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Berlin
Datenschutz-Beauftragte: Queere Vereine müssen Mitgliederlisten schützen
Im Berliner CSD-Verein tobt ein Streit um die Herausgabe einer Mitgliederliste. Jetzt hat sich die Datenschutzbeauftragte mit Tipps für Vereine und Parteien und Einschätzungen zum konkreten Fall zu Wort gemeldet.
- 13. Februar 2024, 12:01h 6 Min.
- Zu Update springen: CSD sieht sich bestätigt und suche "einvernehmliche Lösung der Konflikte" (14.2.)
Im Streit innerhalb des Berliner CSD e.V. um die Herausgabe einer Liste seiner Mitglieder an eine Mitglieder-Gruppe hat sich am Dienstag die Berliner Datenschutzbeauftragte Meike Kamp zu Wort gemeldet: mit allgemeinen Tipps zum Umgang mit sensiblen Daten durch etwa "Parteien, Gewerkschaften [und] Vereinen der queeren Community" sowie einer Interessensabwägung, die sich klar auf den konkreten Fall bezieht.
In dem seit Monaten schwelenden Streit hatten zwei CSD-Vereinsmitglieder den CSD-Vorstand auf Herausgabe der 213 Namen umfassenden Mitgliederliste verklagt, um eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen zu können. Für diese wäre ein Quorum von einem Viertel der Mitglieder notwendig. Das Amtsgericht Schöneberg urteilte zugunsten der klagenden Mitglieder, der CSD-Verein will aber gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen. Die Vereinsführung argumentiert, dass die Daten zu sensibel seien, um einfach geteilt werden zu können: "Einige unserer Mitglieder bekommen Morddrohungen aus extremistischen Kreisen und benötigen Personenschutz. Ein Resultat zunehmender Verrohung in der Gesellschaft. Daher tun wir uns sehr schwer damit, Adressen herauszugeben", sagte Vorstandsmitglied Marcel Voges im Interview mit queer.de. Nachdem sich der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano hinter den Verein gestellt und das Urteil des Gerichts kritisiert hatte, hatte einer der Kläger Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn gestellt (queer.de berichtete). Der Queerbeauftragte hatte zugleich angekündigt, die Landesdatenschutzbeauftragte zur Prüfung einzuschalten.
"Zur Ausübung der Minderheitenrechte des Vereinsrechts muss für einzelne Mitglieder die Möglichkeit bestehen, andere Mitglieder zu erreichen und sie so von der Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zu überzeugen", schreibt nun die Datenschutzbeauftragte in einer Pressemitteilung. "Gleichzeitig stellt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) differenzierte Regelungen auf, unter welchen Voraussetzungen Organisationen Daten Dritten gegenüber offenlegen dürfen." Gerade bei Vereinen, deren Mitgliedschaft Rückschlüsse etwa auf politische Meinungen, die Gesundheit, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen, die sexuelle Orientierung oder auch die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft ziehen lassen, sei die Datenweitergabe nach der DSGVO grundsätzlich untersagt. Auch der Schutz personenbezogener Daten, die sich aus dem Kontext ergeben, sei zu beachten.
Zwar lasse sich bei einer Weitergabe der Daten an Vereinsmitglieder vermuten, "dass sie die Ziele des Vereins und die dazugehörigen politischen Positionen teilen", so Kamp. "Gleichwohl kann es sein, dass Mitglieder ihre Mitgliedschaft und Kontaktdaten geheim halten möchten, weil sie um ihre Sicherheit fürchten müssen oder die persönliche Situation es nicht erlaubt, dass sie sich öffentlich zu den Zielen des Vereines bekennen können. Mitglieder von politisch aktiven Vereinen und Parteien haben daher ein Recht darauf, dass Informationen zur Mitgliedschaft vertraulich behandelt und nicht leichtfertig offenbart werden – auch nicht gegenüber anderen Mitgliedern."
Wie Vereine datenschutzkonform vorgehen können

Die Verwaltungsjuristin Meike Kamp ist seit zwei Jahren die Datenschutzbeauftrage Berlins (Bild: Annette Koroll)
Die DSGVO sehe grundsätzlich die Möglichkeit vor, besonders geschützte personenbezogene Daten intern zu den Tätigkeitszwecken einer politischen Vereinigung zu verarbeiten, so Kamp. Dieses Organisationsprivileg greife jedoch nicht für die Herausgabe von Mitgliederlisten nach außen an einzelne Mitglieder oder Verbindungen von Mitgliedern, die themenbezogen ihre Mitstreiter*innen anschreiben wollen, um sie von ihren Positionen zu überzeugen.
