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Biopic erneut im Kino
Die tragisch-wilde Affäre von Francis Bacon und seinem Einbrecher
Plötzlich fällt der Einbrecher George im Atelier des berühmten Malers Francis Bacon von der Decke. Statt die Polizei zu rufen, geht er mit ihm ins Bett. "Love Is the Devil" von 1998 zeigt, wie sich daraus eine lustvolle, aber toxische Beziehung entwickelt.

John Mayburys Film "Love Is the Devil: Study for a Portrait of Francis Bacon" wurde 1998 veröffentlicht (Bild: BBC Films)
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21. März 2024, 03:25h 4 Min.
"Zieh dich aus" ist eine eher ungewöhnliche erste Reaktion, wenn ein Einbrecher durchs Oberlicht ins eigene Atelier stürzt. Und sie trägt auch ein bisschen "Warum liegt hier Stroh rum?"-Komik in sich. Aber was ist am britischen Künstler Francis Bacon schon gewöhnlich? Gar nichts. Und so schläft er mit George, statt die Polizei zu rufen. Von der Zigarette danach muss der Maler husten, doch er hält es gerne aus. Es folgt postkoitaler Smalltalk.
Doch es bleibt nicht bei dieser einmaligen Begegnung. Francis und George treffen sich weiter, der Künstler stellt dem Ganoven seine Clique vor. Die beschreibt er treffend, aber für manche Ohren auch geschmacklos als "Concentration of Camp". Keine 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine mindestens provokante Wortwahl. Für Francis Bacon ein Grund, sie zu nutzen.
Der Film basiert auf der autorisierten Biografie

Poster zum Film: "Love Is the Devil" startet in der "Zeitlos"-Reihe von Rapid Eye Movies am 21. März 2024 im Kino
Der Film "Love Is the Devil" zeigt, wie sich zwischen den ungleichen Männern eine Affäre entwickelt. Oder ist es eine Beziehung? Es bleibt unklar, aber irgendetwas dazwischen führen Francis und George. Die Einbruchs-Geschichte ist eine zwar hartnäckige, aber unwahre Legende. Der Rest des Films kann jedoch als authentisch angesehen werden, basiert er doch auf der autorisierten Bacon-Biografie von Daniel Farson.
Das Drama von 1998 ist der erste Langfilm von John Maybury, der zuvor bekannt wurde als Regisseur von Sinéad O'Connors ikonischem Musikvideo zu "Nothing Compares 2 U". John Maybury, der mal zu den 100 einflussreichsten Homosexuellen Großbritanniens gewählt wurde, erzählt in seinem Film aber nicht nur die Geschichte von Francis Bacon und George Dyer.
Durch Gläser gefilmte, verzerrte Figuren
Vielmehr verneigt er sich vor der Kunst Bacons, der Anfang der 1960er Jahre bereits als Englands größter lebender Maler galt. Dies schafft er, indem er Bacons Stil nicht plump kopiert, sondern sich von ihr inspirieren lässt und erkundet, wie sie sich filmisch umsetzen lässt. So spielt das Biopic in Anlehnung an die Bilderwelt von Bacon fast ausschließlich in engen und dunklen Räumen, die artifiziell wirken.
Um die Körper der Figuren ähnlich unförmig und verzerrt wie in Bacons Bildern erscheinen zu lassen, filmt Kameramann John Mathieson sie durch Gläser hindurch. Mathieson arbeitete später häufig mit Ridley Scott und wurde für seine Arbeit für "Gladiator" und "Das Phantom der Oper" für einen Oscar nominiert. "Love Is the Devil" ist einer seiner frühen Filme, seine künstlerischen Ambitionen werden hier schon deutlich.
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Daniel Craig lange, bevor er 007 wurde
Der profilierte und selbst schwule Darsteller Derek Jacobi verleiht seinem Francis Bacon eine besondere Vielschichtigkeit. Der Künstler ist frivol und vulgär, er liebt es, bei Champagner und Austern darüber zu sprechen, wie er die Pisse anderer Männer trinkt. Der flamboyante, exzentrische Bacon liebt es, Kontrolle über seinen Partner George zu haben. Gleichzeitig genießt er es, sich mit einem Ledergürtel auspeitschen zu lassen. Sich dem Partner hinzugeben, sinniert er, sei für ihn eine Katharsis.
Francis motzt George an, verletzt ihn bewusst. Was die beiden haben, würde man heute sicher als toxisch labeln. George, meisterlich gespielt von Daniel Craig in einer seiner früheren (und, nebenbei, nacktesten) Rollen, fällt dabei meist die Opferrolle zu. Ihn plagen Albträume und eine Drogensucht.
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Ein wild-exzentrischer Ritt
Diese Komplexität der Figuren lässt Regisseur John Maybury durch die vielen Spiegel symbolisieren, die in fast jeder Szene und in allen möglichen Größen und Formen auftauchen. Der Spiegel zeigt ein äußerlich echtes Abbild, ist aber gleichzeitig ein zweites Ich. Oder sogar noch mehr: Wenn Francis sich zum Ausgehen fertig macht, blickt er in einen triptychonartigen Spiegel, gleich vier Francis auf einmal also (Mehr zu Spiegeln als schwules Symbol im Film hat Erwin In het Panhuis geschrieben).
"Love Is the Devil" gehört nicht gerade zu den schwulen Film-Klassikern. Vielleicht kann sich das jetzt ändern, wo der Verleih Rapid Eye Movies ihn in seiner "Zeitlos"-Reihe wiederaufführt. Denn die Filmbiografie ist erstaunlich gut gealtert. Sie ist zügig erzählt, hat einen künstlerischen Touch, ohne pompös oder prätentiös daherzukommen. Ein wild-exzentrischer Ritt, der die Beziehung von Francis und George perfekt widerspiegelt.
Love Is the Devil. Drama. Großbritannien 1998. Regie: John Maybury. Cast: Derek Jacobi, Daniel Craig, Tilda Swinton. Laufzeit: 89 Minuten. Sprache: englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 16. Verleih: Rapid Eye Movies. Kinostart in der Reihe "Zeitlos": 21. März 2024
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