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Kinostart
Schwuler Sheriff und verlassene Tilda Swinton
Zwei tief emotionale Kurzfilme des schwulen Ausnahme-Regisseurs Pedro Almodóvar kommen ins Kino. "Strange Way of Life" ist ein queeres Western-Drama, in "The Human Voice" wird die von Tilda Swinton gespielte Hauptfigur von ihrem Lover verlassen.

Szene aus "Strange Way of Life": Sheriff Jake (Ethan Hawke, re.) und Rancher Silva (Pedro Pascal) hatten vor Jahrzehnten eine Beziehung (Bild: Studiocanal)
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13. März 2024, 03:36h 4 Min.
Volle Lippen, schwarzer Filzhut, melancholische Augen. Manu Ríos (bekannt aus der Netflix-Serie Élite) ist ein schnuckeliger Sänger, den die Kamera sicher nicht nur deshalb so nah einfängt, weil er so gut singt. Seine Figur unterstreicht den melodramatischen Grundton, der den neuesten Kurzfilm von Pedro Almodóvar, "Strange Way of Life", durchzieht.
Darin kommt der Rancher Silva (Pedro Pascal) in den Wüstenort Bitter Creek, um den Sheriff Jake (Ethan Hawke) zu treffen. Seit 25 Jahren haben die beiden Männer sich nicht gesehen. In der Vergangenheit führten sie eine Beziehung miteinander, doch ihre Wege trennten sich. Jetzt, in ihren Fünfzigern, hat Silva offenbar Sehnsucht nach seiner verflossenen Liebe.
Ganz ohne "Brokeback Mountain"-Vibes

Poster zum Double-Feature: Die "Almodóvar Shorts" starten am 14. März 2024 im Kino
Doch Jake ahnt, dass hinter dem Überraschungsbesuch nicht (nur) Gefühle stecken können. Nach einer wilden Nacht wirft der Sheriff seinem ehemaligen Lover Silva vor, ihn nur ausnutzen zu wollen. Denn Jake sucht Silvas Sohn, der seine Schwägerin umgebracht haben soll. Jetzt, wo die Karten auf dem Tisch liegen, beginnt "Strange Way of Life" actiongeladen zu werden.
Das Western-Drama dauert nur eine knappe halbe Stunde. Doch der spanische Regisseur Pedro Almodóvar schafft es, seinem Kurzfilm eine Tiefe zu verleihen, die nicht wenigen Langfilmen fehlt. Der Film ist flott inszeniert, deckt eine große Bandbreite an Emotionen ab – und erkundet den Western auf eine sehr schwule Art, ganz ohne "Brokeback Mountain"-Vibes.
"Mach's kurz!"
"Strange Way of Life" feierte beim vergangenen Festival in Cannes seine Premiere, jetzt kommt der Kurzfilm gemeinsam mit "The Human Voice" unter dem Titel "Almodóvar Shorts" als Double-Feature ins Kino. Es ist eine seltene Gelegenheit, denn Kurzfilme werden abseits von Festivals kaum im regulären Programm gezeigt.
Was unendlich schade ist. Und eigentlich überhaupt nicht in unsere Zeit passt, die schnelllebig ist, in der man (jungen) Leuten nachsagt, dass ihre Aufmerksamkeitsspanne ein TikTok-Video nicht mehr übersteigt. Und dennoch sprengen Filme gern die 120 Minuten (von Theater-Inszenierungen ganz zu schweigen). Wozu? Im vergangenen Herbst schrieb die SZ-Feuilleton-Redakteurin Christiane Lutz ein "Plädoyer für den Mut zum Weglassen" und forderte zurecht: "Mach's kurz".
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Almodóvar, einer der bekanntesten, wichtigsten und zugleich queersten Gegenwarts-Regisseur*innen, hält sich daran. Seine Filme – auch wenn, wie zuletzt "Parallele Mütter", knapp zwei Stunden lang – sind nie aufgebläht.
Wut, Verzweiflung, Trauer
Das trifft auch auf "The Human Voice" zu, ebenfalls eine halbe Stunde kurz. Der Kurzfilm von 2020 ist eine Adaption des gleichnamigen Theaterstücks des bisexuellen Franzosen Jean Cocteau. In dem Ein-Personen-Stück wird eine namenlose Hauptfigur (gespielt von Tilda Swinton) von ihrem Lover verlassen.

Tilda Swinton in "The Human Voice" (Bild: Studiocanal)
Sie (und der Hund) wartet vergebens darauf, dass er nach Hause zurückkehrt. Die Stimmung schwankt extrem, und Tilda Swinton beweist einmal mehr, dass sie die schnellen, impulsiven Sprünge von Wut über Verzweiflung bis zu depressiver Trauer hervorragend und authentisch beherrscht.
Die Abenteuer des Lebens und Liebens
Dass die Wohnung dabei ein erkennbares Set ohne Decke ist, verweist auf das Theater-Original und macht zwar die Künstlichkeit der Szene deutlich. Weil die Gefühlsausbrüche der Figur im Kern aber wohlbekannt sind, entsteht hier ein spannungsreicher Kontrast aus authentischer Emotion und fiktionalem Rahmen.
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Zwar haben die beiden Kurzfilme auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Doch es ist der Schmerz, den uns die Liebe zufügen kann, der sie verbindet. In "Strange Way of Life" ist es (auch) ein ganz körperlicher Schmerz – es ist immerhin ein Western, da wird auch geschossen.
In "The Human Voice" steckt dagegen in fast jeder Zeile, jeder Bewegung der Trauer um das Ende der Beziehung. "Wer sich auf die Abenteuer des Lebens und Liebens einlässt", sagte Pedro Almodóvar über "The Human Voice", es gilt aber genauso für "Strange Way of Life", "setzt sich zwangsläufig diesem Risiko aus."
Almodóvar Shorts. Zwei Kurzfilme von Pedro Almodóvar in einer Kino-Vorstellung: Strange Way of Life (2023) mit Ethan Hawke und Pedro Pascal, "The Human Voice" mit Tilda Swinton. Gesamtlaufzeit: 61 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. FSK 12. Verleih: Studiocanal, Kinostart: 14. März 2024
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