitig nur den positiven Menschen aufzubürden." (dk)
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