In diesen Fällen könne der Verein für die Herausgabe die Einwilligung der Mitglieder einholen. Die Einwilligung müsse freiwillig erfolgen, sich ausdrücklich auf den konkreten Zweck beziehen und dürfe nicht in der Satzung versteckt sein. Alternativ komme zum Schutz der Mitglieder eine Herausgabe an Treuhänder*innen, etwa Notar*innen, in Frage. Bei diesem Verfahren könne durch rechtliche Bindung und technische Qualifikation sichergestellt werden, dass die Daten zweckgemäß verwendet und danach gelöscht werden.
Meike Kamp empfiehlt Vereinen abschließend: "Wer sich und seine Mitglieder vorausschauend schützen möchte, stößt eine Aufnahme entsprechender Schlichtungsmöglichkeiten in die Vereinssatzung bereits vor einem Konflikt an."
Pantisano begrüßt Einschätzung
Die Geschichte lehre, "dass das Sammeln und Weitergeben von Adresslisten queerer Menschen und ihrer Unterstützter*innen für die Regenbogen-Community zum Alptraum werden kann", schrieb am Dienstag der Queerbeauftragte Pantisano in einer Reaktion. "Vor diesem Hintergrund begrüße ich es sehr, dass die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit mit ihrer Einschätzung nun deutlich macht, dass die Weitergabe dieser sensiblen personenbezogenen Daten nicht an Dritte erfolgen darf. Wenn gerichtlich entschieden wird, dass die Weitergabe der Daten zwingend notwendig ist, darf sie nur treuhänderisch oder mit direkter Zustimmung (…) erfolgen." Das schütze Vereinsmitglieder vor potenziellem Datenmissbrauch.
Konkret auf den CSD-Streit bezogen, schreibt Pantisano: "So berechtigt das Anliegen der klagenden Mitglieder auch ist, muss der besondere persönliche Schutz jedes einzelnen Mitglieds prioritär mitbeachtet werden. Zu glauben, dass Mitglieder eines queeren Vereins im privaten oder beruflichen Umfeld zum Beispiel geoutet sind, ist ein Irrtum. Selbst wenn alle Mitglieder geoutet wären, ist die Kenntnis über ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität besonders schutzbedürftig. Daher kommt die Einschätzung der Landesdatenschutzbeauftragten zum richtigen Zeitpunkt. Sie macht nochmals den besonderen Schutzbedarf der Mitglieder queerer Vereine deutlich, unabhängig davon, ob sie selbst queer sind oder queere Menschen und ihre Anliegen unterstützen."
Die Empfehlung, Schlichtungsmöglichkeiten in Vereinssatzungen aufzunehmen, begrüße er, so Pantisano. "Daher werde ich mich beim Bundesministerium für Justiz dafür einsetzen, dass die Mustersatzungen für gemeinnützige Vereine entsprechend angepasst werden." Als Queer-Beauftragter sei es die Aufgabe von ihm und vielen anderen, sich als Schutzschild vor die Community zu stellen. "Es tut gut zu wissen, dass sich auch die Landesdatenschutzbeauftragte stärkend an unsere Seite stellt." (nb)
Update 14.2.: CSD sieht sich bestätigt und suche "einvernehmliche Lösung der Konflikte"
Der Berliner CSD e.V. hat am Mittwoch in einer Pressemitteilung die Einschätzung der Datenschutzbeauftragten begrüßt, die einen "ähnlichen Blick" auf die Problematik habe und die Haltung des Vereins unterstütze. Der Verein halte an einer Berufung fest, "bis eine Lösung für den Konflikt gefunden wird, die langfristig den Vereinsfrieden wieder herstellt".
Man habe den "Kläger*innen aber bereits angeboten, die Mitglieder über einen Treuhändler zu kontaktieren", so Vorstandsmitglied Ulli Pridat. "Über die Einberufung einer Mitgliederversammlung können wir gerne unabhängig davon reden, wenn die Gründe dafür nachvollziehbar sind." Man sei "in vertraulichen Gesprächen mit einem der Kläger, um Lösungen für die langatmigen Konflikte zu finden", ergänzt Vorstand Marcel Voges.
Die Herausgabe der Mitgliederdaten und die Einberufung einer Mitgliederversammlung stünden "allerdings nur symptomatisch für andere Themen", so Voges: "Beispielsweise Vorwürfe hinsichtlich der Finanzen des Vereins oder Personalentscheidungen des Vorstandes. Wir bedauern sehr, dass trotz Entlastung durch den Kassenprüfer und durch die Mitgliederversammlung im September 2023 das Vertrauen bei einzelnen Mitgliedern nicht wieder hergestellt worden ist. Für uns ist ein langfristiger Vereinsfrieden wichtig. Aus diesem Grund schauen wir genau bei diesen Themen nach Lösungen. Ob uns eine Einigung gelingt, die beide Seiten mittragen können, wird sich in den kommenden Wochen zeigen."















