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Interview
"Drag ist für alle. Es geht ja darum, Regeln zu brechen"
Als einziges Festival der Welt feiert "go drag!" die Drag-Kunst insbesondere von weiblichen, trans und nichtbinären Künstler*innen – im Mai kommt es nach München. Ruby Tuesday und Bridge Markland sind die Kurator*innen.

Ruby Tuesday (li.) und Bridge Markland kuratieren die dritte Ausgabe des "go drag!"-Festivals vom 1. bis 5. Mai 2024 in München (Bilder: Verena Gremmer / Manuela Schneider)
- Von Bo Wehrheim
24. März 2024, 05:58h 4 Min.
Die Berliner Gender-Performerin Bridge Markland und der Münchner Dragking Ruby Tuesday bringen als Kurator*innen des dritten "go drag!"-Festivals den Drag weiblicher, trans und nichtbinärer Künstler*innen erstmals nach München. Das Event findet vom 1. bis 5. Mai 2024 an unterschiedlichen Spielorten in der bayerischen Landeshauptstadt statt, unter anderem im Gasteig, dem Pathos Theater und dem NS-Dokumentationszentrum.
Wir haben uns vorab mit den beiden Kurator*innen über das Festival unterhalten.

Poster zum "go drag!"-Festival in München
Was erwartet die Besucher*innen auf dem "go drag!"-Festival in München?
Ruby Tuesday: Drag als vielfältige Kunstform: Es gibt Theaterproduktionen, Cabaret-Shows, Vorträge, Lectures, Filme, eine Podiumsdiskussion, Workshops, Konzerte und die große ReAct-Party in der Kunsthalle. Als einziges Festival weltweit wollen wir im Besonderen die Drag-Kunst von weiblichen, trans* und nicht-binären Künstler*innen feiern…
…die wie Plus-Size Queens, Quings of Colour und Kings mit (sichtbaren) Behinderungen deutlich unterrepräsentiert sind. Macht doch mal ein bisschen Namedropping!
Ruby Tuesday: Zum Line-Up gehören Martwa aus Polen, Majic Dyke aus Kenia und Don One aus Birmingham. Aus London kommen die großartige AFAB-Queen Lolo Brow und Claire Dowie, eine tolle Solo-Performerin Ende 60, die seit Jahrzehnten Theaterstücke schreibt. Peter Frost, Alter Ego der Musikerin Cora Frost, performt ein Rock-Konzert und dann tritt noch Mieze McCripple auf, eine aktivistische AFAB-Queen aus Düsseldorf, die im Rollstuhl sitzt.
Bridge Markland: Die Berliner Kings Alexander Cameltoe und Buba Sababa bieten Workshops an, es gibt eine Show vom CUMA Kollektiv, drei tollen Performer*innen aus NRW und natürlich die fantastische Pandora Nox…
Die Gewinnerin der ersten Staffel von "Drag Race Germany", der deutschen Adaption von RuPauls Show. Dass mit Pandora eine AFAB-Queen gewonnen hat – noch dazu die einzige im Cast – hat für Diskussionen gesorgt. Dabei ging es auch um die Frage: Für wen ist Drag?
Ruby Tuesday: Drag ist für alle. Es geht ja darum, Regeln zu brechen. Und wenn wir sagen, Drag ist nur für Queers oder nur für Männer oder nur für dies und das, stellen wir ja wieder neue Regeln auf.
Bridge Markland: Wenn Frauen auf der Bühne Männlichkeiten darstellen, ist das für viele Leute immer noch irgendwie… erschreckend. Dabei kann Drag patriarchale Strukturen aufbrechen und spielerisch Gender-Normen über den Haufen zu werfen.
Das "go drag!"-Festival hat bereits zweimal in Berlin stattgefunden – Im Jahr 2002 und dann erst wieder 2022. Wie kam es dazu?
Bridge Markland: Die Idee zum Festival ist im Jahr 2000 entstanden, während der Dreharbeiten zu "Venus Boys", einem Dokumentarfilm über weibliche Männlichkeit. Ich saß mit Diane Torr – Grand Daddy of Dragkings und Erfinderin der Man-for-a-Day Workshops – in einem New Yorker Diner und wir beschlossen, ein Festival zu organisieren, auf dem endlich mal Dragkings repräsentiert sind. Daraus wurde das erste "go drag!"-Festival, das einen ganzen Monat dauerte. 20 Jahre später haben mich zwei junge Performer*innen aus der Berliner Drag-Szene gefragt, ob wir dieses Festival nicht noch mal machen wollen, und es war wieder ein voller Erfolg.
Wie wird sich "go drag!" in München unterscheiden?
Bridge Markland: Das Konzept bleibt gleich, aber in München gibt es eine Anbindung an die lokale Geschichte und Kultur-Szene. Besonders stolz sind wir auf die Beteiligung des NS-Doku-Zentrums und des Gasteigs, eines der größten Kulturzentren Europas, das auch Publikum anzieht, das sich mit Drag noch nie auseinandergesetzt hat.
Ruby Tuesday: Und überhaupt der Grund dafür ist, dass das "go drag!" in München stattfindet. Der ehemalige Gasteig-Chef ist nämlich ein Fan von Bridge.
Bridge Markland: Als ich dem vom "go drag!"-Festival in Berlin erzählt habe, meinte er nur: "Da bin ich dabei." Und da ging mir so die Klappe runter, weil ich nie gedacht hätte, dass er sich dafür interessiert.
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Wie lässt sich die Münchner Drag-Szene beschreiben?
Ruby Tuesday: Im Gegensatz zu Berlin war die Szene in München lange sehr klein und bestand aus wenigen cis Männern, die als Queens aufgetreten sind. Aber seit Corona ist mehr los, es gibt jetzt verschiedene Partys, wo Drags auftreten können, und das Lovers-Kollektiv veranstaltet jeden Monat ein Lip-Sync-Battle. Ich selbst biete seit 2021 Dragking-Workshops an, weil ich nicht mehr der einzige King in München sein wollte.
Drag-Artists waren im vergangenen Jahr vermehrt von rechten Angriffen und Hetze betroffen. Im Zentrum stand eine Drag-Lesung für Kinder in München. Wie geht ihr als Hosts mit Anfeindungen um?
Ruby Tuesday: Rechte Parteien haben mit Queerfeindlichkeit Wahlkampf gemacht, aber ich denke nicht, dass unsere Veranstaltungen gefährdet sind. Für die Münchner Stadtbibliothek, in der eine Kinder-Lesung stattfinden wird, gibt es ein Sicherheitskonzept. Wir gehen davon aus, dass die Hetze vor allem online stattfinden wird, die AfD hat auch schon angefangen, uns mit einem Post zu diskreditieren.
Bridge Markland: Um vorbereitet zu sein, wollen wir ein Coaching machen, in dem wir lernen, mit Hass im Netz umzugehen.
Das Interview erschien zuerst im "Missy Magazine".
Links zum Thema:
» Homepage zum "go drag!"-Festival in München
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de















