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Kinostart
Wie ein lesbisches Paar am Kinderwunsch verzweifelt
Maria und Christiane wollen unbedingt ein Kind. Zehn Jahre begleitet die intensive Doku "Der Wunsch" das lesbische Paar bei unzähligen Versuchen. Immer mehr bestimmt der Kinderwunsch ihr Leben – und verändert die Beziehung.

Maria und Christiane unternehmen über die Jahre immer neue Versuche, schwanger zu werden (Bild: Rise and Shine Cinema)
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13. März 2024, 03:04h 4 Min.
Immerhin kannst du dann nicht ungewollt schwanger werden (oder jemanden schwängern): Das ist so eine der weniger schlimmen, dennoch eher unbeholfenen elterlichen Reaktionen auf ein jugendliches Coming-out als lesbisch oder schwul. Eine ungeplante Schwangerschaft, nach wie vor ein großes Schreckgespenst.
Doch auch gewollt ist es alles andere als einfach. Welche Hürden ein lesbisches Paar dabei nehmen muss, wie belastend ein nicht erfüllter Kinderwunsch werden kann, zeigt der Dokumentarfilm "Der Wunsch" von Regisseurin Judith Beuth.
Regisseurin und Jugendfreundin zugleich

Poster zum Film: "Der Wunsch" startet am 14. März 2024 bundesweit im Kino
Ganze zehn Jahre lang begleitete die Dokumentarfilmerin das lesbische Paar Maria und Christiane. Das Besondere: Sie ist eine Jugendfreundin von Maria, als Teenagerinnen verbrachten sie jede freie Minute miteinander. Wahrscheinlich nur so konnte die Regisseurin den beiden Frauen so nah kommen, sie in solch intimen Momenten begleiten, beim verzweifelten Weinen genau wie bei Liebesbekundungen dabei sein. Es ist ein seltener vertrauter Langzeit-Einblick in eine liebevolle Beziehung.
So gut das für den Film sein mag: Mit der Hauptprotagonistin befreundet zu sein, muss Judith Beuth auch vor enorme Herausforderungen gestellt haben. Ein distanziert-journalistischer Blick ist kaum möglich in so einer Konstellation. Die Regisseurin löst das durch größte Transparenz. (Zum Glück) nicht andauernd, aber an ausgewählten Stellen erwähnt sie auch ihre subjektiven Eindrücke im Off-Kommentar. Manchmal nimmt die Doku dann sogar essayistische Züge an. Und Beuth wird für kurze Zeit auch Figur vor der Kamera.
Maria sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl
Der Dreh beginnt vor über zehn Jahren, im März 2013. Christiane ist da 39, Maria 31 Jahre alt. Die beiden sind da bereits seit sieben Jahren ein Paar. Sie haben sich ungewöhnlich kennengelernt: Christiane arbeitet als Krankenschwester bei einem häuslichen Pflegedienst. Ihre neue Patientin ist Maria, die seit einem Badeunfall mit 17 querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzt. Sie verlieben sich einander.

Maria und Christiane müssen immer neue Rückschläge verkraften (Bild: Rise and Shine Cinema)
Wenn "Der Wunsch" in die Vergangenheit blickt, nutzt er dafür Illustrationen von Maria. Sie hat Spiel- und Lehrmitteldesign studiert, entsprechend wirken ihre Grafiken wie ein schwarz-weißes Comic-Erklärvideo. Ein bisschen mehr Farbe hätte dem Ganzen womöglich einen kinematografischeren Stil verliehen, doch nichtsdestotrotz ist das eine charmante und persönliche Lösung, Rückblenden ohne ewiges Nacherzählen zu ermöglichen.
"Das ist schleimiger, als ich dachte"
Die beiden wollen also ein Kind. Wobei, es ist vielmehr Christiane, die einen ausgeprägten Kinderwunsch hat. Es gelingt Regisseurin Judith Beuth sehr gut, die Beziehungsdynamik der beiden herauszuarbeiten. Denn Maria hätte kein Problem damit, kinderlos zu bleiben. Sie weiß aber, wie wichtig es ihrer Partnerin ist.
Und so probiert das Paar gefühlt jede Methode mehrfach aus, um schwanger zu werden. Persönlicher Samenspender, Samenbank, Becher-Methode, künstliche Befruchtung in Dänemark und so weiter. Die Kamera fängt dabei intime, manchmal auch lustige Momente ein.
So ist sie dabei, als eine ungewöhnlich geformte Box geliefert wird. Der vermutlich tiefgefrorene Inhalt raucht beim Öffnen. "Das ist schleimiger, als ich dachte", sagt eine der beiden beim Anblick des Spermas. Doch: nichts klappt. Christiane wird zwar sogar schwanger, hat jedoch eine Fehlgeburt nach wenigen Wochen.
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Der Film will kein Mitleid erzeugen
Zunächst will Christiane unbedingt, dass ihre eigene Eizelle befruchtet wird. Später müssen sie erfahren, dass es mit Marias Eizelle – die ein paar Jahre jünger ist – wegen ihrer Querschnittslähmung nicht so einfach ist. Es folgt eine Hiobsbotschaft nach der anderen, zehn Jahre lang. Sie überlegen sogar, in die Ukraine zu reisen, weil dort andere Altersbeschränkungen gelten. Irgendwann gibt es in Österreich eine Gesetzesänderung, die ihnen dort eine künstliche Befruchtung ermöglichen würde. Jedes Mal aufs Neue hoffen und bangen sie.
Je länger der Film dauert, desto mehr fragt man sich, weshalb das Paar sich das antut. Es wird immer deutlicher, dass der Kinderwunsch ihre Beziehung belastet. Statt einem Kind bestimmt der Versuch, ein Kind zu bekommen, ihr Leben. Es ist eine große Stärke, dass der Film kein Mitleid mit den beiden erzeugen will, doch in gewisser Weise kann das Paar einem*einer doch leidtun – nicht weil die Versuche nicht klappen, sondern weil sie es immer weiter versuchen. Gleichzeitig wünscht man sich nichts mehr, als dass ihr Wunsch endlich in Erfüllung geht.
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Kinderwunsch wird zur Selbstqual
Woher kommt also der unbedingte, ja fast besessene Wunsch? Der Wunsch, der offenbar jeden Rückschlag überdauert? Der nicht abnimmt, der wahnsinnig viel Zeit, Nerven und auch Geld kostet? Der Wunsch, der – diesem Eindruck lässt sich schwer entkommen – zur Selbstqual wird? Der Gedanke, ohne Kinder alt zu werden, sei traurig, sagen sie. Die Erfahrung, Eltern sein zu können, sei wertvoll.
"Der Wunsch" stellt die Frage zwar nur vereinzelt direkt, sie schwingt aber ständig mit. Christiane und Maria wollen nicht aufhören, es zu versuchen. Sie können es nicht. Und sie werden es erst, wenn sie müssen.
Der Wunsch. Dokumentarfilm. Deutschland, Norwegen 2024. Regie: Judith Beuth: Laufzeit: 105 Minuten. Sprache: deutsche Originalfassung. FSK 0. Verleih: Rise and Shine Cinema. Kinostart: 14. März 2024
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