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Kinostart
Identitätssuche in Israel
"America", der neue Film von Ofir Raul Graizer ("The Cakemaker"), erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich seiner Vergangenheit stellen muss. Dabei gerät er in eine verhängnisvolle Dreiecksbeziehung.

Eli (Michael Moshonov) trägt seinen verletzten Jugendfreund Yotam (Daniel Moreshet) (Bild: missingFILMs)
- Von Josefina Meloney
4. März 2024, 05:10h 4 Min.
Der Film beginnt mit einem Meeresrauschen und zeigt Eli (Michael Moshonov), der allein in einem kleinen Apartment lebt. Alles ist in den Farben Weiß und Blau gehüllt. Im Hintergrund ertönen die neuesten Nachrichten, dass ein Sturm aufzog und schwere Schäden verursachte. Er fährt daraufhin zur Arbeit.
Der Israeli Eli lebt in den USA und hat sein neues Zuhause in Chicago gefunden, wo er ein bescheidenes Leben als Schwimmlehrer führt. Eines Tages klingelt das Telefon und Eli erfährt, dass sein Vater verstorben ist. Daraufhin begibt er sich auf den Weg nach Israel. Dort angekommen, trifft er auf seinen Kindheitsfreund Yotam (Daniel Moreshet), der mit seiner Verlobten Iris (Oshrat Ingedashet) einen kleinen Blumenladen betreibt. Die innige Beziehung der beiden Männer wird sofort deutlich.
Beide beschließen, einen Ausflug zu einem Wasserfall zu unternehmen, was jedoch fatale Folgen hat – Yotam stürzt und fällt ins Koma. Eli beschließt länger in Israel zu bleiben. Er beginnt, sein altes Haus zu renovieren, und bittet Iris, ihm mit der Gartengestaltung zu helfen. In ihrer Trauer beginnen Eli und Iris sich allmählich näher zu kommen, sodass sich eine Liebesbeziehung entwickelt. Monate vergehen, und plötzlich geschieht ein Wunder – Yotam erwacht aus dem Koma.
Traumata, Identität und traditionelle Wertvorstellungen

Poster zum Film: "America" startet am 7. März 2024
Die eigene Identität und das Aufarbeiten der Vergangenheit werden in "America" immer wieder thematisiert. Eli kann nicht einfach abrupt mit seiner Vergangenheit brechen und muss sie akzeptieren. Vieles im Film deutet auf eine schreckliche Kindheit hin, die von Misshandlungen geprägt ist. Sein Vater war ein angesehener Mann, der eine hohe Stellung bei der Polizei hatte. Er war jedoch gewalttätig, und Elis Mutter nahm sich irgendwann das Leben. Der Film zeigt somit, was toxische Männlichkeit im schlimmsten Fall bewirken kann. Auch in einer anderen Szene, die in einem Restaurant spielt, wird dies deutlich, indem ein Vater seinen Sohn zwingt, Fleisch zu essen – "denn als Vegetarier ist er kein richtiger Mann."
Die Religion ist ein weiteres Thema. Wie ein zweischneidiges Schwert festigt sie die Moralvorstellungen der älteren Generation. Sie führt einerseits zur Erdrückung und verspricht gleichzeitig Hoffnung. Iris verließ ihre streng religiöse Familie, weil sie von ihr eingeengt wurde, andererseits versucht sie für Yotam zu beten.
Starke Symbolsprache und visuelle Inszenierung
Die Inszenierung von Regisseur Ofir Raul Graizer ("The Cakemaker") gibt den Zuschauer*innen viel Raum zur Interpretation. Als Eli sein altes Haus zum ersten Mal wieder betritt, ist es verlassen und leer. Es strahlt eine Kälte aus, einzig die Waffen und Orden von Elis Vater werden sichtbar, die wie Trophäen die Wände verzieren. Die Gewalt, die Eli in seiner Kindheit erleben musste, wird nie direkt gezeigt, sondern anhand von Erzählungen oder alten Zeitungsartikeln.
Die Natur ist im Film ein weiteres Element, das den Verlauf der Geschichte begleitet. Einerseits wird ihre Ruhe deutlich und die Heilung, die sie bei den Protagonist*innen bewirkt. Eli hat seit seiner Kindheit eine starke Verbindung zu Wasser, was für ihn ein sicherer Raum ist, fernab von seinem gewalttätigen Elternhaus. Iris findet ihrer Ruhe durch die Arbeit mit Pflanzen. Durch die Gartenarbeit beginnt der Heilungsprozess. Jedoch wird auch die zerstörerische Seite der Natur deutlich. Als Yotam ins Koma fällt, wird dies durch einen heftigen Sturm und Regen begleitet, gleichzeitig zeigt die Kamera Iris' Verzweiflung. Das Leben der Charaktere ist wie die Natur – ein stetiger Kreislauf.
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Auch die farblichen Kontraste kommen im Film zur Geltung. Bunte Farben treten als Gegensatz zur kargen Wüstenlandschaft in Erscheinung. Viele Emotionen werden dadurch verstärkt – wie die roten Wände in der Küche, die die Leidenschaft und das Leben widerspiegeln.
"America" ist ein Film über viele Themen. Es ist dabei nicht nur die Dreiecksbeziehung, die den Mittelpunkt bildet. Es geht um das Loslassen der Vergangenheit, die Suche nach der Identität und vor allem um das Leben selbst.
America. Drama. Deutschland, Israel, Tschechien 2022. Regie: Ofir Raul Graizer. Cast: Oshrat Ingedashet, Michael Moshonov, Ofri Biterman. Laufzeit: 127 Minuten. Sprache: hebräische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 12. Verleih: missingFILMs. Kinostart: 7. März 2024
Links zum Thema:
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