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TRT International
Türkisches Auslandsfernsehen setzt auf anti-queere Propaganda
Der englischsprachige Nachrichtensender des öffentlich-rechtlichen Fernsehens will in einer Doku-Reihe "die dunkle Seite der Gender-Ideologie aufdecken".

Die sechs Kronzeug*innen der Reihe "True Colours" ließen sich vom Sender des autoritären Erdogan-Regimes so vor die Kamera setzen, dass sie die Farben der Regenbogenflagge widerspiegeln (Bild: Promo TRT)
- 12. Februar 2024, 13:32h 3 Min.
Nach Russia Today, Fox News oder Nius setzt nun auch TRT International auf Queer- und insbesondere Trans-Feindlichkeit. "Nachdem ich von der (Londoner Universität) gecancelled wurde, bin ich zu der klaren Erkenntnis gekommen, dass es im Akademiebetrieb des Westens keine freie Rede gibt, wenn es um Kritik an LGBTI-Propaganda geht", sagt etwa Emir Kaya, ein Protagonist der neuen Kurzdokureihe "True Colours", die der Auslandssender des öffentlich-rechtlichen Fernsehens der Türkei bei Youtube und in sozialen Netzwerken verbreitet.
Man habe nur ein Recht auf Schweigen, behauptet der Assistenz-Professor für öffentliches Recht an der Universität Ankara, der nach einem Facebook-Eintrag, in dem er die "Bewerbung von Transsexualität gegenüber Kindern" kritisiert haben will, und weiteren Folgetexten von Aktivist*innen in sozialen Netzwerken kritisiert worden sei. Nach Beschwerden von ihnen habe ihn der Fachbereich der Londoner Universität von seiner Liste wichtiger Absolventen gestrichen.
Der Geist der Vielfalt sei schwer beschädigt worden durch "LGBT-Radikalität", so Kaya, die Wissenschaft im Westen sei nicht mehr frei, sondern "besetztes Land". Als Beispiel bemüht er natürlich auch den Umgang mit der transfeindlichen Professorin Kathleen Stock. Der LGBT-Diskurs werde "diktatorisch" geführt, sagten ihm seine eigenen LGBT-Student*innen, behauptet Kaya.
Die Episode trägt den Titel "Akademische Freiheit". Wie in den anderen Folgen kommt allein die jeweils vorgestellte Person zu Wort und die Aussagen werden nicht eingeordnet oder überprüft, sondern sich mit Einblendungen u.ä. zu eigen gemacht. Zugleich werden diskriminierende und ausgrenzende Aussagen als Wissenschaft oder Fakten verklärt – und wird etwa hier ignoriert, wie türkische Universitäten in den letzten Jahren queere Studierenden-Vereinigungen auflösten, LGBTI-Kulturveranstaltungen untersagten oder von der Polizei Uni-Prides niederschlagen ließen (queer.de berichtete).
Anti-queere Rhetorik aus dem Westen
Die TRT-Serie trägt den Untertitel "Revealing the dark side of gender ideology" und wolle von denen erzählen, auf die sich "die Verbreitung der Gender-Ideologie und die LGBT-Lobby" ausgewirkt hätten. Diese von "Cancel Culture" begleitete Bewegung sei "aus dem Westen importiert" und eine "hochprofitable Industrie", so TRT International in Vorabankündigungen.
In einer anderen Episode berichtet eine anonymisierte britische Mutter, ihr autistisches Kind sei online von Pädophilen gegroomt worden, und beklagt, einen Zusammenhang andeutend, wie Schule und Gesundheitsdienst dem Kind Informationen zum Thema Trans-Identität und Hormonblocker gegegen hätten, angeblich mit "einseitigen" Informationen, wonach etwa "Gender-Ideologie Fakt" sei: Hinter dem Rücken von Eltern würden "Experimente" an "vulnerablen Kindern" durchgeführt.
In weiteren Episoden mit Protagonist*innen aus dem englischsprachigen Raum, die größtenteils schon in rechten und religiösen Medien ihre Runde machten, geht es um Detransition, vermeintlich ungerechte Wettbewerbsvorteile "biologischer Männer" im Frauensport, um queer-inklusive Schulauflärung, bei der Kinder zum Instrument finanzstarker Lobbys und Industrien gemacht würden, oder um christliche Überzeugungen zu Ehe und Familie, die man als Lehrer nicht mehr äußern könne.
TRT verbreitete auch auf seiner türkischen Nachrichtenseite, man zeige mit der Dokumentation "furchteinflößende Aussagen" der "Opfer" der "Gender-Ideologie". Laut der türkischen queeren Organisation Kaos GL sagte TRT-Vorstandsmitglied und Journalistin Hilal Kaplan: "Ein grundlegender Dokumentarfilm ist auf dem Weg, auf internationaler Ebene gegen diese vom Westen ausgehende perverse Ideologie zu kämpfen."
Wie in Russland oder Ungarn macht auch das autoritäte Erdogan-Regime seit Jahren Stimmung gegen queere Menschen (queer.de berichtete). 2015 wurde erstmals der CSD in Istanbul verboten, an dem in Vorjahren noch zehntausende Menschen teilgenommen hatten. Danach kam es immer wieder zu CSD-Verboten in mehreren Städten und gegenüber sich dennoch versammelnden Menschen zu Festnahmen und dem Einsatz von Gummigeschossen und Wasserwerfern (queer.de berichtete). (nb)














